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101 Jahre Otto Waffenschmied
zusammengestellt von Hans-Jürgen Precht

Der fruchtbarste und vielseitigste Zeichner und Texter von Comic-Serien und Kindergeschichten in Deutschland in den 30er Jahren, Otto Waffenschmied, ist heute zugleich der unbekannteste. In kaum einem Museum oder Archiv, das sich mit Kinder- und Jugendliteratur befaßt, ist er dem Namen nach bekannt. Meines Wissens verfügt lediglich die Landesbibliothek Oldenburg über einige Jahrgänge (8. - 12.) seines von 1929 - 1941 in außerordentlicher Verbreitung erschienenen Kinder- Magazins DIDELDUM. Nur ein kleiner Kreis von Sammlern bewahrt liebevoll seine bekanntesten Arbeiten und Publikationen und ergänzt sie, zu stattlichen Preisen, aus gelegentlichen antiquarischen Angeboten. So ist es auch nicht erstaunlich, daß jede Bibliografie über Waffenschmieds Werk zur Zeit noch unvollständig bleibt und daß über sein Leben - bis auf einige Äußerlichkeiten - so gut wie nichts bekannt ist. Keiner der mir bekannten Sammler besitzt ein Foto von ihm.

Wie die um ein Jahr ältere Künstlerin Ida Bohatta, deren Leben und Werk reich dokumentiert ist, wurde auch er (im gleichen Jahr übrigens wie Walt Disney) 1901in Wien geboren. Es gibt einige Parallelen in beider Werk. Die Welt der Elfen, Wichtel, Wurzelmännchen und der beseelten Tiere haben beide, nach dem Vorbild von Ernst Kreidolf und Sybille von Olfers, in unendlich vielen Bildern dargestellt. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten.

Vermutlich hat Otto Waffenschmied eine Kunstgewerbeschule besucht. Gelegentlich stößt man in seinen Versen und Prosatexten auch auf Reminiszenzen klassischer Gymnasialbildung - Anspielungen, die seine kindliche Leserschaft kaum erkannt haben dürfte und die heutzutage jeder Verleger seinem Autor herausstreichen würde. Dazu ein souveräner Umgang mit der deutschen Sprache, ihrer Grammatik und ihrem großen Wortschatz, ohne Rücksicht darauf, ob das wohl auch kindgerecht sei.

Ab Herbst 1929 (O.W. war damals 28 Jahre alt) bis Mai 1941 erscheint sein Kindermagazin DIDELDUM, bis Ende Juli 1933 im Belog-Verlag, Hamburg, danach bei Gerhard Stalling in Oldenburg. Gedruckt wurde das Magazin anfangs bei Chr. Donath, Hamburg, aber schon ab 1931 bei Stalling. Waffenschmieds Geschäftslokal befand sich, wie im DIDELDUM-Impressum angegeben, in der Büschstraße 7.

Die DIDELDUM-Hefte haben bis 11/39 16 Seiten und erschienen 14-tägig.
Standardserien, die sich bis zur kriegsbedingten Einstellung des Magazins durchziehen, sind die Geschichten von Muck und Puck und Adelheid (in verschiedenen Varianten; anfangs hieß die Serie Onkel Klaus und seine Neffen) und Max und Miki, die Weltbummler (in den ersten Heften noch: Max und Miki werden Weltmeister). Beide Bilderserien waren mit Vierzeilern untertextet. Dazu kamen verschiedene Puppengeschichten, da die Zeitschrift gleicherweise für Mädchen und für Jungen konzipiert war, und ab 1936 eine große fortlaufende Kasper-Geschichte. Auf der letzten Seite berichtete oder flunkerte Käppen Bidebux von seinen Abenteuern zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Otto Waffenschmied hat es verstanden, um seine Zeitschrift eine aktive Leser-Gemeinde aufzubauen. Er hat sich selbst als Onkel Dideldum stilisiert, der sich mit Editorials an seine kleinen Leserinnen und Leser wendet und sich auf der Titelseite als Spaßmacher mit Lachgesicht, großer Nase, vorstehendem Kinn und einer großen Landsknechtstrommel darstellt, mit drei weißen Haartollen auf der Glatze und einer roten Eule auf der Schulter. Die drei Tollen erinnern an die schellenbestückten Zipfel einer Narrenkappe, und der Vergleich mit Eulenspiegel ist naheliegend.
Von Beginn an druckte er unermüdlich Antworten auf Leserpost ab und vermittelte Tauschangebote und Briefwechselwünsche und brachte auch eine Zeitlang regelmäßig Fotos seiner kleinen Leserinnen und Leser.
In der letzten erschienenen Nummer (Mai 1941) verkündet er, daß er nun zum Militär eingezogen sei, um mitzuhelfen, "... daß bald Frieden wird, damit unser DIDELDUM wieder erscheinen und Euch Freude machen kann".

Die Zeitschrift konnte beim Verlag abonniert und über den Buch- und Zeitschriftenhandel bezogen werden, wurde aber zum überwiegenden Teil von Textil- und Warenhausketten, Ausstattungshäusern, Bekleidungs- und auch Schuhgeschäften als Zugabe vertrieben.
Größter und wirtschaftlich bedeutendster Distributor war zweifellos die Firma Karstadt,

Ab Heft12/1939 hat das Magazin nur noch 12 Seiten, und einige der vormals bunten Serien erscheinen teilweise nur noch in schwarz-weiß.
Ab 18/1939, also kurz nach Beginn des 2. Weltkriegs, wurde die Seitenzahl nochmals auf 8 verringert, und unter den Bildern stehen nur noch 2-Zeiler. Auch die Bildgröße wird reduziert, um auf dem geringeren Raum dennoch nach Möglichkeit alle laufenden Serien weiterführen zu können.

Otto Waffenschmied hat zeitgleich auch exklusiv für Karstadt Bilderserien gestaltet, die in dem ab Oktober 1928 14-tägig erscheinenden Karstadt- (und auch Althoff-)Magazin für Mode, Heim und Welt (später als Karstadt-Familien-Magazin geführt) als Kinderseite abgedruckt waren.
Anfang März 1935 hat O.W. seinen Firmensitz nach Berlin verlegt, vielleicht, um wieder näher an seinem bedeutendsten Kunden zu sein, denn Karstadt war im Januar 1932 mit der Hauptverwaltung und dem Zentraleinkauf nach Berlin umgezogen.

Aber Otto Waffenschmieds Wirken erschöpfte sich nicht darin, alle 14 Tage ein 16 Seiten starkes Kindermagazin mit mehreren Bild- und Textgeschichten zu produzieren und für die Kinderseite des Karstadt-Magazins die Bilderserien zu zeichnen und zu texten.
Er hat eine Zeitlang auch noch für das Hamburger Fremdenblatt alle 14 Tage eine Jugendbeilage unter dem Titel Der Blaue Kasper gestaltet, 4 Seiten im Zeitungsformat.

Außerdem hat Otto Waffenschmied die 3 Bilderbücher Jan und Hein, die Rabenknaben (1934) -zuvor im Blauen Kasper abgedruckt - , Jan und Hein und Lieschen Gänseklein (1936) und Jan und Hein auf großer Fahrt (1937) veröffentlicht.

Er hat auch ein Weihnachtsmärchenspiel verfaßt, Klaus und Peter, die Weihnachtsflieger, das 1934 am Hamburger Schauspielhaus aufgeführt wurde.

Und dann gab es in den Jahren 1936 - 1938 noch eine Serie Dideldum B, im gleichen Format und mit gleicher Seitenzahl. Diese Bezeichnung taucht allerdings nur im Impressum auf. Neben dem Aufdruck des Distributors steht auf dem Titelblatt nur "Die lustige Kinderzeitung", dazu ein typisches O.W.- Bild, daneben rechts und links ein Figurenfries sowie die Heftnummer, allerdings ohne Jahresangabe.
Der Inhalt ist jedoch völlig anders als der des "normalen" Dideldum.
Aus welchem Grund Waffenschmied wohl eine Fassung B für nötig befunden hat, ist auch mal wieder so eine vorläufig noch unlösbare Frage.

Ob O.W. dieses enorme Arbeitspensum allein bewältigt hat? Er spricht in DIDELDUM auch gelegentlich von seiner "Mitarbeiterfamilie", was immer sich dahinter verbergen vermag. In den Heften 2/29 und 1/30 taucht eine Eva Waffenschmied als Autorin auf. Man glaubt, an den Figuren der Bildergeschichten, so typisiert sie in den späteren Jahren auch sind, mitunter erkennen zu können, daß da vielleicht nicht nur ein einziger Zeichner am Werke war.


Wie Otto Waffenschmied es geschafft hat, seine viel gelesenen Publikationen fast gänzlich frei zu halten von offener oder verdeckter NS-Propaganda und Ideologie, jegliche rassistischen oder nationalistischen Töne zu vermeiden und keine Nationalität irgendwie zu diffamieren oder herabzusetzen, ist schon erstaunlich. Aktuelles Zeitgeschehen dokumentiert sich lediglich im Technischen, wo er vieles vorausnimmt, was erst Jahrzehnte später reales Geschehen wurde. Lediglich den Olympischen Spielen widmet er 1936 in einigen Heften jeweils zwei Seiten, und in 1/1934 spricht er davon, daß "unser Führer und Volkskanzler Adolf Hitler mit dem Bau des Riesenstadions beginnt".

Die Post an seine Leserbriefschreiber unterzeichnet er ab Herbst 1933 häufig mit "Heil Hitler". Aber er tut das nicht konsequent und nicht bei allen Briefen und in allen Heften und allen Jahrgängen. Es liest sich wie eine Pflichtübung, und vielleicht benutzt er diese Grußformel auch nur bei den Kindern, die ihre Briefe ebenso unterzeichnen. Ein weiterer Tribut an die Nazis, allerdings im Rahmen des damals allgemein Üblichen und weil es die Kinder ja auch in der Schule so lernten, war ab 1934 die Umstellung von der Antiqua-Schrift auf Fraktur, im Titel DIDELDUM (mit der Unterzeile Die lustige Kinderzeitschrift in Sütterlin) und, bis auf wenige Ausnahmen, in allen Texten.

Erstaunlich auch, daß er sich über 12 Jahre lang in seinen vielen Bildgeschichten nur ganz selten wiederholt. Sein Einfallsreichtum ist außerordentlich, auch wenn er in vielen Serien seine Lieblingsmotive hat, die er immer wieder variiert. Maskierte Banden gehören dazu, die mal "Die Drachen", mal "Die Zipfelbande", mal "Der Rote Kreis" heißen.
Nirgendwo wird ein Loblied auf deutschen Erfindergeist oder deutsches Heldentum gesungen.

1950 hat O.W. noch einmal versucht, mit einer neuen Folge von DIDELDUM (14.Jahrgang), erschienen im Oldenburger Verlagshaus, (einem Nachfolgeunternehmen von Stalling) an seinen Erfolg in den 30er Jahren anzuknüpfen, aber offenbar mit negativem Ergebnis. Die Zeiten hatten sich geändert: Micki Maus, Donald Duck, Supermann und seine Kollegen und Fix und Foxi beherrschten den Markt.
1971 ist Otto Waffenschmied in Hamburg gestorben.

Für Informationen danke ich dem Hamburger Staatsarchiv, der Fa. Karstadt/Essen und meinen DIDELDUM- Freunden.
Die meisten der hier aufgeführten Fakten über O.Waffenschmied kann man auch in dem sehr informativen, aber leider vergriffenen Buch von Andreas C. Knigge: Fortsetzung folgt; Comic Kultur in Deutschland, Ffm./Berlin 1986 nachlesen.

Hans-Jürgen Precht, Solingen, e-mail: freiwald@wtal.de