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LOFAR: Wellensurfen Richtung Urknall
Der neue Blick ins AllJe tiefer die Astronomen ins Weltalls blicken, desto weiter zurück blicken sie auch in die Vergangenheit, da das Licht der fernen Galaxien Jahrmillionen hinter sich hat. Mit den besten optischen Teleskope kommen sie dem Urknall schon recht nah. Neuartige Radioteleskope lassen künftig noch weiter blicken.
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Einblicke in Raum und ZeitBilder ferner Galaxien geben tiefe Einblicke in Raum und Zeit. Jüngste Aufnahmen zeigen Objekte, deren Informationen mehr als 13 Milliarden Jahre alt sind. Und somit schon recht nahe an den „Urknall“ heranreichen, den Zeitpunkt der Entstehung unseres Universums.
Dass es solche Bilder überhaupt gibt, verdanken wir den großen Fortschritten, die die Astronomie in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat. Dazu zählen vor allem die Entwicklung des Weltraumteleskops Hubble (Nasa/Esa) sowie die stetige Leistungsoptimierung der astronomischen Teleskope der Europäischen Südsternwarte (eso) auf dem Paranal in Chile. Doch die Astronomen stoßen nunmehr an eine Grenze. Mit optischen Geräten können sie kaum tiefer ins All und damit weiter zurück in die Zeit blicken, was physikalische Gründe hat. Nach Meinung einiger Experten vermag allein die Radioastronomie, eine letzte Grenze zu überschreiten und sich dem Ereignis des Urknalls anzunähern.
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Faszination MondlandungIm Juli 1969 erfüllt sich ein uralter Menschheitstraum: Astronauten der “Apollo 11”-Mission betreten den Mond. Die Mondlandung wird auch im Deutschen Fernsehen live übertragen. Heino Falcke sieht sie als kleiner Junge. Dieses Ereignis wird so etwas wie eine Initialzündung für ihn. Von da ab beschäftigen ihn die großen Fragestellungen der Menschheit: Was kommt denn hinter dem Mond, hinter der Sonne, hinter den Sternen? Heino Falcke studiert Astronomie und wird ein angesehener Weltraum-Forscher.
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Heino Falcke will’s sehenAuch er ist begeistert von Motiven wie dem Pferdekopfnebel, dem am häufigsten fotografierten Motiv außerhalb unseres Sonnensystems. Oder von Bildern, die die Geburtsstube junger Sterne zeigen – riesige interstellare Gaswolken. Und er weiß, dass die Astronomie derzeit ihr “Goldenes Zeitalter” durchlebt: „Die Beobachtungstechnik hat sich so dramatisch entwickelt in den letzten zwanzig, dreißig Jahren, dass sich unser Weltbild, unser Bild des Universums laufend ändert”, erklärt Heino Falcke. “Gerade in den letzten zehn Jahren. Zwar hat sich unser Weltbild nicht gerade auf den Kopf gestellt, aber wir haben ganz neue Einblicke darin bekommen, wie das Universum aufgebaut ist, wo wir leben, was uns umgibt, und wir können Dinge sehen, die wir vorher nie gesehen haben.“
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Der Vorstoß zum UrknallErst kürzlich gelang dem Weltraumteleskop „Hubble“ ein Rekord. Es schoss eine Aufnahme junger Galaxien in einer Entfernung von mehr als 13 Milliarden Lichtjahren – am Rand des Universums, nahe am Urknall. Doch Heino Falcke fragt sich noch immer: Was kommt dahinter? In dem Zeitraum zwischen 13 und 14 Milliarden Jahren? Weil das All kurz nach dem Urknall vor allem mit dunklem Gas angefüllt war, sind optische Teleskope für diesen Zeitabschnitt quasi blind.
Um dunkle Gaswolken dennoch zu erfassen, benutzen Astronomen riesige Radioteleskope, Anlagen wie die in Effelsberg oder solche, wie sie im niederländischen Westerbork stehen: vierzehn Teleskope mit einem Durchmesser von je fünfundzwanzig Metern. Sie „blicken“ nicht in den Weltraum, sondern „horchen“ auf Mikrowellen-Frequenzen nach Signalen, die jedes Objekt im All aussendet.
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Mega-TeleskopSolch ein Mega-Teleskop lässt sich mit einem riesigen Radio vergleichen, das insgesamt aus 20.000 Einzelantennen besteht und Signale aus dem All im Kurzwellen- und UKW-Bereich empfängt. Das wesentliche Neue an der Idee aber ist: alle Antennensignale werden digitalisiert und laufen über Glasfaserkabel in einem Supercomputer zusammen.
Der erhoffte Vorteil dieses Verfahrens: Es müsste keine tonnenschwere Antenne aus Stahl mehr geschwenkt werden, die langsam und anfällig ist. Stattdessen empfingen zunächst die 20.000 Einzelantennen die Signale aus allen Himmelsrichtungen. Erst im Computer würde daraus eine Art Software-Radioteleskop mit Richtwirkung, das auf alle Punkte des Himmels ausgerichtet werden könnte – rein elektronisch. In Bruchteilen von Sekunden.
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Eine revolutionäre IdeeHeino Falcke hat auf einer Wiese in der niederländischen Provinz Midden-Drenthe nahe Assen eine erste Antenneninsel schon aufgebaut – aus knapp hundert Einzel-Antennen, Verstärkern und Hochleistungscomputern – es ist weltweit das erste Radioteleskop, das nach diesem Prinzip arbeitet. Absolutes Neuland für die Astronomie, sagt Heino Falcke. “Wir empfangen in einem Frequenzbereich, in dem wir vorher keine vernünftigen Radioantennen gehabt haben. Wir entdecken also Phänomene, die wir wahrscheinlich noch nicht kennen. Wir haben ein Teleskop, das um den Faktor 100 empfindlicher ist, um Faktor 100 schärfer ist als das, was wir vorher an Radioteleskopen hatten. Und wir haben diese Flexibilität, hinzuschauen, wohin wir wollen, in Sekundenbruchteilen.“
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LOFARDie revolutionäre Radioteleskopidee heißt übrigens LOFAR (Low Frequency Array). LOFAR arbeitet in einem Frequenzbereich von 10 bis 200 Megahertz mit ungefähr 2 x 2 Meter langen Winkeldipolen in Form eines auf den Kopf gestellten “V”s – Funkamateure nennen diese Antennenform “inverted vee”-Antenne. LOFAR kann in mehrere Richtungen gleichzeitig schauen und ist auf der Suche nach der ersten Generation von Sternen und Schwarzen Löchern im frühen Universum direkt nach dem Urknall.
Nun liefert ein solches Radioteleskop, dessen Antennenspannungen digitalisiert und aufgezeichnet werden, zunächst keine fertigen, anschaulichen Bilder. Dennoch liegen in den Niederlanden bereits erste Daten vor, die mit der neuen Anlage empfangen wurden. Sie funktioniert also. Ab 2005 sollen weitere Antenneninseln dazukommen. Ein schnelles Datennetz wird sie miteinander verbinden.
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Signale aus dem All fischenSchwierig ist es bislang, zwischen Radiostationen und Seefunksendern, zwischen Flugfunk und militärischer Kommunikation die eigentlichen Signale aus dem All herauszufischen. Auch stört ab und zu ein nahes Gewitter den Empfang. Dennoch sind alle beteiligten Wissenschaftler zuversichtlich: Einer der ersten Radio-Blitzer war Jupiter.
Gedanklich ist Heino Falcke aber schon einen Schritt weiter mit seinen Zukunftsplänen, mit neuartigen Radioteleskopen in bisher unbekannte Regionen des Alls vorzustoßen: „Ein Gedanke ist zum Beispiel, die Rückseite des Mondes zu benutzen. Die ja völlig frei ist von menschlichen Störungen. Man kann da völlig ungestört die kosmischen Signale hören und aufzeichnen.“
Sollte sich für Heino Falcke sein Kindertraum noch erfüllen? Eine Reise zum Mond, mit Radioantennen im Gepäck? „Wenn mich jemand fragt, würde ich das natürlich gerne tun, ein paar Antennen in den Boden rammen – in den Mondboden”, sagt er.
Autor: Thomas Kamp
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