Recht und Praxis Digital

Februar 1996


Aktuelle Rechtsprechung

BGH - Urteil - V ZR 130/94 - 29.09.95


Vorinstanz: OLG Karlsruhe; LG Heidelberg
BGB §§ 812, 951, 994 ff


Leitsatz


»Die Vorschriften der §§ 994 bis 1003 BGB regeln im Verhältnis zwischen Eigentümer und nicht berechtigtem Besitzer den Ersatz von Verwendungen erschöpfend und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus (Bestätigung von BGHZ 41, 157); dies gilt auch für werterhaltende oder werterhöhende Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden in der begründeten Erwartung späteren Eigentumserwerbs.«

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Erben des verstorbenen Ph. K. Aufwendungsersatz für verschiedene Baumaßnahmen, die - wie sie behauptet - von ihren Rechtsvorgängern an einem Anwesen vorgenommen wurden, das seinerzeit K. gehörte.

W. B., Inhaber einer Firma gleichen Namens, hatte dieses Anwesen mit privatschriftlichem Vertrag vom 22. April 1969 von K. gemietet. Der Vertrag sah vor, daß B. das Anwesen spätestens nach Ablauf der Mietzeit käuflich erwerben konnte. Für die Dauer des Mietverhältnisses war er verpflichtet, die Gebäude in einem ordentlichen Zustand zu erhalten. Da hierzu erhebliche Mittel aufzuwenden waren, sollte der spätere Kaufpreis 15 % unter dem Wert des Anwesens liegen. Als Basis für die Wertermittlung sollte ein Anfang 1969 ermittelter Schätzpreis dienen.

1973 übertrug W. B. seinen Betrieb auf seine Töchter. Fortgeführt wurde er in der Rechtsform einer GmbH und Co. KG. Der Übergabevertrag sah vor, daß die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf die KG übergingen. Ende 1979 kam es zu einer Betriebsaufspaltung. Die KG wurde Besitzgesellschaft; die Klägerin wurde als Betriebsgesellschaft neu errichtet und übernahm fortan alle Aufwendungen aus dem Mietverhältnis. Sie behauptet, die Rechte und Pflichten seien auf sie übergegangen.

In den Jahren 1972 bis 1980 wurden nach Behauptung der Klägerin im Hinblick auf die spätere Ankaufsmöglichkeit wertsteigernde Baumaßnahmen in Höhe von 582.000 DM an dem Anwesen durchgeführt. Diese Aufwendungen verlangt die Klägerin von den Beklagten erstattet, nachdem diese einen Verkauf des Grundstücks auf der Grundlage der Vereinbarungen im Mietvertrag abgelehnt und das Grundstück anderweit veräußert haben. Etwaige Ansprüche der KG macht sie - mit der Behauptung, dazu ermächtigt zu sein - im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren bisherigen Klageantrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht verneint vertragliche Ansprüche mit der Begründung, der Mietvertrag habe wegen des vereinbarten Ankaufsrechts der notariellen Beurkundung bedurft (§ 313 Satz 1 BGB) und sei insgesamt unwirksam (§§ 125 Satz 1, 139 BGB). Vertragliche Beziehungen bestünden daher zwischen den Parteien nicht. Einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB) sieht es als nicht gegeben an, weil die durchgeführten Baumaßnahmen nicht dem Interesse und dem Willen des damaligen Eigentümers entsprochen hätten. Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 994, 996 BGB scheitern nach Auffassung des Berufungsgerichts daran, daß der Eigentümer die Verwendungen weder genehmigt noch den Besitz an dem Grundstück wiedererlangt hat (§ 1001 BGB). Schließlich hält es auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht für gegeben. Es zieht eine Kondiktion wegen Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolgs in Erwägung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB), meint jedoch, weder die Klägerin noch die KG hätten - die Vornahme der Arbeiten unterstellt - die hierfür erforderliche tatsächliche Einigung mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten über den bezweckten Erfolg, den künftigen Eigentumserwerb an dem Grundstück, erzielt. Sie hätten nämlich den Eigentumserwerb niemals angestrebt; das Erwerbsinteresse sei allein von den Eheleuten S., den Gesellschaftern der Klägerin, als Privatleuten bekundet worden.

II. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Die Revision nimmt die Abweisung der Klage hin, soweit das Berufungsgericht - wie schon das Landgericht - vertragliche Aufwendungsersatzansprüche, Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Verwendungsersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verneint hat. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht zu erkennen. Insbesondere begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts keinen Bedenken, daß ein auf §§ 994, 996 BGB gestützter Anspruch schon deswegen zu verneinen ist, weil die Beklagten bzw. ihr Rechtsvorgänger als Eigentümer den Besitz an dem Grundstück nicht wiedererlangt haben. Der Umstand, daß die Beklagten das Grundstück veräußert und somit möglicherweise den durch Baumaßnahmen bedingten Mehrwert realisiert haben, steht der Wiedererlangung des Besitzes nach der gesetzlichen Konzeption nicht gleich. Im Falle der Veräußerung steht dem Besitzer nämlich nach § 999 Abs. 2 BGB ein früher begründeter Verwendungsersatzanspruch nunmehr gegen den neuen Eigentümer zu, während der bisherige Eigentümer grundsätzlich frei wird. Seine Haftung besteht nur fort, wenn er die Verwendungen vor der Veräußerung genehmigt hat (vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearb., § 86 IV; MünchKomm-BGB/Medicus, 2. Aufl., § 999 Rdn. 14). Diese Voraussetzung ist hier indes nicht gegeben.

2. Die Revision bekämpft hingegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht auch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint hat. Im Ergebnis bleibt dies ohne Erfolg, da die Vorschriften über einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich der Aufwendungen nicht anwendbar sind.

a) Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht angegriffen - angenommen, daß zwischen den Parteien bzw. ihren Rechtsvorgängern ein wirksames Mietverhältnis nicht begründet worden ist. Dies schließt zwar nicht generell aus, daß unter Umständen ein anderes vertragliches Nutzungsverhältnis bestand, demzufolge die Klägerin (bzw. ihre Rechtsvorgänger) berechtigte Besitzerin des Grundstücks war (vgl. dazu BGH, Urt. v. 4. Oktober 1967, VIII ZR 105/66, WM 1967, 1250). Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen getroffen, die die Annahme einer solchen vertraglichen Beziehung rechtfertigen könnte. Eine Verfahrensrüge (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO) wird insoweit von der Revision nicht erhoben.

Infolgedessen bestand bezüglich des Grundstücks eine Vindikationslage. Damit beurteilt sich die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Besitzer wegen der von ihm getätigten Aufwendungen, die der Sache zugute gekommen sind, ein Anspruch zusteht, nach der Rechtsprechung des Senats, auf die schon das Landgericht seine Entscheidung gestützt hat, allein nach den Vorschriften der §§ 994 ff BGB (BGHZ 41, 157; Urt. v. 2. März 1973, V ZR 57/71, WM 1973, 560, 562; demgegenüber offengelassen von BGH, Urt. v. 4. Oktober 1967, VIII ZR 105/66, WM 1967, 1250 f und Urt. v. 8. Januar 1969, VIII ZR 7/67, WM 1969, 295 f). Dies gilt auch für einen Anspruch nach §§ 951 Abs. 1, 812 BGB, der im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehen ist, und zwar selbst dann, wenn die Aufwendungen, deren Ersatz begehrt wird, keine Verwendungen im Rechtssinne darstellen (BGHZ 41, 157). Die Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis enthalten insoweit eine erschöpfende Sonderregelung, die ein Zurückgehen auf die allgemeinen Vorschriften nach dem gesetzgeberischen Konzept nicht erlauben (BGHZ 41, 157, 162 f; vgl. dazu insbes. auch Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl., Vorbem. zu §§ 994 bis 1003 Rdn. 39 m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

b) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden in der begründeten Erwartung späteren Eigentumserwerbs einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich nach sich ziehen können, nicht entgegen. Eine solche bereicherungsrechtliche Haftung des Eigentümers, die zum Teil auf § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB (BGHZ 35, 356; 44, 321), zum Teil auf §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützt wird (BGH, Urt. v. 12. April 1961, VIII ZR 152/60, WM 1961, 700; Urt. v. 4. Oktober 1967, VIII ZR 105/66, WM 1967, 1250; offengelassen von BGH, Urt. v. 16. Oktober 1969, VII ZR 145/69, NJW 1970, 136; Urt. v. 12. Juli 1989, VIII ZR 286/88, NJW 1989, 2745), betrifft nämlich ausschließlich Aufwendungen, die ein berechtigter Besitzer durch Vornahme von Baumaßnahmen getätigt hat, so daß die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nicht eingreifen (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 1967, VIII ZR 105/66, WM 1967, 1250) und die allgemeinen Normen anwendbar bleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.