High-Tech-Steuerung für 300 Mio. Kunden
Mit der neuen U-Bahnbetriebszentrale (UBZ), die am 01.02.2004 den Betrieb
aufnahm, beginnt nun eine neue Ära der Münchner U-Bahn. Von ihr erwarten
wir uns eine noch höhere Betriebsqualität, ein noch wirkungsvolleres
Störungsmanagement, noch bessere Kundeninformation - aber auch einen noch
effizienteren Personaleinsatz im Interesse der Fahrgäste, die das bezahlen
müssen.
Die Münchner U-Bahn kann inzwischen mit eindrucksvollen Zahlen
aufwarten: Acht Linien auf einem Streckennetz von 85,8 Kilometern Länge,
90 U-Bahnhöfe, 556 U-Bahnwagen, jährlich über 300 Millionen Fahrgäste. Und
sie fährt mit einem Pünktlichkeitswert, der seit Jahren immer über 97
Prozent liegt. Die Zuverlässigkeit dieses Systems hat viel mit dem Einsatz
modernster Steuerungstechnik zu tun.
Die Münchner U-Bahn fährt automatisch
Die Rolle der neuen UBZ ist natürlich eng verknüpft mit der eingesetzten
Zugführungs- und Sicherungstechnik. Deshalb ein paar Erläuterungen hierzu
vorweg:
Schon seit langem fährt die Münchner U-Bahn automatisch: Die
U-Bahnfahrerinnen und -fahrer starten ihr Fahrzeug per Knopfdruck, die
weitere Fahrt, Beschleunigen, Bremsen bis hin zum exakten Halt am nächsten
Bahnsteig erledigt dann die Zugsteuerung. Sie sorgt auch dafür, dass die
U-Bahnen in Hauptverkehrszeiten in kurzen Abständen von bis zu zwei
Minuten hintereinander fahren und so eine maximale Transportleistung
erbringen können. Lediglich im Störfall und in regelmäßigen Abständen zur
Erhaltung der Fahrpraxis wird auf manuellen Betrieb umgeschaltet, dann
muss das Fahrpersonal die beleuchteten Signale beachten. Aber auch im
manuellen Betrieb gilt: Wird ein Rotsignal überfahren, stoppt der Zug
sofort.
Auch die Stellwerke werden nun zentral gesteuert
Über das gesamte U-Bahnnetz verteilt sorgen 13 Stellwerke für die
Zugsicherung. Sie stellen den U-Bahnzügen die Fahrstraßen und Weichen ein
und sichern diese über Signale. Im Normalfall geschieht auch dies
vollautomatisch. Über so genannte Zuglenkrechner fordert sich jeder Zug
die für ihn richtige Fahrstraße an, stellt zugleich die Zielanzeiger an
den Bahnsteigen. Manuelle Bedienung ist auch hier nur im Störungsfall und
bei Abweichungen vom regulären Kursverlauf der Züge gefordert. Dann werden
die Stellwerker aktiv, die ansonsten das Betriebsgeschehen überwachen. Sie
waren bisher direkt in den 13 regionalen Stellwerken tätig.
Modernste Technik ermöglicht nun die Fernsteuerung von zunächst elf, im
Endzustand dann aller 13 Stellwerke (ausgenommen der Rangierbetrieb im
Betriebshof Fröttmaning) aus der neuen UBZ. Über schematische
Darstellungen und dynamische Bilder auf Farbmonitoren können die
Stellwerker in der UBZ den Status aller Elemente wie Signale, Weichen,
Gleisfreimeldekreise, Fahrsysteme etc. auf der Strecke erkennen und
bedienen. 1.760 Signale, 430 Weichen und 1.660 Fahrstraßen werden nun per
modernster Fernsteuerungstechnik zentral überwacht und gegebenenfalls
bedient. Hierdurch konnte die Zahl der insgesamt erforderlichen
Stellwerker von ca. 100 auf rund 50 reduziert werden.
Disponenten: Überwachen, koordinieren, entscheiden
Für die betriebliche Steuerung sind die Disponenten verantwortlich. Sie
überwachen die Pünktlichkeit und Anschlüsse, entscheiden im Störungsfall
über Umleitungen, geänderte Zugeinsätze etc. Sie waren bisher in der
unterirdischen Leitstelle unter dem Marienplatz tätig und sind nun in die
UBZ umgezogen. Auch für sie gibt es hier neue Arbeitsplätze, mit
modernsten Monitorwänden, aber auch - im Gegensatz zu bisher - mit
Tageslicht. Die Darstellungen auf den Monitoren liefern den Disponenten
einen Überblick über das gesamte Netz, jeden eingesetzten U-Bahnzug,
seinen jeweiligen Standort und seine aktuelle Pünktlichkeit. So können sie
bei Störungen sofort eingreifen.
Über Funk haben die Disponenten jederzeit Kontakt zu den U-Bahnfahrern und
dem Betriebspersonal. Zur Polizei, zur Feuerwehr, zur Rettungsleitstelle
und zur Deutschen Bahn AG (S-Bahn) bestehen Direktleitungen.
Ein wesentlicher Vorteil der neuen UBZ: Disponenten und Stellwerker sind
nicht mehr voneinander getrennt tätig, sondern nunmehr Schulter an
Schulter im Team. Sie unterstützen sich gegenseitig. Das U-Bahnnetz wurde
dazu in drei Bereiche unterteilt; jeder Bereich wird in der UBZ an einer
so genannten "Insel" gemeinsam von Disponenten und Stellwerkern betreut.
Das Ziel: Optimale Kommunikation im Team sorgt für minimale
Abstimmungsprozesse und damit für schnellstmögliche Reaktion bei
Unregelmäßigkeiten.
Zur Sicherheit der Fahrgäste sind in sämtlichen U-Bahnhöfen
(Bahnsteigebene und Fußgängergeschoss) Notrufeinrichtungen installiert.
Notrufe von dort kommen mit Kennung beim zuständigen Disponenten an und er
kann bei Bedarf den Notruf sofort zur Polizei und zur Feuerwehr
durchschalten. Das Gleiche gilt für Notrufe aus den Aufzügen.
Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der UBZ überwachen über
derzeit insgesamt 542 Videokameras vor Ort das Geschehen in den
U-Bahnhöfen, Sperrengeschossen und U-Bahnanlagen, tragen also wesentlich
zur Sicherheit der Fahrgäste bei. Außerdem kontrollieren sie von hier aus
die Fahrtreppen und Lifte und überwachen die Klima- sowie die Rauch- und
Feuerschutzanlagen.
Ausgebaut wurde in der neuen UBZ die Funktion Fahrgastinformation: Über
eine zentrale Beschallungsanlage können die Fahrgäste informiert werden.
Dabei können je nach Bedarf jeder Bahnhof einzeln, bestimmte
Streckenabschnitte oder die ganze Linie zugleich angesprochen werden.
Bei kurzfristigen Personalausfällen regeln die UBZ-Mitarbeiter auch die
Personaldisposition. Sollte z.B. ein Fahrer wegen Krankheit kurzfristig
ausfallen, wird von hier aus Ersatz beschafft. Schließlich werden auch der
Einsatz der U-Bahnwache, der MVG-Servicemitarbeiter sowie der
Hilfsfahrzeuge von hier aus gesteuert.
Kurz zusammengefasst sind also in der neuen UBZ folgende Aufgaben
konzentriert:
- Zugsteuerung
- Disposition
- Notrufbearbeitung
- Bahnhofsüberwachung über Video
- Anlagenüberwachung
- Fahrgastinformation
- kurzfristige Personaldisposition
- Einsatz von U-Bahnwache und Servicedienste
High-Tech-Arbeitsplätze für noch bessere Überwachung
Insgesamt 18 Arbeitsplätze, ausgestattet mit modernster
Kommunikationstechnik, sind in der neuen UBZ installiert. Dazu wurden
insgesamt 29 Kilometer Kupferkabel und knapp 23 Kilometer
Lichtwellenleiter in der Stadtwerkszentrale und im Stadtgebiet verlegt, 33
miteinander vernetzte Rechner sowie 127 hochauflösende 15- und
20-Zoll-Flachbildschirme aufgestellt, die Ansteuerung von zwölf
Notrufzentralen mit über 600 Notrufsprechstellen im U-Bahnnetz umgesetzt
und eine moderne, softwaregesteuerte Funkvermittlung installiert, die über
165 Funkstationen in der U-Bahn ansteuert.
Neueste technische Errungenschaft und Herz der Kommunikationstechnik ist
das neue VIP-Net (Video-, Informations- und Prozessnetz), das im gesamten
U-Bahnnetz mit über 100 Netzknoten und über 5.000 Anschlussmöglichkeiten
aufgebaut wurde und eine schnellere und optimierte Informationsübertragung
für Anlagen wie Fahrtreppen, Aufzüge, Zugzielanzeiger,
Fahrkartenautomaten, Videoüberwachung etc. ermöglicht. Vor allem im
Verbund mit dem Videoüberwachungssystem bietet das neue VIP-Net
entscheidende Vorteile, indem es z.B. ermöglicht, dass die UBZ-Mitarbeiter
sekundenschnell auf jede beliebige Überwachungskamera im Netz zugreifen
können.
Management im Störungsfall
Ein weiterer Vorteil der neuen UBZ ist ihre räumliche Nachbarschaft zur
bisher getrennten Leitstelle Bus und Tram. Im Störungsfall sollen alle
Betriebszweige noch besser koordiniert werden, um ein Gesamtoptimum für
die Kunden herzustellen und auch betriebszweigübergreifend bestmöglich zu
informieren. Deshalb wird in der neuen UBZ ein spezielles
Störungsmanagement eingerichtet, das auch alle drei MVG-Betriebszweige
U-Bahn, Bus und Tram umfasst. Der Störungsmanager soll künftig den
gesamten Fahrzeugeinsatz koordinieren und für eine "runde"
Fahrgastinformation sorgen. Bei Bedarf richtet er einen
Schienenersatzverkehr ein und informiert Polizei, Feuerwehr,
Rettungsleitstelle, U-Bahnwache und den eigenen Servicedienst. Zu seinen
Aufgaben gehört es aber auch, Störungen zu analysieren, um daraus
Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten.
Eine kontinuierliche Verbesserung der Fahrgastinformation gehört zu den
Arbeitsschwerpunkten der MVG. Deshalb ist geplant, die dynamische
Fahrgastinformation nun auch im U-Bahnbereich auszubauen. Im Zuge der
anstehenden Erneuerung der bisherigen Zugzielanzeiger wird auf eine neue
Anzeigentechnologie umgestellt: Flachbildschirme können künftig neben der
Anzeige der Zugziele auch alle anderen Textinformationen übermitteln.
Damit wird es möglich, aus der UBZ auch vorprogrammierte oder ggf. auch
frei formulierte Informationstexte in die Bildschirme vor Ort
einzuspielen.
15 Mio. EUR Investition, vom Freistaat gefördert
Die Planungen für die neue UBZ begannen vor fast 10 Jahren. 1997 wurde der
Antrag auf Förderung des Projektes gestellt. Die Maßnahme mit Gesamtkosten
in Höhe von 15 Millionen EUR konnte wegen der damit verbundenen
Verbesserungen für die Kunden vom Freistaat Bayern bezuschusst werden.
24 Stunden in Betrieb
Am Sonntag, den 1. Februar 2004, um 11.20 Uhr hat die neue UBZ alle ihre
Funktionen übernommen. Sie ist nunmehr rund um die Uhr tätig, denn auch in
der so genannten Betriebsruhe tut sich im Untergrund viel: Tore müssen
geschlossen und überwacht werden, Bauzüge sind unterwegs, Leerzüge werden
in den Betriebshof überführt, Reinigungs- und Wartungsarbeiten werden
durchgeführt, Werbeflächen hinter dem Gleis neu plakatiert etc. Auch
hierfür sind umfängliche Sicherungs-, Dispositions- und
Überwachungsaufgaben erforderlich.
Mit der neuen UBZ ist die Münchner U-Bahn auch für die noch anstehenden
Netzerweiterungen und Groß-Events (wie BAUMA, BUGA, WM etc.) gut gerüstet.
Mit ihr, so ist es unser Ziel, bleibt die U-Bahn ein besonders
zuverlässiges, sicheres, leistungsfähiges und beliebtes Verkehrsmittel
Münchens.
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