Der intellektuelle Feuergeist Erhard Busek
Erhard Busek

Lebensdaten

Aufzählung Geboren am 25. März 1941 in Wien
Aufzählung 1964-1968 Zweiter Klubsekretär der ÖVP im Parlament
Aufzählung 1969 Stellvertretender Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes
Aufzählung 1972 Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes
Aufzählung 1975-1976 Generalsekretär der ÖVP
Aufzählung 1976-1978 und 1987-1989 Mitglied der Wiener Landesregierung
Aufzählung 1978-1983 Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien und Abgeordneter zum Wiener Landtag
Aufzählung 1978-1987 Vizebürgermeister und Landeshauptmann - Stellvertreter der Stadt Wien
Aufzählung 1976-1989 Landesparteiobmann der ÖVP Wien
Aufzählung 1991-1995 Bundesparteiobmann der ÖVP

Von Friedrich Weissensteiner

"Eine gewisse intellektuelle Verspieltheit ist mir durchaus Eigen. Ich gestehe: ich habe eine Tendenz, keinen Scherz auszulassen, auch wenn es einen anderen kränkt." Diese selbstkritische Äußerung machte Erhard Busek in einem Interview zu seinem 60. Geburtstag im März 2001. Es war die Antwort auf die Feststellung des Fragestellers, dass Busek offenbar ein Homo ludens sei, sonst hätte er nicht am Abend der EU-Abstimmung (12. Juni 1994) im Überschwang der Gefühle im SPÖ-Zelt die "Internationale" mitgesungen. Noch heute rümpft man in gewissen ÖVP-Kreisen die Nase über diese "Entgleisung". Busek nimmt es höchstwahrscheinlich nicht tragisch. Warum auch? Es war nur ein Spaß, und ein Sozialdemokrat ist er wirklich nicht.

In der Mitte des Jahres 1994 war Erhard Busek Bundesparteiobmann der ÖVP, Vizekanzler und Wissenschaftsminister, und stand auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Am 28. Juni 1991 auf einem ordentlichen Parteitag in einer Kampfabstimmung gegen Bernhard Görg mit nur 56,4 Prozent der Delegiertenstimmen zum Parteichef gewählt, hatte er sich länger und besser behauptet, als wenige in seiner Partei erwartet und viele befürchtet hatten.

Erhard Busek war keine Integrationsfigur. Er war in der Volkspartei immer umstritten, ein Mann, an dem sich die Geister schieden, der polarisierte. Trotzdem konnte er auf Erfolge verweisen. Er hatte 1992 für den Präsidentschaftswahlkampf eine mutige personalpolitische Entscheidung getroffen, die sich als geglückt herausstellen sollte: Der bis dahin in der Öffentlichkeit kaum bekannte Diplomat Thomas Klestil besiegte den hochfavorisierten SPÖ-Kandidaten Rudolf Streicher. Und die eingangs erwähnte Volksabstimmung, bei der sich die Wähler mit Zweidrittelmehrheit für den Beitritt zur EU aussprachen, war für den österreichischen Patrioten und überzeugten Europäer Erhard Busek zweifellos auch persönlich ein Riesenerfolg.

"Ohne Wenn und Aber"

Bei der Nationalratswahl am 9. Oktober 1994 büßte die ÖVP abermals Stimmen und Mandate ein. Sie sackte von 32,1 auf 27,7 Prozent ab und zog nur noch mit 52 Abgeordneten (minus acht gegenüber 1990) in den Nationalrat ein. Busek, der sich im Wahlkampf "ohne Wenn und Aber" für eine Große Koalition ausgesprochen hatte, kam mit den Sozialdemokraten innerhalb kurzer Zeit zu einer Einigung. Bereits Ende November wurde die neue Regierung Vranitzky-Busek angelobt. Eine Koalition mit der FPÖ kam für ihn nicht in Frage. "Mit Haider ist kein Staat zu machen", konstatierte er nüchtern. In den Führungsgremien der ÖVP begann nach einer winterlichen Waffenruhe das bekannte Obmannablösespiel. Der Intellektuelle Erhard Busek, der "Pointenschleuderer", der "Hans Dampf in allen Gassen", der "Bildungsprotz", der "zu g'scheit für die Politik ist", müsse weg, forderten lautstark seine Gegner.

Hinter den Kulissen wurde munter intrigiert, vor den Augen der Öffentlichkeit rollte ein unrühmliches Schaustück ab. Das Opfer wehrte sich, gab nicht kampflos auf. Der "liberale" Busek wollte keinem hartgesottenen Konservativen Platz machen. In der Nachfolgediskussion, bei der sogar der politisch völlig unbekannte Linzer Universitätsprofessor Johannes Hengstschläger ins Spiel gebracht wurde, drohte er damit, selbst nochmals zu kandidieren. Schließlich einigte sich das 15-köpfige Wahlkomitee auf Wolfgang Schüssel als Kandidaten. Schüssel, seit 1989 Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wurde am 22. April 1995 auf dem 30. ordentlichen Parteitag mit der enormen Mehrheit von 95,5 Prozent der Stimmen zum neuen ÖVP-Obmann gewählt.

Erhard Busek legte bald danach auch sein Nationalratsmandat zurück. Er fühlte sich als einfacher Parlamentarier nicht ausgelastet und verabschiedete sich von der Tagespolitik. "Ich bin mir zu schade, nur einen Sitz zu belegen und Kommentare abzugeben, wie in der Muppet-Show", lautete sein sarkastischer Kommentar. Er trat nicht in die zweite Reihe zurück, er wurde in die dritte abgeschoben. Der hochintelligente Vollblutpolitiker Busek ist nun als EU-Sonderbeauftragter für Ost-und Südosteuropa viel unterwegs, hält Vorträge, bezieht gelegentlich Stellung zu aktuellen politischen Fragen und nimmt an wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen teil und ist Präsident des Forum Alpbach. Erhard Busek ist von der völkerverbindenden Kraft der Kultur überzeugt, die gemeinsamen geistigen Wurzeln Europas hält er neben der Wirtschaft für eines der tragenden Fundamente des europäischen Einigungsprozesses. Busek ist ein unermüdlich tätiger, geistig rastloser Mensch, der stets nach neuen Ufern Ausschau hält. Für seine breit gefächerten Interessen und Hobbys, dem Lesen hochwertiger Literatur und dem Hören klassischer Musik, wird ihm jetzt aber vielleicht doch mehr Muße bleiben als in seinem aufreibenden, zeitaufwändigen Politikerleben.

Sohn eines Baumeisters

Erhard Busek wurde am 25. März 1941 in Wien-Alsergrund als Sohn eines Ingenieurs und Baumeisters geboren. Das Einzelkind wuchs in wohl geordneten Verhältnissen auf. Der Vater, Mitbegründer der evangelischen Jugend in Wien, besuchte jeden Sonntag mit seiner Familie den katholischen Gottesdienst und bewegte den Sohn dazu, Ministrant zu werden und der Katholischen Jungschar beizutreten. Der Grundstein für die Weltanschauung seines Sohnes war damit gelegt. Erhard Busek besuchte nach der Volksschule zunächst das Realgymnasium, trat aber in die 5. Klasse des Döblinger Gymnasiums über, an dem er, humanistisch wohl ausgebildet, 1959 mit Auszeichnung maturierte. Anschließend inskribierte er an der Universität Wien Rechtswissenschaften. 1963 wurde er zum Dr. jur. promoviert. Noch während des Gerichtsjahres wechselte er in die Politik.

ÖVP-Generalsekretär

Der Jungakademiker begann seine politische Karriere als Zweiter Klubsekretär der ÖVP (1964-68) und war dann in führender Position im Österreichischen Wirtschaftsbund tätig. Mit seiner Wahl zum Nationalrat und seiner Bestellung zum Generalsekretär der ÖVP brach 1975 die Intensivphase seiner politischen Laufbahn an. In den nächsten zwei Jahrzehnten setzte Erhard Busek in der Wiener Kommunalpolitik entscheidende Impulse und versuchte als Kultursprecher der ÖVP, als Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft und Forschung das Kultur- und Geistesleben des Landes durch neue, ungewöhnliche Ideen zu beleben. Im Herbst 1976 wurde der politische Jungstar zum Landesparteiobmann der Wiener ÖVP gewählt.

Sogleich forderte der blitzgescheite, phantasiebegabte, eloquente "bunte Vogel" eine "andere Art von Politik" und propagierte ein neues Stadtverständnis. Anstelle des ÖVP-Wahlslogans von 1973 "Diese Stadt ist krank", operierte er mit der Botschaft "Die Stadt ist gesund, liebenswert, lebenswert" und anderen Parolen, die er den Bürgern auf Plakatständern nahe zu bringen versuchte. Gemeinsam mit dem visionären Schriftsteller Jörg Mauthe und anderen Gleichgesinnten sprach er neue Themen an: "Grün", Umwelt, Verkehr, Müll, Schadstoffe, Grätzel- und Beislkultur, Stadterneuerung statt Stadterweiterung, aktive Teilnahme der Bürger an den Entscheidungen, die sie unmittelbar betrafen, etc.

Wien wurde weltoffener

Ein Feuerwerk an Ideen prasselte auf das Rathaus nieder und trieb den regierenden Sozialisten, die die Stadt zwar gut verwalteten, denen es aber an durchschlagender Gestaltungskraft mangelte, den Schweiß auf die Stirn. Schon Bürgermeister Leopold Gratz, vor allem aber sein Nachfolger Helmut Zilk und dessen Finanzstadtrat Hans Mayr griffen zahlreiche Ideen und Pläne Buseks auf und setzten sie in die Tat um. Wien wurde weltoffener, moderner, bunter. Erhard Buseks kommunalpolitische Arbeit trug parteipolitische Früchte. 1978 errang die Wiener ÖVP 33,8 Prozent der Stimmen und stellte mit ihrem Obmann wieder einen Vizebürgermeister, 1983 errang die Partei 37 von 100 Mandaten. Ab diesem Zeitpunkt ging es aber wieder (rapid) bergab.

Von der Mitverantwortung an der Talfahrt der Stadt-ÖVP kann man Erhard Busek nicht freisprechen. Denn er hatte es verabsäumt, beziehungsweise nicht geschafft, die Landespartei zu reformieren, ihre verkrusteten Strukturen aufzubrechen, den Apparat zu erneuern. Viele Funktionäre konnten oder wollten den progressiven Kurs des Obmanns nicht mitmachen. Sie verstanden Erhard Buseks Visionen nicht, missbilligten seine Standpunkte, fühlten sich übergangen, in ihrem Selbstwertgefühl verletzt. Erhard Busek hielt wenig Kontakt zur Basis, war oft zu ungeduldig, wirkte arrogant. Als die ÖVP 1987 bei den Gemeinderatswahlen einen Rückschlag erlitt und den Posten des Vizebürgermeisters verlor, stellten Buseks Gegner ihn zunächst kalt und präsentierten ihm wenig später die Rechnung. Im Oktober 1989 wurde er auf einem Landesparteitag in der Kurhalle von Oberlaa mit einfacher Mehrheit abgewählt. Erhard Busek fand in der Bundespolitik ein neues Betätigungsfeld, das seinen Interessen und seinem geistigen Format entsprach. Er übernahm die Leitung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.

In seiner Amtszeit wurde das von der SP-Ressortchefin Hertha Firnberg geschaffene Universitätsorganisationsgesetz (UOG) grundlegend geändert und die Ära der Fachhochschulen eingeleitet, neue Gesetze für die technischen Studienrichtungen und die Veterinärmedizin verabschiedet und die Not leidenden Bundesmuseen finanziell wesentlich besser versorgt als bisher sowie der Grundstein zum Museumsquartier gelegt.

Brückenbauer Mitteleuropas

Ein besonderes Anliegen war dem "Brückenbauer Mitteleuropas" die Vertiefung der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zu vielen der ehemals kommunistischen Ostblockstaaten (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Kroatien). Hierbei kamen ihm die Erfahrungen zugute, die er bei seinen zahlreichen Besuchen in diesen Ländern in den Jahren zwischen 1979 und 1989 gesammelt hatte. Als Unterrichtsminister konnte Erhard Busek seine Ideen nicht verwirklichen, da er zu kurz im Amt war (November 1994 bis Mai 1995).

Der praktizierende Katholik Busek, der mit manchen Zuständen in der Amtskirche nur schwer zu Rande kommt und mit Kritik an ihr nicht zurückhält, fühlt sich in seiner Lebenshaltung grundsätzlich christlichen Grundwerten verpflichtet. Über Erhard Buseks Privatleben ist wenig bekannt. Er ist mit einer Mittelschulprofessorin verheiratet. Die Ehe ist kinderlos geblieben.

Erschienen am: 04.12.2004