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Februar 1996


Aktuelle Rechtsprechung

BGH - Urteil - VI ZR 410/94 - 14.11.95


Vorinstanz: OLG Frankfurt/M.; LG Frankfurt/M.
KunstUrhG §§ 22, 23

Leitsatz


»Die Ausgabe einer "Abschiedsmedaille" als Sammlermünze anläßlich des Todes eines bekannten Staatsmannes, dessen Bildnis auf der Münze erscheint, kann im Hinblick auf die Eigenschaft des Abgebildeten als "absoluter" Person der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG auch ohne die in § 22 Satz 3 KunstUrhG geforderte Einwilligung seiner Angehörigen (hier des überlebenden Ehegatten) zulässig sein.«

Tatbestand:

Die Klägerin, die Witwe des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, nimmt die Beklagte, die sich mit der Herausgabe von Sammlermünzen befaßt, wegen der Herstellung und des Vertriebs einer mit dem Bildnis ihres am 8. Oktober 1992 verstorbenen Ehemannes versehenen Medaille in Anspruch.

Nach dem Tod Willy Brandts hat die Beklagte ohne Einwilligung der Klägerin in einem Werbeprospekt eine sogenannte "Abschiedsmedaille" in goldener sowie silberner Ausführung und limitierter Auflage zum Kauf angeboten. Diese Medaille mit einem Durchmesser von 50 mm weist auf der Vorderseite, umrundet von der Aufschrift "IN MEMORIAM WILLY BRANDT" unter Beifügung der Jahreszahlen 1913 und 1992 ein Bildnis des Verstorbenen auf; auf der Rückseite finden sich stilisierte Abbildungen des Bundesadlers, des Brandenburger Tores und der Friedenstaube sowie folgende Angaben zum politischen Werdegang Willy Brandts: "Kanzler der Bundesrepublik Deutschland", "Präsident der Sozialistischen Internationale", "Regierender Bürgermeister von Berlin", "Friedensnobelpreisträger".

Bereits zu Lebzeiten Willy Brandts hat die Beklagte seit 1974 Medaillen mit seinem Bild in insgesamt 6 Münzsätzen, die den deutschen Nobelpreisträgern, den deutschen Kanzlern sowie den deutschen Bundeskanzlern gewidmet waren, herausgebracht. Eine ausdrückliche Einwilligung Willy Brandts hat ihr dazu nicht vorgelegen. Nach einer dieser Editionen hat das persönliche Büro Willy Brandts im Jahre 1983 die Beklagte darauf hingewiesen, daß sein Vorname falsch wiedergegeben sei, worauf die Beklagte die Aufschrift verbessert und ein Exemplar der korrigierten Münze an das persönliche Büro Willy Brandts übersandt hat.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe mit der Herstellung und dem Vertrieb der "Abschiedsmedaille" das geschützte Recht am Bild sowie das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzt. Ihre zuletzt auf Unterlassung der Herstellung, der Bewerbung und des Vertriebs der "Abschiedsmedaille" sowie künftiger weiterer Medaillen mit dem Bildnis Willy Brandts und auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung eines Ersatzanspruchs gerichtete Klage hatte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht sieht in der Verbreitung der "Abschiedsmedaille" und vergleichbarer Sammlermedaillen mit Abbildungen Willy Brandts einen Verstoß gegen das in § 22 Satz 1 KUG geschützte Recht am eigenen Bild sowie in der Herstellung solcher Münzen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB.

Es fehle an der nach § 22 Satz 3 KUG erforderlichen Einwilligung der Klägerin; die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, die das Recht am Bild einer Person nach deren Tod noch zehn Jahre fortbestehen lasse, könne nicht in Zweifel gezogen werden. Eine rechtswirksame Einwilligung könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß das persönliche Büro Willy Brandts im Jahre 1983 anläßlich einer anderen Münzedition auf den fehlerhaft geschriebenen Vornamen aufmerksam gemacht habe. Eine etwa seinerzeit anzunehmende stillschweigende Einwilligung könne sich jedenfalls nur auf die Abbildung Willy Brandts auf der damals in Rede stehenden Medaille bezogen haben, nicht jedoch auf künftige Editionen.

Die Voraussetzungen, unter denen § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG die Benutzung des Bildes einer Person auch ohne Einwilligung des Berechtigten zulasse, seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar handele es sich bei Willy Brandt unbestritten um eine "absolute" Person der Zeitgeschichte. Der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG setze jedoch weiter voraus, daß mit der Veröffentlichung des Bildes ein schutzwürdiges Informationsinteresse verfolgt werde, hinter dem das Interesse des Abgebildeten oder seiner Erben zurückstehen müsse. Der Persönlichkeitsschutz habe aber dann Vorrang, wenn der Zweck der Informationsvermittlung nach den gesamten Umständen hinter sonstige Beweggründe völlig zurücktrete. Letzteres sei hier der Fall.

Zwar sei es nicht von Bedeutung, daß die Beklagte mit dem Vertrieb der "Abschiedsmedaille" eigene kommerzielle Ziele verfolge; letzteres treffe auch auf Presseveröffentlichungen zu. Auch dürften an das Informationsinteresse, das eine Einschränkung des Rechts am eigenen Bild rechtfertigen könne, keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; es könne grundsätzlich das Interesse der Öffentlichkeit ausreichen, eine Person der Zeitgeschichte als solche im Bild vorgestellt zu bekommen. Dieses Interesse sei bei dem Erwerb von Sammlermedaillen jedoch nicht ausschlaggebend. Heute hergestellten Münzen komme keineswegs mehr der Informations- und Dokumentationswert zu, den in historischer Zeit hergestellte Münzen in der Vergangenheit gehabt hätten und auch heute noch aufwiesen. Vielmehr stehe bei Medaillen der hier zu beurteilenden Art das reine Besitz- und Sammlerinteresse für den Käufer eindeutig im Vordergrund. Erwerber der "Abschiedsmedaille" seien in erster Linie an einer Wertanlage und an einer ansprechend gestalteten Münze interessiert; demgemäß habe die Beklagte die Medaille auch als "numismatische Rarität ersten Ranges" in limitierter Auflage beworben. Demgegenüber trete ein Informationsinteresse am Bildnis Willy Brandts völlig in den Hintergrund; daran könnten auch die zusätzlichen erläuternden Angaben auf beiden Seiten der Medaille nichts ändern.

II. Die Revision ist zulässig. Es handelt sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Streitigkeit; nach der Festsetzung durch das Berufungsgericht übersteigt die Beschwer der Beklagten 60.000 DM (§ 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Klägerin stützt den Unterlassungsanspruch auf eine Verletzung des in § 22 Satz 1 KUG geschützten Rechtes am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Für derartige Ansprüche, die die Selbstbestimmung des Betroffenen sichern sollen, gilt dasselbe wie für Unterlassungsansprüche, die die soziale Geltung des Verletzten in der Öffentlichkeit zu schützen bestimmt sind. Diese sind grundsätzlich als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten anzusehen, sofern sich nicht aus dem Klagevorbringen oder offenkundigen Umständen ergibt, daß es dem Kläger in wesentlicher Weise auch um die Wahrung wirtschaftlicher Belange geht (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - VersR 1986, 1075, 1076 und vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit ist jedoch dann anzunehmen, wenn der Kläger nachhaltig gerade auch auf wirtschaftliche Nachteile abstellt, wobei es als Indiz von Bedeutung sein kann, ob er zugleich einen Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden geltend macht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. November 1990 - VI ZR 117/90 - VersR 1991, 792, 793 und vom 16. Februar 1993 - VI ZR 127/92 - VersR 1993, 614, 615). Letzteres ist hier der Fall:

Der von der Klägerin neben der Unterlassung geltend gemachte Auskunftsanspruch soll, wie bereits dem Klagevorbringen zu entnehmen ist, einen bereicherungsrechtlichen Ersatzanspruch vorbereiten. Die Klage soll gerade auch wirtschaftlichen Interessen dienen, und zwar ersichtlich auch hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs. In der Klageschrift ist dargelegt, daß einem anderen Unternehmen die Verbreitung des Bildes von Willy Brandt gegen eine "Nutzungsgebühr von 50.000 DM" gestattet worden ist; aus diesem Vortrag ergibt sich, daß die Klägerin, wenn sie der Beklagten die kostenlose Verwendung des Bildes untersagen will, auch wirtschaftliche Zielsetzungen verfolgt.

III. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Weder die Herstellung und Verbreitung der "Abschiedsmedaille" noch der Vertrieb künftiger weiterer Medaillen dieser Art mit dem Bildnis Willy Brandts durch die Beklagte verletzen geschützte Rechtspositionen der Klägerin oder ihres verstorbenen Ehemannes.

1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß die Abbildung Willy Brandts auf der von der Beklagten verbreiteten "Abschiedsmedaille" ein Bildnis des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im Sinne des § 22 Satz 1 KUG darstellt und daß die Klägerin grundsätzlich befugt ist, dessen geschütztes Recht am eigenen Bild nach seinem Tode auf der Grundlage des § 22 Satz 3 KUG wahrzunehmen.

2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die hiernach erforderliche Einwilligung der Klägerin als des überlebenden Ehegatten nicht im Hinblick auf eine von Willy Brandt selbst vor seinem Tode erteilte Einwilligung in die Verbreitung derartiger Medaillen mit seinem Bildnis entbehrlich war. Eine für die hier im Streit stehende "Abschiedsmedaille" wirksame Einwilligung ergibt sich insbesondere nicht aus den im Berufungsurteil zur Korrespondenz zwischen dem persönlichen Büro Willy Brandts und der Beklagten für das Jahr 1983 getroffenen Feststellungen.

Zwar kann eine nach § 22 Satz 1 KUG relevante Einwilligung auch stillschweigend erteilt werden (vgl. z.B. BGHZ 49, 288, 295; Senatsurteil vom 14. Oktober 1986 - VI ZR 10/86 - JZ 1987, 158). Das Berufungsgericht führt jedoch zutreffend aus, daß auch dann, wenn für die "Zweite Kanzler-Edition" der Beklagten im Jahre 1983 von einer konkludenten Einwilligung Willy Brandts in die Verwendung seines Bildes ausgegangen werden müßte, sich dieses Einverständnis nicht auf die nach dem Tode Brandts herausgegebene "Abschiedsmedaille" erstreckte. Die Reichweite einer solchen Einwilligung ist durch Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Sie hängt wesentlich von der Art der Veröffentlichung ab, die den unmittelbaren Anstoß für ihre Erteilung gegeben hat; ihr über diesen hinaus Bedeutung auch für spätere Veröffentlichungen eines anderen Zuschnitts beizulegen, ist in aller Regel nur aufgrund eines dahingehenden besonderen Interesses des Betroffenen möglich (vgl. hierzu BGHZ 20, 345, 348; Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - NJW 1979, 2203). Hierzu lassen sich aber den getroffenen Feststellungen und dem von der Revision in Bezug genommenen Parteivortrag keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen. Ein eventuelles Einverständnis Willy Brandts mit der Aufnahme einer ihn betreffenden Münze in eine Gesamtedition von "Kanzler-Medaillen" legt nicht nahe, daß der Verstorbene ohne weiteres die Verbreitung einer allein auf ihn bezogenen, nach seinem Tode erscheinenden "Abschiedsmedaille" für die Beklagte freigeben wollte.

3. Die Revision beanstandet jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen hat, unter denen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG die Verbreitung des Bildnisses einer Person auch ohne Einwilligung des Berechtigten zulässig ist.

a) Auch das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, daß es sich bei Willy Brandt um eine "absolute" Person der Zeitgeschichte handelt, die es sich grundsätzlich gefallen lassen muß, auch ohne Einwilligung der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt zu werden; zu Recht weist das Berufungsurteil darauf hin, daß diese Duldungspflicht andererseits auch nicht schrankenlos ist. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG will dem Interesse der Allgemeinheit an einer Unterrichtung über Persönlichkeiten der Zeitgeschichte dienen, weil und soweit die Öffentlichkeit sie als der Beachtung besonders wert empfindet. Der Schutzzweck dieser Regelung erfaßt daher nicht auch Veröffentlichungen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen ist. Da auch Personen der Zeitgeschichte Anspruch darauf haben, daß die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt, darf nicht außer acht gelassen werden, daß das in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG geschützte allgemeine Publikationsinteresse in einem Spannungsverhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten steht (vgl. hierzu BGHZ 20, 345, 350 f; 49, 288, 292; Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO.). Daher kann sich auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht berufen, wer nicht einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommen, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteile vom 26. Juni 1979 - VI ZR 108/78 - NJW 1979, 2205, 2206; vom 14. April 1992 - VI ZR 285/91 - VersR 1993, 66, 67 und vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667, 668).

b) Entgegen der Auffassung der Revision werden mit diesem bei der Auslegung und Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berücksichtigten Erfordernis eines schutzwürdigen Publikationsinteresses und eines Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit nicht die verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten, welche Art. 20 Abs. 3 GG durch Bindung des Richters an Recht und Gesetz zieht. Das Recht am eigenen Bild genießt als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dessen verfassungsrechtlichen Grundrechtschutz (vgl. hierzu z.B. BVerfGE 30, 173, 193; 35, 202, 224). Als eine das Recht am eigenen Bild einschränkende gesetzliche Regelung muß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG daher unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Position des Betroffenen ausgelegt werden. Dem dient die in jedem Einzelfall vorzunehmende Prüfung eines schutzwürdigen Informationsinteresses der Allgemeinheit.

c) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß im vorliegenden Fall beim Vertrieb der "Abschiedsmedaille" der Zweck der Informationsvermittlung im Hinblick auf ein schutzwürdiges Publikationsinteresse völlig hinter anderen Beweggründen zurücktrete.

aa) Das Berufungsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, daß in diesem Sinne schutzwürdig grundsätzlich bereits das Interesse der Öffentlichkeit sein kann, die Person der Zeitgeschichte als solche im Bild vorgestellt zu bekommen. Dabei liegt ein derartiges zu berücksichtigendes Interesse der Öffentlichkeit umso näher, je stärker sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die betreffende Person richtet. Bei einer Persönlichkeit wie Willy Brandt ist letzteres in besonders hohem Maße der Fall, so daß bei der Veröffentlichung seines Bildes jedenfalls dann in der Regel ein schutzwürdiges Publikationsinteresse vorliegt, wenn sein Bild in einen für den Betrachter deutlichen Zusammenhang mit seinen Leistungen als Politiker und Staatsmann gestellt wird. Der Öffentlichkeitswert des Bildnisses wird wesentlich erhöht, wenn es den Abgebildeten im Rahmen der Tätigkeit zeigt, durch welche er die Öffentlichkeit auf sich besonders aufmerksam gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO., 2204; siehe hier auch OLG Frankfurt, NJW 1989, 402, 403); dieser Rahmen kann bei einem Politiker gerade auch durch Beifügung aussagekräftiger Symbole und durch schlagwortartige verbale Umschreibungen seiner Leistungen und Ämter geschaffen werden.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt der hier zu beurteilenden "Abschiedsmedaille" der Beklagten ein in diesem Sinne für ein schutzwürdiges Publikationsinteresse hinreichender Aussagegehalt zu. Entsprechend der Eigenart von Münzen, deren Vorder- und Rückseite für den Betrachter gleichermaßen von Bedeutung sind, ist die Gestaltung beider Seiten der "Abschiedsmedaille" zu berücksichtigen. Auf der Vorderseite wird die Person Willy Brandts als solche durch Bild, Namen, Geburts- und Todesjahr vorgestellt; auf der Rückseite werden die wichtigsten Stationen seines Lebens als Politiker und Staatsmann verbal und durch zugehörige, für den Betrachter ohne weiteres einzuordnende Symbole (Bundesadler, Brandenburger Tor, Friedenstaube) illustriert. Diese Art der Darstellung ist dazu geeignet, in kurzer, aber einprägsamer Form über die Person und die Verdienste des Verstorbenen zu informieren.

cc) Einem schutzwürdigen Publikationsinteresse steht hier auch nicht entgegen, daß das Bild Willy Brandts auf einer Sammlermedaille erscheint. Gewiß kommt Abbildungen von Personen auf heute hergestellten Münzen nicht mehr der Informations- und Dokumentationswert zu, den Münzen in früheren geschichtlichen Zeiträumen gehabt haben. Indessen können auch in der Gegenwart informative Aussagen über bedeutende Persönlichkeiten einschließlich ihres Bildes in der Form von Medaillen, die zu besonderen Anlässen ediert werden, weitergegeben werden. Dabei bedarf es zur Annahme eines Informationswertes nicht unbedingt eines "Gesamtkonzepts" (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO., 2204), wie es etwa bei der Herausgabe von Münzserien (z.B. "Die deutschen Kanzler") vorliegen könnte; auch eine einzelne, einem historischen Ereignis, wie dem Tode eines bedeutenden Staatsmannes, gewidmete Medaille kann einem schutzwürdigen Publikationsinteresse dienen.

dd) Ein solches Interesse ist vorliegend auch nicht deswegen zu verneinen, weil für die potentiellen Erwerber der Medaille großenteils auch ein Sammlerinteresse gegeben sein wird. Zwar weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, daß die Beklagte, wenn sie die Medaille als "Sammlerstück" und "numismatische Rarität ersten Ranges" bewirbt und ihre Auflage limitiert, gerade dieses Sammler- und Anlageinteresse ansprechen will. Indessen schließen sich ein Interesse, als Sammler eine wertvolle Medaille zu erwerben, einerseits und die - auch für den Münzsammler beachtliche - Bedeutung der Münze als Träger von Informationen über den Abgebildeten als historische Persönlichkeit andererseits nicht aus, sondern können ohne weiteres nebeneinander stehen. Der Wertung des Berufungsgerichts, gegenüber der Motivation der Erwerber, ihrer Münzsammlung eine wertvolle Medaille hinzuzufügen oder sich ein Anlageobjekt zu verschaffen, trete das Informations- und Dokumentationsinteresse am Bildnis Willy Brandts völlig in den Hintergrund, vermag der Senat nicht zu folgen; gerade auch die Gestaltung der Medaille durch die auf ihr enthaltenen informativen Aussagen über den Verstorbenen ist untrennbarer Teil der Münze, und zwar auch in ihrer Eigenschaft als Sammler- und Anlageobjekt.

4. Der Verbreitung der "Abschiedsmedaille" durch die Beklagte steht ferner kein berechtigtes Interesse der Klägerin als Witwe des Abgebildeten im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen.

a) Allerdings ist auch dann, wenn von einem schutzwürdigen Publikationsinteresse im Hinblick auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auszugehen ist, dieses regelmäßig mit den berechtigten Interessen desjenigen, der sich gegen die Bildveröffentlichung wehrt, abzuwägen (vgl. BGHZ 49, 288, 293 f.; Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - VersR 1985, 391, 392 und vom 12. Oktober 1993 - VI ZR 23/93 - VersR 1994, 57, 58 m.w.N.). Da das vorliegend zu beurteilende Bildnis Willy Brandts weder entstellend ist oder den privaten Bereich des Abgebildeten betrifft (vgl. BGHZ 24, 200, 208; 49, 288, 293) noch seitens der Beklagten zu Werbezwecken eingesetzt worden ist (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - aaO. m.w.N.), kommt als berechtigtes Interesse der Klägerin nur in Betracht, selbst als überlebender Ehegatte des Verstorbenen über die Veröffentlichung seines Bildes und insbesondere über dessen wirtschaftliche Nutzung entscheiden zu können.

b) Da die gesetzliche Wertung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG die bildliche Darstellung einer Person der Zeitgeschichte im Rahmen dessen, was ihre zeitgeschichtliche Bedeutung ausmacht, grundsätzlich vom Einwilligungserfordernis freistellt, kann das Interesse der Klägerin, über die Veröffentlichung des Bildnisses des Verstorbenen zu bestimmen, vorliegend nur insoweit relevant sein, als eine besondere, von ihr (oder vom Verstorbenen selbst, würde er noch leben) nicht hinzunehmende Beeinträchtigung abgewehrt werden soll. Diese Voraussetzung wäre allerdings dann erfüllt, wenn der Verstorbene durch das Vorgehen der Beklagten in unangemessener Weise zu einem Objekt ihrer wirtschaftlichen Interessen gemacht würde. Indessen kann von einer solchen Sachlage hier nicht gesprochen werden.

Daß die Beklagte mit der Edition der "Abschiedsmedaille" im Rahmen ihres Gewerbebetriebes eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt, fällt nicht zu Lasten ihres schutzwürdigen Publikationsinteresses ins Gewicht; Bildveröffentlichungen in Medien aller Art dienen regelmäßig gewerblichen Interessen (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO., 2204). Ebensowenig kann hier von Belang sein, daß die Freigabe derartiger Bildveröffentlichungen die Klägerin oder andere Angehörige des Verstorbenen darin behindern könnte, selbst entgeltliche Gestattungen zur Verbreitung des Bildes von Willy Brandt zu erteilen; bei Bildpublikationen der hier vorliegenden Art ist keine rechtlich geschützte Position anzuerkennen, die dem Abgebildeten oder seinen Angehörigen eine finanzielle Beteiligung am Vertrieb der Bilder sichert (vgl. hierzu Senatsurteil vom 2. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO., 2205). Für sonstige berechtigte Interessen, welche die Klägerin auf der Grundlage des § 23 Abs. 2 KUG der nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässigen Verbreitung des Bildes von Willy Brandt auf der "Abschiedsmedaille" entgegenhalten könnte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

IV. Da die Klägerin die Verbreitung des Bildnisses ihres verstorbenen Ehemannes auf der von der Beklagten herausgegebenen "Abschiedsmedaille" auch ohne Erteilung einer Einwilligung dulden muß, erweist sich die Klage mit allen Anträgen als unbegründet. Sie war daher auf die Rechtsmittel der Beklagten hin abzuweisen. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin auf der Grundlage der §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO zur Last.