Die Weltraumkonferenz UNISPACE landet in Wien · mit einer interessanten Begleitausstellung/ Von Christian PinterExakt 30 Jahre nachdem Menschen erstmals ihren Fuß auf den Mond gesetzt haben, lädt die UNO zur großen Weltraumkonferenz nach Wien. Bei der UNISPACE III im Austria
Center und im Vienna International Centre treffen einander Vertreter von 185 UN-Mitgliedsstaaten und Repräsentanten von Wirtschaftsunternehmen, die in der Raumfahrt tätig sind. Wie ihre beiden
Vorgängerinnen 1968 und 1982 wird auch die heurige UNISPACE von einer interessanten Ausstellung begleitet. Dabei lassen Nachbildungen und Originalexponate von Raketentriebwerken, Erdsatelliten oder
Planetensonden die Geschichte des Raumflugs Revue passieren. Sie erlauben aber auch den Blick in die Zukunft.
1968 · roter Orbit
Erstmals konnten Besucher der UNISPACE I im August 1968 in Wien Sputnik und seine Nachfolger bewundern. Damals schien die Sowjetunion beim Wettlauf zum Mond noch die Nase vorn zu haben.
Selbstsicher unterstrich sie, daß ihr praktisch alle wichtigen Premieren bei der Eroberung des Weltraums gelungen waren. Ihr 84 kg schwerer Sputnik hatte das Weltraumzeitalter am 4. |
Damals schien die Sowjetunion beim Wettlauf zum Mond noch die Nase vorn zu haben.
Selbstsicher unterstrich sie, daß ihr praktisch alle wichtigen Premieren bei der Eroberung des Weltraums gelungen waren. Ihr 84 kg schwerer Sputnik hatte das Weltraumzeitalter am 4. Oktober 1957
eröffnet. Bereits im November folgte Sputnik-2 und machte die Polarhündin Laika zum ersten irdischen Lebewesen im All. 1958 wogen sowjetische Sputniks schon mehr als eine Tonne. Die USA zog nur mit
Verspätung und viel kleineren Satelliten nach.
Schubstarke Raketen waren die Basis des sowjetischen Erfolgs. Moskau und Washington bedienten sich bei der Raketenentwicklung deutscher Spezialisten, die Jahre zuvor Hitlers V-2 konstruiert hatten.
Für die UdSSR waren solche Waffen aber besonders interessant. Denn während US-Bombenflugzeuge von westlichen Stützpunkten aus sowjetisches Territorium ansteuern konnten, gelang den Düsenjets der
Roten Armee der Flug nach Amerika kaum. Raketen boten den Ausweg. Auch der Träger von Sputnik-1 war eine modifizierte Interkontinentalrakete, die man zum Transport von Atomsprengköpfen gebaut hatte.
Nun konnten sowjetische Nuklearwaffen praktisch jeden Punkt der Welt erreichen.
Bei der UNISPACE I im neutralen Österreich hob man freilich die friedlichen Aspekte der Raumfahrt hervor, unterstrich ihre Bedeutung für die Wissenschaft. Gleichzeitig führte die UdSSR ihre Erfolge
als Beweis für die "Überlegenheit" des Kommunismus ins Treffen. Schließlich hatte sie auch in der bemannten Raumfahrt einen Meilenstein nach dem anderen gesetzt. Juri Gagarin, kurz vor der UNISPACE I
tödlich im Düsenjet verunglückt, hatte am 12. April 1961 als erster Mensch die Erde umkreist. Sowjetischen Kosmonauten war 1962 erstmalig ein Gruppenflug gelungen, als zwei Wostok-Schiffe nur 5 km
voneinander entfernt um den Globus eilten. 1963 machte die UdSSR Walentina Tereschkowa zur ersten Frau im All. Dann baute sie mit den Woschods erstmals mehrsitzige Raumfahrzeuge. Alexei Leonow
verließ 1965 als erster Mensch die schützende Kapsel, unternahm einen zehnminütigen "Weltraumspaziergang". Die Amerikaner hinkten noch immer Monate hinterher.
Seit 1962 produzierte die UdSSR "Sputniks" in Serie. Im Schnitt startete alle eineinhalb Wochen ein Kosmos-Satellit ins All. Da sich das Land über elf Zeitzonen erstreckt, nützte man den Weltraum
rasch zur Fernkommunikation. |
Die Amerikaner hinkten noch immer Monate hinterher.
Seit 1962 produzierte die UdSSR "Sputniks" in Serie. Im Schnitt startete alle eineinhalb Wochen ein Kosmos-Satellit ins All. Da sich das Land über elf Zeitzonen erstreckt, nützte man den Weltraum
rasch zur Fernkommunikation. Molnija-Nachrichtensatelliten strahlten Moskauer TV- und Radioprogramme in den entlegensten Winkel Sibiriens und Manuskripte der Zentralorgane zum Druck ins ferne
Chabarowsk. Russische Robotersonden hatten auch den Weg zum Mond gebahnt. Im Jänner 1959 war Lunik-1 als erster Automat in Richtung Erdtrabant geschossen. Im September schlug Lunik-2 mit 120.000 km/h
auf dem Mondboden auf. An Bord war eine stoßfeste Kugel, verziert mit Hammer und Sichel. Im Oktober sandte Lunik-3 erstmals Bilder der Mondrückseite zur Erde. Im Februar 1966 gelang Luna-9 dann die
erste weiche Landung im Meer der Stürme.
Bei der UNISPACE I erinnerte Moskau unter dem etwas unglücklichen Motto "Raketen durchqueren die Galaxis" auch an die Vorreiterrolle auf dem Gebiet der interplanetaren Raumfahrt. Russische Späher
waren 1961 als erste zur Venus aufgebrochen und ab 1966 in ihre Atmosphäre eingetaucht · natürlich wieder mit Sowjet-Emblem im Gepäck. Sicherheitshalber hatte man 1962 auch die Funksignale "Frieden",
"UdSSR" und "Lenin" zur Himmelsgöttin gesandt; im gleichen Jahr startete ein russischer Roboter erstmals zum Mars, dem roten Planeten.
Zehn Jahre nach Geburt der Raumfahrt arbeitete in Ost und West jeweils eine halbe Million Menschen am Ziel, möglichst rasch Raumfahrer auf dem Mond abzusetzen. Um Moskau zu überflügeln, bekam die
NASA bis zu 5 Prozent des US-Budgets. Doch das Rennen forderte Opfer. Im Jänner 1967 verbrannten beim Training in der neuen Apollo-Kapsel die Amerikaner Grissom, White und Chaffee. Drei Monate später
stürzte Kosmonaut Wladimir Komarow zu Tode, als der Fallschirm seiner Sojus-1 beim Wiedereintritt versagte. Die bemannte Raumfahrt war daher zur Zeit der UNISPACE I gestoppt. Erst im Oktober 1968
setzte man sie mit Apollo-7 bzw. Sojus-3 fort.
1982 · der Raumgleiter
Rückblickend wirkt es fast unglaublich, welches Tempo die USA nun vorlegte. Nur zwei Monate nach Wiederaufnahme bemannter Flüge feierten drei Astronauten Weihnachten in der Mondumlaufbahn. Am 21.
Juli 1969 (nach MEZ) hißte Neil Armstrong im "Meer der Ruhe" die US-Flagge. Ihm folgten bis Ende 1972 elf weitere Astronauten. Ihre geschlagenen sowjetischen Kollegen verließen den Erdorbit nie. Als
man einander im Sommer 1982 zur UNISPACE II in Wien traf, war der Mondflug Geschichte, die Apollo-Euphorie längst verflogen. Aus übrig gebliebener Hardware hatte man 1973 noch das Weltraumlabor
Skylab zusammengesetzt und das Apollo-Sojus-Projekt realisiert: 1975 reichten Amerikaner und Russen einander wenigstens im All die Hand.
Dann stand die NASA sechs Jahre lang ohne Raumfahrzeug da. Ihre Astronauten waren an den Boden gefesselt. Dafür schoß die Sowjetunion ab 1971 eine Raumstation nach der anderen hoch. Die ersten
Saljuts dienten vor allem militärischer Aufklärung, flogen tief und verglühten rasch. Ab 1977 arbeiteten die Erben Gagarins effizienter. In Saljut 6 hielten sich erstmals Bürger sowjetischer
Bruderländer auf, auf Saljut 7 wurden Gäste aus Frankreich und Indien begrüßt. Washington lehnte entsprechende Einladungen ab.
So dominierten im Sommer 1982 Modelle der Saljut-Stationen den russischen Ausstellungssektor der UNISPACE II. Stolz zeigte man Fotos, die Venera-9 und 10 nach ihrer Landung in der Äquatorregion der
Venus geschossen hatten. Die NASA parierte mit dem Modell der Viking-Sonden, die 1976 auf Mars niedergegangen waren · zur Feier des 200. Geburtstags der USA mit aufgeklebtem "Amerikastern". Besucher
drängten sich um ein kleines, schwarzes Stück "Mondgestein zum Anfassen". Es war Teil jener 382 kg, die Apollo-Astronauten eingesammelt hatten. Vor allem aber führte die USA bei der UNISPACE II ihre
sehnsüchtig erwartete Raumfähre vor: der Shuttle Columbia hatte gerade seine vier orbitalen Testflüge absolviert und damit die lange US-Absenz in der bemannten Raumfahrt beendet.
Ausstellungsbesucher freuten sich über Medaillen aus Metall, das zum Teil an Bord der Columbia im All gewesen war; freilich enthielten die Geschenke nur Beimengungen in gleichsam "homöopathischer
Verdünnung".
Der Shuttle sollte den Transport kommerzieller Satelliten wesentlich billiger bewerkstelligen als die üblichen Wegwerfraketen. Die NASA wollte sich damit größeren Anteil am lukrativen "Weltraummarkt"
sichern: zum Aufbau weltweiter Funkverbindungen für TV und Telefonie mußten ja immer mehr und leistungsfähigere Kommunikationssatelliten ins All gebracht werden · eine Goldgrube für
Weltraumagenturen. "Where Science gets down to Business" las man über einem der US-Stände. In den USA wurde gerade der zweite Shuttle, die Challenger, zusammengesetzt. Noch ahnte niemand,
daß deren Explosion die NASA dreieinhalb Jahre später erneut in eine schwere Krise stürzen würde. So kam auch das Hubble-Weltraumteleskop erst 1990 zum Einsatz, obwohl man sein Modell schon bei der
UNISPACE II bewundern konnte.
1982 waren USA und UdSSR nicht mehr die einzigen Weltraummächte. Vor allem Japan, Indien, China und die ESA mischten mit. Auch der Kampf um Marktanteile beim Start kommerzieller Satelliten wurde
härter. Die 1975 gegründete ESA präsentierte ihr "Arbeitspferd", die Rakete Ariane-1. Sie zeigte außerdem eine Nachbildung der Sonde Giotto, die knapp vier Jahre später am Kern des Kometen Halley
vorbeischoß, und ein Funktionsmodell des Spacelab, das ab 1983 mehrmals in der Ladebucht des Shuttles flog; das österreichische Spezialfenster des Weltraumlabors war im Original zu sehen.
Die UNO und das All
Gleich nach dem Start des Sputnik erkannten UNO-Mitgliedsstaaten das gewaltige Potential der Raumfahrt. Allerdings bestand Sorge, der erdnahe Weltraum könne primär zum Schauplatz des
Rüstungswettlaufs werden. Und es gab Befürchtungen, daß die Früchte des neuen Zeitalters wieder nur den technologisch führenden Nationen zugute kommen würden. Vor diesem Hintergrund sind die
einschlägigen Aktivitäten der UN zu verstehen. Schon am 12. Dezember 1959 betonte die Generalversammlung das gemeinsame Interesse der Menschheit an der friedlichen Nutzung des Weltraums. Ein
spezielles Komitee, COPUOS, wurde ins Leben gerufen. Ist innerhalb des COPUOS Konsens hergestellt, unterbreitet es der UN-Generalversammlung Vorschläge. Österreich war von Anfang an Mitglied des
Komitees. Als Sekretariat fungiert das "Office for Outer Space Affairs"
(OOSA) in Wien.
Die von der UNO für 1960/61 geplante internationale Konferenz über die Erforschung und Nutzung des Weltalls trat erst 1968 unter dem Titel "UNISPACE I" zusammen. Eines ihrer Ergebnisse war die
Gründung eines Programms namens "SAP", das zunächst Ausbildungsseminare für Interessenten aus Entwicklungsländern organisierte. Seit der UNISPACE II soll es sich auch um die raschere Umsetzung von
Erkenntnissen der Raumfahrt in der Dritten Welt kümmern · etwa auf den Gebieten Meteorologie, Rohstofferkundung, Landwirtschaft, Umweltschutz, Telekommunikation oder Computertechnologie. Auch für
dieses Programm zeichnet OOSA verantwortlich.
Mittlerweile bemühen sich fünf Abkommen, das Rechtsvakuum des Alls mit verbindlichen Regeln zu füllen. 1967 beschloß die UN-Generalversammlung das "Principles Treaty", das etwaige Gebietsansprüche im
Weltraum unterband. Die Stationierung von Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen im All wurde verboten. Seit 1972 haften Weltraummächte außerdem für Schäden, die ihre Maschinen im Orbit und
auf Erden anrichten. Der Absturz des sowjetischen Kosmos 954, dessen Atomreaktor 1978 Teile Nordwestkanadas verseuchte, führte 14 Jahre später zur Festlegung von Kriterien, die beim Einsatz von
Kernenergie im All beachtet werden müssen.
Außerdem existiert Informationspflicht über Zweck und aktuelle Bahnen gestarteter Satelliten. Zunächst betraf dies nur UdSSR und USA; mittlerweile melden 16 Nationen und die ESA ihre Daten dem UN-
Generalsekretär. Laut dem Raumfahrtspezialisten Jonathan McDowell sind Mexiko und Brasilien dabei allerdings in grobem Rückstand.
1999 · Vision Alpha
Auf der Tagesordnung der UNISPACE III · der ersten seit Ende des kalten Kriegs · stehen ab 19. Juli unter anderem die Themen "Weltraumrecht", "Schutz vor Weltraumschrott", "Raumfahrtprogramme von
Entwicklungsländern", "Wetterüberwachung", "globale Klimaveränderung", "Navigation", "Telemedizin" und "Marsforschung". Wieder zieht eine Begleitausstellung Bilanz. Die Russen konzentrieren sich
dabei wohl auf ihr seit 13 Jahren um die Erde kreisendes Flaggschiff, die Raumstation MIR, rücken die Schwerlastrakete Proton sowie die Kapsel Sojus · das von der Grundkonzeption her dienstälteste
aller bemannten Raumfahrzeuge · ins Rampenlicht. Proton, Sojus und US-Shuttle werden auch zum Bau der Internationalen Raumstation Alpha benötigt, an der sich 16 Staaten beteiligt haben. Zwei ihrer
Module schweben bereits im Orbit. Das gigantische Projekt steht im Zentrum vieler Präsentationen, mit denen nationale Agenturen und große Raumfahrtkonzerne auf sich aufmerksam machen. Wichtiger
europäischer Beitrag zur Alpha ist das Raumlabor Columbus.
Erinnern wird man aber auch an SOHO, das so erfolgreiche, fliegende Sonnenobservatorium der ESA, an die NASA-Sonde Galileo, die gerade faszinierende Nahaufnahmen der Jupitermonde liefert, oder an die
Doppelsonde Cassini-Huygens, die NASA und ESA auf den Weg zu Saturn geschickt haben. Rußland unterhält seit Absturz der Sonde Mars-96, deren Plutoniumbehälter wahrscheinlich irgendwo in den Anden
liegen, keine Planetensonde.
Die Schau in der Ausstellungshalle des Austria Centers in Wien-Donaustadt wird am 18. Juli 1999 eröffnet. An diesem Sonntag ist sie von 11 bis 18 Uhr zugänglich. Montag und Dienstag sind
Konferenzteilnehmern vorbehalten. Die Öffentlichkeit findet wieder am Mittwoch, den 21. Juli (11 bis 20 Uhr), am Donnerstag, 22. Juli (9 bis 18 Uhr) und am Freitag, 23. Juli (9 bis 12 Uhr) Zutritt.
Besucher werden mit den großen Weltraumutopien des nächsten Jahrhunderts konfrontiert: neben dem Betrieb der Raumstation Alpha zählt dazu vor allem die Eroberung des Mars. Die Exponate lassen uns
damit auch in die Zukunft schauen. Was heute im Modell zu sehen ist, fliegt morgen ins All. Und wer weiß · vielleicht berühren wir bei der nächsten oder übernächsten UNISPACE bereits ein Stück
Marsgestein.
Erschienen am: 16.07.1999
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