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Christian Dopplers Entdeckung revolutionierte auch die Himmelskunde

Der kosmische Tachometer

Von Christian Pinter

Das Doppler'sche Princip sichert dem Namen seines Entdeckers Unvergänglichkeit, liest man am Sockel der Büste Christian Dopplers im Arkadenhof der Universität Wien. Beigefügt ist eine Darstellung des Sternbilds Orion. Tatsächlich revolutionierte der österreichische Physiker auch die Himmelskunde. Allerdings erst Jahrzehnte nach seinem Tod. Am 29. November feiern wir Dopplers 200. Geburtstag.

Bruder und Vater sterben an Tuberkulose - und auch mit Christians Gesundheit steht es nicht zum Besten. 1803 in der Stadt Salzburg geboren, wächst er in der staubigen Atmosphäre einer Steinmetz-Werkstatt auf. Um im Familienbetrieb zu arbeiten, ist er zu schwach. Dafür entdeckt Gymnasiallehrer Simon Stampfer Dopplers mathematisches Talent. Selbst enthusiastischer Himmelsbeobachter, dürfte Stampfer ihn auch erstmals in Kontakt mit der Astronomie gebracht haben.

Ab 1829 wirkt Doppler als Assistent für Mathematik am Polytechnischen Institut in Wien - der heutigen Technischen Universität. Die Stelle ist befristet. So findet er sich, todunglücklich, als Handelsbuchhalter einer Baumwollspinnerei wieder. Er plant seine Auswanderung in die USA. Im letzten Augenblick erreicht ihn die Berufung nach Prag. Er wird Professor am dortigen Polytechnischen Institut, entwirft und verbessert messtechnische sowie optische Geräte, publiziert naturwissenschaftliche Abhandlungen und referiert in Gelehrtenkreisen.

Sterbehaus in Venedig

Die Arbeit in überfüllten Hörsälen macht Doppler zu schaffen. Primararzt Prof. Johannes Ritter von Oppolzer macht ihn auf mögliche Folgen aufmerksam. (Oppolzers Sohn Theodor wird später übrigens selbst ein bedeutender Himmelsforscher werden; er verfasst unter anderem ein epochales Werk mit 13.000 astronomischen Finsternissen.) 1850 ernennt man Doppler zum Direktor des neuen Physikalischen Instituts der Universität Wien. Doch die Lungenkrankheit verschlimmert sich. Er sucht Linderung im Klima Venedigs. Als jede Hoffnung schwindet, reist Mathilde Doppler ihrem Gatten nach. In ihren Armen stirbt er, 49 Jahre alt, am 17. März 1853 - ebenfalls an Tuberkulose.

Der Physiker und Publizist Peter M. Schuster wird das vergessene Sterbehaus und das Grabdenkmal in Venedig eineinhalb Jahrhunderte später wiederentdecken und Dopplers Biografie im Buch "Weltbewegend - unbekannt" aufrollen. Das reichlichst illustrierte Werk ist vor kurzem erschienen (siehe Literaturangabe am Ende). Der frühe Tod erlaubte es Doppler nicht, die Folgen seiner wichtigsten Entdeckung zu erleben. Er beschrieb diese erstmals im Werk "Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels". Am 25. Mai 1842 legte er die Arbeit der königlich-böhmischen Gesellschaft in Prag vor. Ihre Kernaussage: Wir nehmen ein ausgesandtes Signal nicht unbedingt in seiner eigentlichen Frequenz wahr. Vielmehr ist diese beim Eintreffen höher oder geringer, je nachdem, ob sich Sender und Empfänger einander annähern oder voneinander entfernen. Das Ausmaß der Frequenzverschiebung hängt von der Bewegungsgeschwindigkeit ab.

Am ehesten ließ sich Dopplers These im akustischen Bereich nachprüfen. Denn hier konnte man auf das unbestechliche Gehör von Musikern bauen. Zunächst verneinten diese, geschwindigkeitsbedingte Tonhöhenschwankungen gehört zu haben. Umso mehr verblüfft waren sie 1845, als spielende Trompeter in einem Zug der Rhein-Eisenbahn an ihnen vorbeirollten. Die fahrenden Kollegen schienen den richtigen Ton nicht mehr zu treffen. Dem Astronomen Hermann Carl Vogel gelang 30 Jahre später ein noch eindrucksvollerer Nachweis. Er wiederholte das Experiment mit einer lauten Dampfpfeife einer deutschen Borsig-Lokomotive.

Bei den Geschwindigkeiten im heutigen Bahnverkehr können sich durchaus Frequenzänderungen um mehr als einen ganzen Ton ergeben. Selbst das Motorgeräusch eines schnellen PKWs oder Motorrads schlägt unmittelbar nach dem Vorbeifahren merklich in eine etwas tiefere Lage um. Besonders deutlich ist das natürlich bei Rennsportübertragungen im TV, wenn Boliden mit 300 km/h am "ruhenden" Mikrofon vorbeirasen.

Wie ist so etwas möglich? Stellen wir ein Gedankenexperiment an: Eine Freundin zielt exakt im Sekundenabstand mit Schneebällen nach uns. Nach jeder Sekunde spüren wir den Aufprall einer Kugel. Dann jedoch schreitet die Freundin während des Werfens auf uns zu. Jede Kugel hat nun einen etwas kürzeren Weg zurückzulegen wie ihre Vorgängerin. Die Aufschläge erfolgen somit in geringerem zeitlichen Abstand, ihre Frequenz steigt. Ginge die Freundin rückwärts, wüchse die Wegstrecke der Schneekugeln stetig - und somit auch das Zeitintervall zwischen den Treffern. Die Frequenz würde sinken. Selbst mit geschlossenen Augen könnten wir aus der Veränderung der Trefferfrequenz auf das Bewegungstempo der Werferin schließen.

Seit Erfindung des Teleskops stießen Astronomen immer wieder auf Sterne, die auffallend eng beisammen stehen. 1803, in Dopplers Geburtsjahr, wies Wilhelm Herschel nach, dass viele dieser Sonnen nicht zufällig in gleicher Blickrichtung weilen. Vielmehr ziehen sie, durch die gegenseitige Anziehungskraft aneinander gebunden, um den gemeinsamen Schwerpunkt ihres Systems. Bei den visuellen, im Fernrohr sichtbaren Doppelsternen betragen die Umlaufszeiten meist viele Dutzend Jahre.

Die "Radialgeschwindigkeit"

Blicken wir nicht gerade exakt "von oben" auf die Bahnebene, so wird die Bewegung immer auch eine radiale Komponente besitzen - also eine, die in der Richtung unseres Sehstrahls liegt. Astronomen sprechen von der "Radialgeschwindigkeit" eines Sterns. Gamma in der Andromeda zerfällt im Fernrohr in eine orangefarbige und eine bläuliche Sonne. Auch andere Doppelsterne bieten ein vergleichbares Bild. Durch Übertragung seines Prinzips auf das sichtbare Licht glaubte Doppler fälschlich, Radialgeschwindigkeiten direkt aus solchen Farbunterschieden ableiten zu können. Der sich uns nähernde Stern sollte bläulicher, der von uns wegeilende rötlicher erscheinen. Doch so leicht macht es uns die Natur nicht. Wir benötigen klar definierte Messmarken im Sternenlicht, um die geringfügigen Frequenzänderungen nachzuweisen.

Ein Prisma zerlegt das Sternenlicht in ein Band von Farben. Das sichtbare Spektrum reicht von Rot bis Blau, wobei das blaue Licht eine - grob gesagt - doppelt so hohe Frequenz besitzt wie das rote. Dieser farbige "Regenbogen" stammt von heißem Gas, das unter hohem Druck an der Oberfläche der Sterne leuchtet. Darüber jedoch liegt eine dünne, kühlere Gasschicht. Sie absorbiert - "schluckt" - das Licht bestimmter Frequenzen wieder. So entstehen schmale dunkle Linien im Farbenband.

Sechs Jahre nach Dopplers Tod erkannte man: Die exakte Lage der einzelnen Linien hängt von den chemischen Elementen ab, die für die Absorptionen verantwortlich sind. Diese lassen sich identifizieren, wenn man ein künstlich erzeugtes Hilfsspektrum in den Strahlengang des Teleskops einspiegelt. Sind alle Sternlinien jedoch ein wenig gegenüber jenen des Vergleichsspektrums verschoben, so ist Radialgeschwindigkeit im Spiel. Diese verändert die von uns empfangene Frequenz. Das Ausmaß der Linienverschiebung wird - dank Doppler - zum kosmischen Tachometer.

1868 schätzte William Huggins mit dieser Methode erstmals die Radialgeschwindigkeit einer fremden Sonne. Er musste sich noch an Sirius, den hellsten Fixstern, halten. 1892 legte der schon erwähnte Hermann Vogel viel verlässlichere Daten für insgesamt 51 Sterne vor. Heute besitzt man hochauflösende Spektren und kennt daher bereits die Geschwindigkeiten von mehr als 25.000 Sonnen. Manche hasten mit über 1 Mio. km/h von uns weg - oder auf uns zu.

Oft halten die Partner eines Doppelsterns äußerst geringen Abstand. Selbst das allerbeste Teleskop trennt ein derart intimes Duo nicht, sondern zeigt nur einen einzigen Lichtpunkt. Auch die beiden Sternspektren überlagern einander. Die Linien der auf uns zu haltenden Komponente rücken gegen Blau, die der anderen, gleichzeitig fortziehenden gegen Rot. Gemeinsame Spektrallinien spalten sich deshalb auf.

Besitzen die Partner unterschiedliche Leuchtkraft, überstrahlt der hellere Sterns das Spektrum seines Partners. Wir sehen nur noch seine Linien. Doch auch sie pendeln periodisch ein klein wenig hin und her. Das genügt, um auf die Anwesenheit eines Begleiters zu schließen und die Umlaufszeit zu ermitteln. Bei engen Duos beträgt sie oft nur wenige Tage. Die ersten spektroskopischen Doppelsterne wurden 1889 entdeckt. Darunter waren Mizar im Großen Bären und Spica in der Jungfrau. Manchmal ist der Begleiter eines Sterns keine zweite strahlende Sonne, sondern ein dunkler, vergleichsweise massearmer Planet. Doch selbst bei derart "ungleichen Paaren" muss der Stern um den gemeinsamen Systemschwerpunkt tanzen. Das führt zu wechselnder Radialgeschwindigkeit, zu rhythmischem Hin und Her seiner Absorptionslinien. Das Spektrum verrät somit die Existenz des unsichtbaren Trabanten. 1995 entlarvte man den Stern 51 im Pegasus als Planetenbesitzer. Über 100 weitere folgten.

Viele Problemstellungen der Astronomie lassen sich nur mit Hilfe des Doppler-Effekts lösen. Aber auch sein Fehlen kann zu denken geben. So fand Johannes Hartmann 1904 beim spektroskopischen Doppelstern Delta im Orion überraschenderweise auch ruhende Linien. Sie nahmen nicht an der periodischen Verschiebung der anderen teil, entstanden also offenbar erst auf der langen Reise des Sternenlichts zur Erde. Hartmann hatte das interstellare Medium entdeckt, das den Raum zwischen den Sternen "füllt". Dopplers Prinzip gilt im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Mittels Radarwellen bestimmte man 1964 die Rotationsgeschwindigkeit der Venus. Sie ist extrem gering, dauert ein Venustag doch immerhin 243 Erdentage. Frühere Versuche im sichtbaren Bereich mussten deshalb scheitern. Den eigentlich für solche Venus-Studien angeschafften Spektralapparat setzte Vesto Slipher ab 1909 zur Untersuchung der rätselhaften Spiralnebel ein. Er fand hier verblüffend hohe Radialgeschwindigkeiten, manchmal über 1.000 Kilometer pro Sekunde. Die Linien fast aller Nebel zogen Richtung Rot.

1924 bestimmte Edwin Hubble erstmals die Entfernungen von Spiralnebeln. Er machte sie damit endgültig zu Milchstraßen ähnlich der unsrigen, aber weit draußen im All. Dann setzte er seine Nebeldistanzen mit Sliphers Rotverschiebungen in Beziehung. Resultat: Je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto schneller scheint sie von uns fortzustürmen. Im großen Maßstab betrachtet, ist gleichsam jede Galaxie vor allen anderen auf der Flucht. Grund ist die Expansion des Universums.

Radarfallen und Diagnostik

Es ist gefährlich, Doppler zu vergessen. 1997 hob der NASA-Roboter Cassini in Richtung Saturn ab. An seinem Rücken befestigt, fliegt die ESA-Sonde Huygens mit. Sie wird sich Ende 2004 lösen und später auf dem geheimnisvollen Saturnmond Titan niedergehen. Huygens sendet seine Beobachtungen an Cassini. Obwohl die beiden Roboter schließlich mit über 20.000 km/h auseinander driften, arbeiten Funksender und Empfänger auf derselben Frequenz. Lange nach dem Start hielten Techniker den Atem an: Cassini würde das frequenzverschobene Signal von Huygens ja gar nicht empfangen können! Die wertvollen Daten vom Titanmond schienen verloren. Erst nach sechs Monate langem Tüfteln fand man die Lösung: Ein abgeänderter Flugplan wird nun die Geschwindigkeit zwischen den beiden Sonden reduzieren. Huygens opfert sich also doch nicht vergebens.

Auf Erden setzt man bei Radarfallen ebenso auf das Doppler-Prinzip wie in der medizinischen Diagnostik. Dort misst man damit das Tempo von Autos, hier jenes von Blut in den Gefäßen. Auch Musiker schätzen mittlerweile Doppler. Die 1934 entwickelte Hammond-Orgel verdankt ihren lebendigen Klang unter anderem einem Gehäuse mit rotierenden Lautsprechern. Deren Drehung lässt die Tonhöhe in rascher Folge schwanken. 1968 steckte Jimi Hendrix seinen Gitarrenverstärker an ein solches Gehäuse an. Andere folgten. Im legendären Album "Dark Side of the Moon" spielten Pink Floyd 1973 ausgiebig mit dem Doppler-Effekt. Etwa in den Songs "Breathe" "Eclipse" (astronomische Finsternis), "On the Run" oder "Any Colour you like".

Literatur:

Peter M. Schuster: Weltbewegend - unbekannt. Leben und Werk des Physikers Christian Doppler und die Welt danach. Edition

Living, Pöllauberg 2003.

Freitag, 28. November 2003

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