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Der Name Zasius ist jedem Freiburger vertraut.
Eine Straße, eine Apotheke und sogar ein
Studentenwohnheim
sind so benannt. Nur wenige wissen allerdings, wer oder was sich hinter
Zasius verbirgt. Der Name sollte aber nicht nur für Freiburger von
Interesse sein. Vielmehr sollte jeder Jurist und Jurastudent schon einmal
etwas über Zasius gehört haben.
Diesem Artikel liegt es fern, mit dem umfangreichen wissenschaftlichen Schrifttum zu konkurrieren. Ziel soll es vielmehr sein, einige wissenswerte Informationen über Zasius im neuen Medium Internet bereitzustellen und sie durch Beifügung von einigen interessanten Begebenheiten und Zitaten zu illustrieren. Ulrich Zasius, unter diesem Namen ist er heute bekannt, hieß zu seiner Zeit latinisiert Huldrichus Zasius oder auf deutsch Ulrich Zäsy. Er wurde 1461 in Konstanz geboren und verstarb 1535 in Freiburg im Breisgau, seiner Wirkungsstätte, wo er in der Universitätskapelle des Münsters beigesetzt ist. Zasius gehört zu den bedeutendsten deutschen Juristen und steht in einer Reihe mit Eike von Repgow, Benedict Carpzov, Friedrich Carl von Savigny, Rudolf von Ihering und Gustav Radbruch. Die Gründe für seine Bedeutung sind vielfältig. Hauptgrund für seinen Ruhm ist wohl die Tatsache, daß Zasius die Rechtswissenschaft seiner Zeit reformierte, indem er im neuen humanistischen Stil auf die ursprünglichen Quellen in Gestalt des Corpus Juris Civilis des römischen Kaisers Justinian zurückgriff und damit das damals geltende ius comune, das gemeine Recht, von der von ihm als "Schlingpflanze" bezeichneten autoritativen Arbeit der bisherigen Juristen, der Glossatoren und Postglossatoren befreite. Indem er dem Glossenapparat seine Autorität streitig machte, eröffntete er den Weg für neue Entwicklungen in der Rechtswissenschaft, die zuvor nur im scholastischen Stil arbeitend, damit beschäftigt war zu glossieren und kompilieren, und dadurch erstarrt war. Zasius formulierte in seinem berühmtesten Werk, den "Lucubrationes" (Nachtarbeiten), daß die einzig wahren Interpreten diejenigen seien, die versuchten, die Quellen selbst auszulegen und nicht auf die Autotrität der Glosse vertrauten. In dem Vorwort zu seinen Imtellectus iuris singularis legte er seine methodisches Programm offen: "Vor allem will ich bekennen, daß ich allein von dem Texte der Quellen und von wahren und sicheren Gründen, die auf dem Rechte oder der Natur der Sache beruhen, abhänegen, nur auf diese mich stützen, an sie mich halten will. Sodann: daß ich an den Wirbelwind der ;einungen, durch welche, wie Cebes bezeugt, der Weg zur Wissenschaftnicht führt, nicht gefesselt sein will, da sie bei mir nicht das geringste Ansehen haben, wenn sie nicht auf den Quellen des Rechts oder der klaren Vernunft beruhen.[...] Denn die Wahrheit des Rechts wird nur aus den Quellen, nicht aus der Autorität der Doctoren geschöpft." Noch dem heutigen Juristen vertraut sind einige seiner dogmatischen Errungenschaften: So bekämpfte er die Ansicht, daß es fünf Grade der Fahrlässigkeit gab und reduzierte die culpa auf die noch heute übliche Unterscheidung in leichte und grobe Fahrlässigkeit. Ferner geht auf ihn der heutige § 91 BGB zurück, da er die „vertretbare Sache“ (res fungibilis) erfand. Diese populären Entwicklungen und viele weitere kunden von einer ungeheuren Schaffenskraft. Seine umfangreichen Werke sind noch heute gut zugänglich durch die nach seinem Tode von seinem Sohn 1540 veröffentlichten "Zasii Opera Omnia".
Anlass war ein Fall, indem ein Junge jüdischen Glaubens, der in Freiburg als Geisel von seinem, aufgrund einer Fehde von Freiburgern mit dem Pfalzgrafen bei Rhein gefangengenommenen, Vater zurückgelassen wurde, getauft zu werden wünschte. Problematisch war dabei, daß das Dekret C. 11. 12. C. XXVIII, qu. 1 es getauften Kindern von Nichtchristen verbot wieder in Gemeinschaft mit den Eltern zu treten, weshalb das Kind nicht nach Auslösung zurückgegeben werden durfte. Nach einer Diskussion unter den Freiburger Gelehrten entschied sich der Rektor der Kirche zu Freiburg, H. Kolher den Jungen zu taufen und nahm ihn dann bei sich auf und übernahm seine Erziehung. Zasius sprach sich in seiner Abhandlung dafür aus, daß ein Kind von Ungläubigen auch gegen die Einwilligung seiner Eltern getauft werden durfte. Zasius verwies beispielsweise darauf, daß es auf den Willen des Paten und nicht der Eltern ankäme, der Vater nicht der Erbschaft des ewigen Lebens im Wege stehen dürfe und daß Juden zwar keine Sklaven seien, jedoch Knechte des Kaisers und damit alle ihre Rechte nur auf der Gnade beruhten, und jederzeit zurückgenommen werden könnten. In die deutsche Rechtsgeschichte und insbesondere in die Geschichte der Stadt Freiburg ging er ein, da er das Freiburger Stadtrecht, die „Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Stadt Fryburg im Pryszgow gelegen“, verfasste. Diese Stadtrechtsreformation, die am 1.1.1520 in Kraft trat, enthält Regelungen zu den verschiedensten Bereichen, hauptsächlich zum Zivilrecht aber auch zum Strafrecht und Öffentlichen Recht. Besondere Bedeutung hatte das Erbrecht, das viele moderne Züge trug, wie ein ausdifferenziertes Pflichtteilsrecht oder das Eintrittsrecht. Das Freiburger Stadtrecht zeichnete sich gegenüber anderen Stadtrechtsreformationen, wie beispielsweise der Wormser, dadurch aus, daß es nicht einfach das ius comune rezipierte, sondern auf die alte städtische Gewohnheit Rücksicht nahm. Das Freiburger Stadtrecht wirkte auf eine Reihe anderer Gesetzgebungen ein, so die Württembergische, die Frankfurter und die Solmser. Was seinen privatrechtlichen Teil betrifft, war das Stadtrecht von solcher Qualität, daß es bis 1810 seine Gültigkeit hatte.
Auch der Bauernkrieg ging an Zasius nicht vorbei. Während der Auseinandersetzungen schlug eine schwere Eisenkugel in seinem Haus ein und richtete Verwüstungen an. Den Bauernkrieg schrieb er Luther zu: "Luther hat ganz Deutschland in Verwirrung gebracht". In Freiburg hat Zasius in der heutigen Herrenstraße am Fuße des Schloßbergs gelebt. Sein Haus "zum Wolfseck", wo Zasius viele seiner Schüler gegen Kostgeld und auch nach Freiburg kommende Gelehrte beherbergte, steht nicht mehr; es wurde in diesem Jahrhundert abgerissen. Am Ende der Zasiusstraße in der Wiehre blickt Zasius jedoch noch immer aus einem Haus. Dort ist nämlich eine Büste angebracht, die seine groben Gesichtszüge gut darstellt. Zasius war von einer temperamentvollen, handfesten Persönlichkeit, die teilweise sogar seinem Gesicht entsprechende grobe Züge aufweist. Zasius zechte gerne und benutzte einen groben Ton gegen seine Widersacher. Über den Menschen Zasius wissen wir heute noch viel aus den Berichten seiner Schüler und aus der berühmten Amerbachkorrespondenz, die Zasius mit dem Basler Juristen Bonifazius Amerbach führte, der als Zasiusschüler durch seine Gutachten bekannt war, so für das im Scheidungsverfahren Heinrichs VIII. Die beiden korrespondierten nicht nur über juristische Fragen, sondern auch über Angelegenheiten des Alltags:
Vor seiner Freiburger Zeit hatte Zasius,
der in der Domschule von Konstanz zur Schule gegangen war, and der gerade
gegründeten Universität Tübingen die artes liberales studiert.
Seine Studienzeit war voller Lebensfreude und später klagte er über
die verschwendeten Jahre. Zasius hielt sich zu dieser Zeit für eine
Reinkarnation des Gottes Bacchus und ein Freund ermahnte ihn, doch endlich
ein "erber wesen" anzunehmen. Er arbeitete später als bischöflicher
Notar in Konstanz und einige Jahre in Baden im Aargau als Stadtschreiber.
Daraufhin ging er nach Freiburg, einer Stadt, die zu diesem Zeitpunkt als
vorderösterreichische Landstadt einen einen großen Aufschwung
nahm, der sogar dazu führte, daß 1498 dort der Reichstag abgehalten
wurde.
Mit Straßburg und Basel bildete die Stadt das Zentrum der neuen humanistischen
Strömung am Oberrhein. Zasius übernahm die Leitung der Lateinschule.
Daraufhin wendete er sich 1499 fast vierzigjährig juristischen Studien
zu und promovierte 1501, einem Jahr indem die Freiburger Universität
aufgrund der wütenden Pest teilweise aufgelöst wurde und der
Betrieb nach Ehingen und Rheinfelden verlegt wurde. Im Anschluß an
seine Promotion begann er durch die pestbedingte Personalnot begünstigt
seine Tätigkeit an der Juristenfakultät, wo er zunächst
die Institutionen,
also die Anfängervorlesung nach dem ersten Teil des corpus iuris civilis,
las und nach einiger Zeit zum ordentlichen Universitätsprofessor mit
großem Lehrerfolg wurde. Ein Schüler des Zasius beschrieb seine
Vorlesung folgendermaßen: "Alles lebte, was er sprach, und ich
habe in Deutschland und Italien keinen Professor gehört, der ihn an
Lebendigkeit der Rede übertroffen hätte". Durch Zasius nahm
die Freiburger Juristenfakultät einen bedeutenden Aufschwung und gelangte
zu einer Bedeutung, an die sie erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts und
im 20. Jahrhundert wieder anknüpfen konnte. Erasmus schrieb heirzu:
"Glückliche Freiburger Hochschule, die durch die gelehrte Beredtsamkeit
eines solchen bedeutenden Mannes sowohl ihren Glanz als auch ihre Weisheit
empfängt und und von solch edlem Menschentum zehren darf."
Galliae: jactat Marium superba Roma: Germanis ita regnant unus
Zasius linguae decus et latinae Zasius praestans literis quibusvis
Notus, et cunctis celebratus oris Zasius nostri decus et perenne
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Die Person des Ulrich Zasius
ist rechtshistorisch gut erforscht. Als weiterführende Literatur ist
unter anderem zu nennen:
Kleinheyer/Schröder,
Europäische Juristen, 1997
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© by Steffen Breßler LL.M. 2000 |