Adolf Jensen

Jensent.Adolf Jensen wurde am 12. Januar 1837 in Königsberg geboren. Er war zunächst Autodidakt, dann aber später 2 Jahre lang Schüler von Ehlert und F.Marpurg. Sein pianistisches Talent fand besondere Förderung  durch Franz Liszt. 1856 ging er nach Russland als Musiklehrer, wurde dann 1857 Kapellmeister in Posen und studierte dann weitere 2 Jahre bei Gade in Kopenhagen. 1860 ging er zurück nach Königsberg und gelangte dort schnell zu Ansehen als Komponist und Lehrer. 1866 traf er mit Carl Tausig zusammen, der ihn hörte, und ihn sofort nach Berlin an sein Institut für das höhere Klavierspiel berief. Dort wirkte er bis 1868, zog sich dann aber nach Dresden zurück und übersiedelte 1870 nach Graz. Seine letzten Jahre verbrachte er in Baden-Baden, wo er dann an einem schweren Lungenleiden am 23.Januar 1879 starb.
Durch Jensens überaus poetisch musikalisches Empfinden gilt er mit Recht als Erbe Robert Schumanns. Seine zahlreichen Liedkompositionen sind voll von romantischen Gefühlen und ihre Sensitivität steigert sich oft bis an die Grenzen des musikalisch Tragbaren und rücken nahe heran ans Salonhafte. Jensen schrieb einige Liederzyklen, u.a. „Dolorosa“ (Chamissos Tränen) op.30, „Gaudeamus“ (12 Lieder von Scheffel) op.40 und 2 Hefte zu je 7 Liedern aus dem „Spanischen Liederbuch“ von Geibel und Heyse op.4 und 21. Seine bedeutendsten Kompositionen hinterlässt Jensen im Klavierbereich. Unter seinen zahlreichen Klavierwerken sind besonders zu erwähnen: Innere Stimmen op.2, Valse brillant op.3, Fantasiestücke op.7, Romantische Studien op.8, Berceuse op.12, Wanderbilder op.17, 4 Impromptus op.20, Sonate fis-moll op.25, 25 Etüden op.32, Erotikon op.44, Erinnerungen op.48 und die Scènes carnavalesques op.56. Weiter schrieb Jensen ein Fülle von vierhändigen Kompositionen.
Wer unter dem Namen „Ländler aus Berchtesgaden“ ein Werk mit aneinandergereihten bayerischen Tänzen folkloristischen Kalibers erwartet, der wird erstaunt sein, wie diese Ländler in einen großen Konzertwalzer eingearbeitet sind, und man merkt, wie hinreißend elegant und charmant Jensen die Originale harmonisch verändert. Eigentlich kommt man gar nicht auf den Gedanken, dass es sich um Ländler handelt. Ähnlich wie die großen Vorbilder der Walzer von Chopin und Liszt handelt es sich hier um eine ausgesprochene Konzertmusik. Der „Valse de Concert“, wie ihn Jensen selbst betitelt, deutet schon darauf hin, dass er kein Potpourri geschrieben hat, sondern eine durchaus wie aus einem Guss angelegte Komposition. Die Tonsprache weist schon aus die großen Walzerparaphrasen von Godowsky hin, und verlangt große rubati und sehr differenziertes Klavierspiel. Der Valse de Concert H-Dur ist ein unbeschreiblich charaktervolles Stück, und ist in seiner Raffinesse einzigartig in Jensens Schaffen. Die Technik ist wie bei Jensen üblich überaus weitgriffig. Die linke Hand hat andauernd Decimen zu greifen, und der Klaviersatz  ist mit vollgriffigen Akkorden gespickt, was für Pianisten mit kleinen Händen sehr mühsam zu bewältigen sein wird. Dennoch wird man dieses Stück schätzen und lieben lernen. Es hat den Charme der Salons und wird für ein Konzertpublikum ein dankbares Novum sein.

 
Düsseldorf, im Januar 2001
Ulrich Rasche