Von Friedrich Weissensteiner
"Eine gewisse intellektuelle Verspieltheit ist mir durchaus
Eigen. Ich gestehe: ich habe eine Tendenz, keinen Scherz auszulassen, auch wenn
es einen anderen kränkt." Diese selbstkritische Äußerung machte
Erhard Busek in einem Interview zu seinem 60. Geburtstag im März 2001. Es
war die Antwort auf die Feststellung des Fragestellers, dass Busek offenbar ein
Homo ludens sei, sonst hätte er nicht am Abend der EU-Abstimmung (12. Juni
1994) im Überschwang der Gefühle im SPÖ-Zelt die
"Internationale" mitgesungen. Noch heute rümpft man in gewissen
ÖVP-Kreisen die Nase über diese "Entgleisung". Busek nimmt es
höchstwahrscheinlich nicht tragisch. Warum auch? Es war nur ein
Spaß, und ein Sozialdemokrat ist er wirklich nicht.
In der Mitte
des Jahres 1994 war Erhard Busek Bundesparteiobmann der ÖVP, Vizekanzler
und Wissenschaftsminister, und stand auf dem Höhepunkt seiner politischen
Karriere. Am 28. Juni 1991 auf einem ordentlichen Parteitag in einer
Kampfabstimmung gegen Bernhard Görg mit nur 56,4 Prozent der
Delegiertenstimmen zum Parteichef gewählt, hatte er sich länger und
besser behauptet, als wenige in seiner Partei erwartet und viele
befürchtet hatten.
Erhard Busek war keine Integrationsfigur. Er
war in der Volkspartei immer umstritten, ein Mann, an dem sich die Geister
schieden, der polarisierte. Trotzdem konnte er auf Erfolge verweisen. Er hatte
1992 für den Präsidentschaftswahlkampf eine mutige personalpolitische
Entscheidung getroffen, die sich als geglückt herausstellen sollte: Der
bis dahin in der Öffentlichkeit kaum bekannte Diplomat Thomas Klestil
besiegte den hochfavorisierten SPÖ-Kandidaten Rudolf Streicher. Und die
eingangs erwähnte Volksabstimmung, bei der sich die Wähler mit
Zweidrittelmehrheit für den Beitritt zur EU aussprachen, war für den
österreichischen Patrioten und überzeugten Europäer Erhard Busek
zweifellos auch persönlich ein Riesenerfolg.
"Ohne Wenn und
Aber"
Bei der Nationalratswahl am 9. Oktober 1994 büßte
die ÖVP abermals Stimmen und Mandate ein. Sie sackte von 32,1 auf 27,7
Prozent ab und zog nur noch mit 52 Abgeordneten (minus acht gegenüber
1990) in den Nationalrat ein. Busek, der sich im Wahlkampf "ohne Wenn und Aber"
für eine Große Koalition ausgesprochen hatte, kam mit den
Sozialdemokraten innerhalb kurzer Zeit zu einer Einigung. Bereits Ende November
wurde die neue Regierung Vranitzky-Busek angelobt. Eine Koalition mit der
FPÖ kam für ihn nicht in Frage. "Mit Haider ist kein Staat zu
machen", konstatierte er nüchtern. In den Führungsgremien der
ÖVP begann nach einer winterlichen Waffenruhe das bekannte
Obmannablösespiel. Der Intellektuelle Erhard Busek, der
"Pointenschleuderer", der "Hans Dampf in allen Gassen", der "Bildungsprotz",
der "zu g'scheit für die Politik ist", müsse weg, forderten lautstark
seine Gegner.
Hinter den Kulissen wurde munter intrigiert, vor den
Augen der Öffentlichkeit rollte ein unrühmliches Schaustück ab.
Das Opfer wehrte sich, gab nicht kampflos auf. Der "liberale" Busek wollte
keinem hartgesottenen Konservativen Platz machen. In der Nachfolgediskussion,
bei der sogar der politisch völlig unbekannte Linzer
Universitätsprofessor Johannes Hengstschläger ins Spiel gebracht
wurde, drohte er damit, selbst nochmals zu kandidieren. Schließlich
einigte sich das 15-köpfige Wahlkomitee auf Wolfgang Schüssel als
Kandidaten. Schüssel, seit 1989 Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten, wurde am 22. April 1995 auf dem 30. ordentlichen Parteitag mit
der enormen Mehrheit von 95,5 Prozent der Stimmen zum neuen ÖVP-Obmann
gewählt.
Erhard Busek legte bald danach auch sein
Nationalratsmandat zurück. Er fühlte sich als einfacher
Parlamentarier nicht ausgelastet und verabschiedete sich von der Tagespolitik.
"Ich bin mir zu schade, nur einen Sitz zu belegen und Kommentare abzugeben, wie
in der Muppet-Show", lautete sein sarkastischer Kommentar. Er trat nicht in die
zweite Reihe zurück, er wurde in die dritte abgeschoben. Der
hochintelligente Vollblutpolitiker Busek ist nun als EU-Sonderbeauftragter
für Ost-und Südosteuropa viel unterwegs, hält Vorträge,
bezieht gelegentlich Stellung zu aktuellen politischen Fragen und nimmt an
wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen teil und ist Präsident
des Forum Alpbach. Erhard Busek ist von der völkerverbindenden Kraft der
Kultur überzeugt, die gemeinsamen geistigen Wurzeln Europas hält er
neben der Wirtschaft für eines der tragenden Fundamente des
europäischen Einigungsprozesses. Busek ist ein unermüdlich
tätiger, geistig rastloser Mensch, der stets nach neuen Ufern Ausschau
hält. Für seine breit gefächerten Interessen und Hobbys, dem
Lesen hochwertiger Literatur und dem Hören klassischer Musik, wird ihm
jetzt aber vielleicht doch mehr Muße bleiben als in seinem aufreibenden,
zeitaufwändigen Politikerleben.
Sohn eines Baumeisters
Erhard Busek wurde am 25. März 1941 in Wien-Alsergrund als Sohn
eines Ingenieurs und Baumeisters geboren. Das Einzelkind wuchs in wohl
geordneten Verhältnissen auf. Der Vater, Mitbegründer der
evangelischen Jugend in Wien, besuchte jeden Sonntag mit seiner Familie den
katholischen Gottesdienst und bewegte den Sohn dazu, Ministrant zu werden und
der Katholischen Jungschar beizutreten. Der Grundstein für die
Weltanschauung seines Sohnes war damit gelegt. Erhard Busek besuchte nach der
Volksschule zunächst das Realgymnasium, trat aber in die 5. Klasse des
Döblinger Gymnasiums über, an dem er, humanistisch wohl ausgebildet,
1959 mit Auszeichnung maturierte. Anschließend inskribierte er an der
Universität Wien Rechtswissenschaften. 1963 wurde er zum Dr. jur.
promoviert. Noch während des Gerichtsjahres wechselte er in die Politik.
ÖVP-Generalsekretär
Der Jungakademiker begann
seine politische Karriere als Zweiter Klubsekretär der ÖVP (1964-68)
und war dann in führender Position im Österreichischen
Wirtschaftsbund tätig. Mit seiner Wahl zum Nationalrat und seiner
Bestellung zum Generalsekretär der ÖVP brach 1975 die Intensivphase
seiner politischen Laufbahn an. In den nächsten zwei Jahrzehnten setzte
Erhard Busek in der Wiener Kommunalpolitik entscheidende Impulse und versuchte
als Kultursprecher der ÖVP, als Vizekanzler und Bundesminister für
Wissenschaft und Forschung das Kultur- und Geistesleben des Landes durch neue,
ungewöhnliche Ideen zu beleben. Im Herbst 1976 wurde der politische
Jungstar zum Landesparteiobmann der Wiener ÖVP gewählt.
Sogleich forderte der blitzgescheite, phantasiebegabte, eloquente
"bunte Vogel" eine "andere Art von Politik" und propagierte ein neues
Stadtverständnis. Anstelle des ÖVP-Wahlslogans von 1973 "Diese Stadt
ist krank", operierte er mit der Botschaft "Die Stadt ist gesund, liebenswert,
lebenswert" und anderen Parolen, die er den Bürgern auf
Plakatständern nahe zu bringen versuchte. Gemeinsam mit dem
visionären Schriftsteller Jörg Mauthe und anderen Gleichgesinnten
sprach er neue Themen an: "Grün", Umwelt, Verkehr, Müll, Schadstoffe,
Grätzel- und Beislkultur, Stadterneuerung statt Stadterweiterung, aktive
Teilnahme der Bürger an den Entscheidungen, die sie unmittelbar betrafen,
etc.
Wien wurde weltoffener
Ein Feuerwerk an Ideen
prasselte auf das Rathaus nieder und trieb den regierenden Sozialisten, die die
Stadt zwar gut verwalteten, denen es aber an durchschlagender Gestaltungskraft
mangelte, den Schweiß auf die Stirn. Schon Bürgermeister Leopold
Gratz, vor allem aber sein Nachfolger Helmut Zilk und dessen Finanzstadtrat
Hans Mayr griffen zahlreiche Ideen und Pläne Buseks auf und setzten sie in
die Tat um. Wien wurde weltoffener, moderner, bunter. Erhard Buseks
kommunalpolitische Arbeit trug parteipolitische Früchte. 1978 errang die
Wiener ÖVP 33,8 Prozent der Stimmen und stellte mit ihrem Obmann wieder
einen Vizebürgermeister, 1983 errang die Partei 37 von 100 Mandaten. Ab
diesem Zeitpunkt ging es aber wieder (rapid) bergab.
Von der
Mitverantwortung an der Talfahrt der Stadt-ÖVP kann man Erhard Busek nicht
freisprechen. Denn er hatte es verabsäumt, beziehungsweise nicht
geschafft, die Landespartei zu reformieren, ihre verkrusteten Strukturen
aufzubrechen, den Apparat zu erneuern. Viele Funktionäre konnten oder
wollten den progressiven Kurs des Obmanns nicht mitmachen. Sie verstanden
Erhard Buseks Visionen nicht, missbilligten seine Standpunkte, fühlten
sich übergangen, in ihrem Selbstwertgefühl verletzt. Erhard Busek
hielt wenig Kontakt zur Basis, war oft zu ungeduldig, wirkte arrogant. Als die
ÖVP 1987 bei den Gemeinderatswahlen einen Rückschlag erlitt und den
Posten des Vizebürgermeisters verlor, stellten Buseks Gegner ihn
zunächst kalt und präsentierten ihm wenig später die Rechnung.
Im Oktober 1989 wurde er auf einem Landesparteitag in der Kurhalle von Oberlaa
mit einfacher Mehrheit abgewählt. Erhard Busek fand in der Bundespolitik
ein neues Betätigungsfeld, das seinen Interessen und seinem geistigen
Format entsprach. Er übernahm die Leitung des Bundesministeriums für
Wissenschaft und Forschung.
In seiner Amtszeit wurde das von der
SP-Ressortchefin Hertha Firnberg geschaffene
Universitätsorganisationsgesetz (UOG) grundlegend geändert und die
Ära der Fachhochschulen eingeleitet, neue Gesetze für die technischen
Studienrichtungen und die Veterinärmedizin verabschiedet und die Not
leidenden Bundesmuseen finanziell wesentlich besser versorgt als bisher sowie
der Grundstein zum Museumsquartier gelegt.
Brückenbauer
Mitteleuropas
Ein besonderes Anliegen war dem "Brückenbauer
Mitteleuropas" die Vertiefung der kulturellen und wissenschaftlichen
Beziehungen zu vielen der ehemals kommunistischen Ostblockstaaten (Polen,
Tschechien, Ungarn, Slowenien und Kroatien). Hierbei kamen ihm die Erfahrungen
zugute, die er bei seinen zahlreichen Besuchen in diesen Ländern in den
Jahren zwischen 1979 und 1989 gesammelt hatte. Als Unterrichtsminister konnte
Erhard Busek seine Ideen nicht verwirklichen, da er zu kurz im Amt war
(November 1994 bis Mai 1995).
Der praktizierende Katholik Busek, der
mit manchen Zuständen in der Amtskirche nur schwer zu Rande kommt und mit
Kritik an ihr nicht zurückhält, fühlt sich in seiner
Lebenshaltung grundsätzlich christlichen Grundwerten verpflichtet.
Über Erhard Buseks Privatleben ist wenig bekannt. Er ist mit einer
Mittelschulprofessorin verheiratet. Die Ehe ist kinderlos geblieben.
Erschienen am: 04.12.2004 |