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 Christoph Sonntag

Christoph Sonntag, Jahrgang 1962, Kabarettist, ist mit seinem schwäbisch-satirischen Kabarettprogramm mittlerweile in ganz Deutschland bekannt. Seine beiden erfolgreichsten Radio-Serien “Staatliches Fundamt für peinliche Verluste” sowie “Termin bei Zahnarzt Dr. Sonntag” wurden und werden bisher in insgesamt über 500 Folgen bei zahlreichen Rundfunksendern ausge- strahlt. Hinzu kommen Fernsehauftritte bei nahezu allen deutschen Kanälen, darunter in der ARD als Sologast bei “Scheibenwischer”, “Verstehen Sie Spaß?” und “Boulevard Bio”.
FACT traf Christoph Sonntag am 6. März 1998 in Waiblingen.

FACT: Um die wahrscheinlich meistgestellte Frage gleich vorab zu klären: Wie sind Sie denn zum Kabarett gekommen?

C.S.: Ich versuche, mal eine kurze Version hinzukriegen und es in einem Atemzug zu erzählen. Ich habe während des Zivildienstes bei einer Theatergruppe mitgemacht. Mein erster Auftritt kam auch sehr gut an. Das hat mir soviel Spaß gemacht, daß ich dann auch angefangen habe, selbst Texte für die Gruppe zu schreiben. Drei Jahre später waren neunzig Prozent der Texte von mir. Die Gruppe hat sich immer mehr aufgelöst, und zum Schluß habe ich dann alleine Kabarett gemacht, nebenher studiert und beruflich Journalismus betrieben. Als das Diplom fertig war, lief Journalismus zwar gut, aber irgendwie habe ich doch gemerkt, daß ich mich schwerer tue als im Kabarett. Dann habe ich mir gesagt, jetzt versuche ich einfach mal, ein Jahr lang professionell ins Kabarett einzu- steigen, und am Ende des Jahres wird Bilanz gezogen. Im Laufe dieses Jahres kam ein Redakteur von SWF 3 zufällig in Stuttgart zu einem Auftritt. Ich bin dann eingeladen worden und nach Baden-Baden gefahren. Um mich dort vorzustellen, habe ich eine Kassette mit einer Produktion mitgenommen, die ich dem Chef dort vorspielen wollte. Wie ich das produziert habe, kam der Kollege Thomas Brinkwirth vorbei, hat das gehört und gesagt: Gib her, das sende ich gleich. Als ich dann kurz darauf den Termin beim Sendechef hatte, war die Szene bereits gesendet. Das war der Einstieg mit dem “Fundamt” bei SWF 3, und ab da waren auch schlag- artig die Hallen im Sendegebiet von SWF 3 voll. Ab diesem Zeitpunkt war klar, daß ich beim Kabarett bleibe.
Seit einigen Jahre grase ich durch den “Zahnarzt Dr. Sonntag” auch das Sendegebiet von SDR 3 ab.

FACT: Aber Sie trauen sich trotz des schwäbischen Einschlags auch in den norddeutschen Raum?

C.S.: Ja klar, ich spiele zum Beispiel jedes Jahr für drei Wochen in Berlin bei den Wühlmäusen. Schwäbisch wird Weltsprache, da sind wir uns alle einig, und in wenigen hundert Jahren werde ich als Pionier der neuen deutschen Sprache in den Geschichtsbüchern stehen. Dazu muß ich aber sagen, daß ich ein schwäbisch habe, das jeder verstehen kann, und zum anderen haben wir mit sächsisch inzwischen einen Dialekt im Land, der sich noch komischer anhört, dadurch sind wir Schwaben ein bißchen entlastet worden.

FACT: Haben Sie denn viele Auftritte im nicht-schwäbischen Raum?

C.S.: Siebzig Prozent aller Auftritte sind in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die anderen dreißig Prozent sind dann der ganze Rest. Der Schwerpunkt liegt also schon hier.

FACT: Wieviele Auftritte sind das denn so im Jahr?

C.S.: Bis letztes Jahr waren das etwa 150 Auftritte, in diesem Jahr versuche ich auf etwa 120 Auftritte zu reduzieren, weil ich merke, daß es doch sehr an die Kraft geht. Außerdem braucht man auch viel Zeit, um vorzubereiten und neue Sachen zu schreiben, und 120 ist eine Zahl, bei der es noch Spaß macht. Bei mehr beginnt der Streß.

FACT: Gibt es Gegenden, wo es besonders Spaß macht?

C.S.: Ja, zum Beispiel im Stuttgarter Raum ist es immer voll und man hat ein klasse Publikum. Auch der Bodenseeraum war schon immer ein tolles Gebiet. Da kommt auch das Ambiente vom See mit dazu und die Leute, die im einzigen Paradies unserer Gegend leben, haben mehr Spaß und kommen mit der Grundhaltung: prima, daß da einer kommt und uns etwas geben möchte. Städter dagegen sagen oft: Ich habe schon soviel gesehen, jetzt zeig erst einmal, daß du besser bist. Da muß man dann ein bißchen mehr ackern. Aber inzwischen knacke ich sie alle.

FACT: Schreiben Sie die Programme immer komplett neu?

C.S.: Ich bin ständig im Fluß. Kein Auftritt ist wie der andere. Ich habe drei Programme, die ich spiele, und jedes Programm ist bei einem Auftritt in Stuttgart anders als bei einem Auftritt in Ulm.
Das liegt auch daran, daß ich sehr viel auf mein Publikum reagiere. Wenn einer zu spät kommt oder hustet, ist der für mich ein Thema und wird von mir angesprochen. Dabei versuche ich natürlich, die Leute nicht bloßzustellen, sondern mit einzubinden. Dadurch wird das ganze auch für mich unberechenbar. Wenn das beispielsweise jemand ist, der sich sehr zurücknimmt, kann er sich sehr schnell bedroht fühlen, was man natürlich vermeiden will, weil sich so eine Atmosphäre auch auf das restliche Publikum überträgt. Wenn er sich jedoch profilieren will und plötzlich anfängt loszureden, muß ich das auch in den Griff kriegen. Das ist eine heikle Geschichte, die zwar sehr viel Kraft kostet, aber auch viel Spaß macht.

FACT: Gibt es in Ihrem Programm Schwerpunkte?

C.S.: Ich würde sagen, etwa die Hälfte ist Unterhaltung, dreißig Prozent Aktualität und zwanzig Prozent Situationskomik und Improvisation. Aller- dings ist sehr vieles politisch motiviert, ich bin ein politischer Mensch, auch wenn im Moment mehr der pure Blödsinn Mode ist. Ich denke, daß auch das politische Kabarett wieder eine Renaissance erleben wird, und abgesehen davon mache ich ja auch eine Mischform, in der es auch Albernheiten gibt.

FACT: Was halten Sie von der puren Comedy?

C.S.: Ich kann nur von mir ausgehen und sagen, mir wäre das zu wenig. Es würde mich nicht befriedigen, eine Masse zu unterhalten, ohne ihr etwas gesagt zu haben. Das hat eine Art Strohfeuermentalität: Wenn man politisches Kabarett macht, brennt man zwar manchmal weniger heiß, aber dafür länger. Das sieht man auch an einigen Beispielen wie Hüsch oder Hildebrandt, die heute noch so populär sind wie vor dreißig Jahren. Wir Deutschen machen einfach alles gründlicher, und deshalb müssen wir auch die verschiedenen Sparten gründlicher austreten, bis wir eine gesunde Mischung finden.

FACT: Können Sie sich vorstellen, den Beruf so lange zu machen wie beispielsweise Dieter Hildebrandt?

C.S.: Schon, aber das muß nicht so sein. Mein Dasein ist einfach zu weit gefächert, als daß ich existentiell davon abhängen würde. Ich mache auch CDs, habe schon drei Bücher geschrieben und arbeite gerade an einem weiteren, bei dem ich mich zum ersten Mal an Belletristik versuche. Dieser Roman wird voraussichtlich nächstes Jahr erscheinen. Das wird etwas ganz anderes werden, zu dem ich sehr viel Lust habe, denn Romane schreiben finde ich schon sehr spannend.

FACT: Ist dieser Roman dann auch etwas humoristisches?

C.S.: Nein, überhaupt nicht. Es geht eher in Richtung Krimi. Es macht mir auch Spaß, meine Fans damit ein bißchen zu irritieren. Ich habe auch eine Figur immer dann aus dem Programm genommen, wenn sie am populärsten war. Die ist für mich dann ausgebrannt und interessiert mich nicht mehr, obwohl das Erfolgsrezept eigentlich wäre, die Figur so lange zu penetrieren, bis zehn Prozent der Leute das nicht mehr hören können und neunzig Prozent sie für sich entdeckt haben. Dann ist man bundesweit durch. Aber das ist nicht mein Interesse, denn ich möchte einen langen Weg mit ordentlicher Arbeit vor mir haben.

FACT: Denken Sie sich diese Figuren aus oder findet man die im richtigen Leben?

C.S.: Alles, was ich mache, ist für mich gleichzeitig auch Ideensuche. Jeden, den ich sehe, speichere ich im Kopf, und irgendwann tauchen dann manche in meinem Programm wieder auf. Ich nehme die Figuren also aus dem Alltag, übertreibe noch ein bißchen, und die Figur ist fertig.

FACT: Ihre Figuren sind ja hauptsächlich Schwaben. Spielt da auch ein bißchen Kritik am eigenen Menschenschlag mit oder ist alles eher liebevoll gemeint?

C.S.: Beides. Die Schwaben gefallen mir genauso wie sie mich aufregen, genauso, wie es mit mir selbst auch ist. An unserem Landstrich gefällt mir vor allem die Ernsthaftigkeit. Als Blödelstar hat man es in Schwaben schwerer als beispielsweise im Rheinland, weil die Leute hier mehr erwarten. Mir gefällt auch ihre Betulichkeit, ihr Erfindergeist und ihr Versuch, alles ein bißchen klüger, schneller, einfacher, billiger und besser zu machen. Andererseits bleiben sie dadurch natürlich selbst oft ein bißchen auf der Strecke. Insgesamt also eine liebevoll-kritische Begleitung. Ich komme ja von hier und weiß, wie die Leute empfinden.

FACT: Wie sieht's mit der Zukunftsplanung für die nächste Zeit aus?

C.S.: Im Moment steht für mich die Bündelung meiner Kräfte im Vordergrund. Wie schon gesagt, ich werde die Zahl meiner Auftritte etwas einschränken, um weniger Druck zu haben. Dann bin ich auch gespannt, was aus meinem Buch wird, und daneben stehen momentan vor allem viele Fernsehprojekte an.

FACT: Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

J.B. / J.W.

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