Leibniz-Vorlesungen 2003Professor Adolf Grünbaum |
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Philosophical Critiques Of Theistic Cosmology and of PsychoanalysisVeranstaltungsort: Leibniz-Haus
, Holzmarkt 5, D-30159 Hannover. – Eintritt frei
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Die diesjährigen Leibniz-Vorlesungen hält Adolf Grünbaum, Andrew Mellon Professor für Wissenschaftsphilosophie, Forschungsprofessor für Psychiatrie und Vorsitzender des Zentrums für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Pittsburgh. Grünbaum wurde 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Köln geboren. 1938 flüchtete er in die USA. Er studierte Mathematik, Physik und Philosophie an der Wesleyan University und an der Yale University in Connecticut. Er ist Fellow of the American Academy of Arts & Sciences, Mitglied der Académie Internationale de Philosophie des Sciences, Fellow of the American Association for the Advancement of Science, und Laureate of the International Academy of Humanism. Im Jahre 1985 hielt er die Gifford Lectures in St. Andrews und die Werner Heisenberg Vorlesung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Neben vielen anderen Auszeichnungen ist Adolf Grünbaum Ehrendoktor der Universität Konstanz. Ausgewählte Bücher von Adolf Grünbaum
Programm: Philosophical Critiques Of Theistic Cosmology
and of Psychoanalysis
In der anschließenden Diskussion können Fragen an Professor
Grünbaum auch auf Deutsch gestellt werden.
Kritik des Theismus und der Psychoanalyse: Adolf Grünbaum erinnert sich, dass er als kleiner Junge in Köln von anderen deutschen Kindern an-gegriffen wurde, weil die Juden angeblich »unseren Heiland getötet« haben sollen. Die Art und Weise, wie Grünbaum heute die mehrfache Absurdität dieses Vorwurfs gegen die Juden – auch oder gerade aus der Sicht des christlichen Glaubens – dartun kann, ist exemplarisch für seinen scharfen analytischen Geist. Dieser Geist hat ihn zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Wissenschaftsphi-losophen des 20 Jahrhunderts gemacht. Grünbaum ist der Meinung, dass der Antisemitismus mit ein Grund dafür ist, warum der relative Anteil von Denkern, die revolutionäre wissenschaftliche Ideen erzeugt haben, bei jüdischen Intellektuellen immer besonders groß gewesen ist. Wer auf starke Ablehnung stößt, neigt eher dazu, die herrschen-den Lehrmeinungen in Frage zu stellen. Grünbaum hat sich mit zwei der bedeutendsten jüdischen Intellektuellen besonders intensiv beschäftigt: Albert Einstein und Sigmund Freud. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ist der Gegenstand von Grünbaums erstem größeren Werk, einer philosophischen Analyse der Einsteinschen Theorie und der ihr zu Grunde liegenden Begriffe von Raum und Zeit. Die Relativitätstheorie galt in der Wissenschaftsphilosophie immer als ein leuchtendes Beispiel einer Theorie, die auch der schärfsten erkenntnistheoretischen Kritik standhält. Dagegen war die The-orie, die der Freudschen Psychoanalyse zu Grunde liegt, stets ein beliebtes Ziel für wissenschaftsphilosophische Kritik (z.B. auch bei Karl Popper). Grünbaum stellt die grundlegendsten Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen in Frage, auf denen Freuds Gedankengebäude beruht: die Theorie der Psychopathologie, die Traumtheorie, die Theorie der Freudschen Versprecher und die Übertragungstheorie. Ein solcher Angriff unterminiert Freuds Methode des freien Assoziierens als ursächliches Diagnoseverfahren für klinische Untersu-chungen. Ein weiterer Kritikpunkt Grünbaums besagt, dass die typischen Schlussverfahren der Psychoanalyse, bei denen aus bloßen thematischen Verknüpfungen auf Ursachen geschlossen wird, fehlerhaft sind. Außerdem bleiben entgegen Freuds Theorie sehr schmerzhafte Erinnerungen häufig besonders gut in der Erinnerung haften – manchmal auch auf obsessive Weise – und werden nicht unterdrückt oder vergessen. In neuerer Zeit hat sich Grünbaum eingehend mit modernen theistischen Kosmologien beschäftigt. Solche Kosmologien versuchen zu zeigen, dass die moderne Physik mit der Existenz Gottes nicht nur vereinbar ist, sondern diese beweist. Z.B. wird von manchen Theisten argumentiert, die moderne Physik (in Gestalt der Urknall-Kosmologie) könne nicht erklären, warum – mit Leibniz gesprochen – »es eher Etwas als Nichts gibt«. Deshalb werde das Postulat der Existenz Gottes als Schöpfer alles Seienden unumgänglich. Grünbaum unterminiert diesen Ansatz, indem er eine Voraussetzung dieses Arguments in Frage stellt, nämlich dass die Tatsache, dass überhaupt Etwas ist und nicht Nichts, einer Erklärung bedarf. Nur wer glaubt, dass ohne eine übergeordnete Ursache alles Seienden eigentlich Nichts sein müsste, verlangt eine Erklärung dafür, dass Etwas ist und nicht Nichts. Grünbaum zeigt im Gegenzug dazu, dass diese Überzeugung unbegründet ist. Diese Art von theistischem Argument hält also keiner kritischen Überprüfung stand. Grünbaum selbst vertritt einen säkularen Huma-nismus. Grünbaum hat die meiste Zeit seines Lebens in den USA verbracht, wo er eine beeindruckende akademische Karriere hinter sich hat. Unter anderem war er maßgeblich daran beteiligt, die Universität Pittsburgh zu einem der wichtigsten philosophischen Zentren in den USA und auch weltweit zu machen. Trotz seiner Vertreibung aus Deutschland vor 65 Jahren kehrt Grünbaum heute gerne zurück. Vor wenigen Jahren verlieh ihm die Universität Konstanz die Ehrendoktorwürde. Marcel Weber Kontakt:
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Aktualisierungsdatum:02.07.03
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