Mit 6 Jahren kam mein Vater in die zweiklassige Volksschule in Steinach. Man kann sich vorstellen, wie klein der Ort damals war! (Heute gibt es hier mindestens vier mal so viel Klassen.) Der tägliche Schulweg von einer halben Stunde war sicher, vor allem im Winter, recht beschwerlich, Schulbusse gab es ja noch lange nicht.

Im Jahre 1907 sollte das Leben meines Vaters eine entscheidende Wende nehmen – er schreibt in seiner Familienchronik:

 

 

 

„Nach ca. 10 Jahren erkrankte meine lb. Mutter auf ihrem einsamen Anwesen an Gehirnhautentzündung. Sie wurde in die Nervenklinik nach Innsbruck gebracht. Nachdem sie mich, ihr geliebtes Kind segnete und zum Schulgottesdienste schickte, habe ich sie das letztemal in meinem Heimatort gesehen, denn als ich mittags heimkehrte, fand ich kein Feuer mehr am Herd, und das lb. Mutterherz hat mich das erstemal nicht mehr erwartet. Ich wurde von einem zum andern Monat vom Onkel Josef Peer auf die Rückkunft meiner lb. Mutter vertröstet und führte neben Schulbesuch das Anwesen mit Onkel Peter sorgfältigst weiter, um ja der Mutter zu ihrer Ankunft große Freude zu machen. Wieviele lange Abende ich vergeblich wartete, und wie oft ich den Schlüssel legte.“

Als ich das erste Mal diese Zeilen las, war ich erschüttert von dem Schicksal, das mein Vater im Alter von nur 10 Jahren erleiden musste. Doch sein Onkel Josef Peer nahm sich des armen Bübleins an und war, wie so oft auch noch später, ein schützender und hilfreicher Engel unserer Familie.

Nach 2 Jahren wurde mir zur Gewißheit, daß Mutter leider sehr schwer krank. Sie hatte ihre reine Liebe in der Verlassenheit (Saxen) einem Unwürdigen verschenkt, der es infolge versch. Quertreibereien zustande brachte, sich im nächstliegenden Orte „Wolf“ beim „Wolfenwirt“ einzuheiraten. Dies und die Sorge einer alleinstehenden Frau und verlassenen Mutter um ihr Kind, sowie die Schmach, daß ein Vater seinen Sohn und dessen Mutter verläßt, um Liebe gegen Geld einzutauschen, trieben meine Mutter, die überall hochgeschätzt und beliebt war, fast zur Verzweiflung. Ihr natürlicher Humor und froher Sinn verwandelte sich in Melancholie und wurde die Ursache ihrer Krankheit. Es wurde immer schlechter. Ich durfte sie nur selten besuchen. Sie erkannte mich immer, und die Sorge um mich verschlechterte jedesmal ihren Zustand.
Nach 2- jähriger selbständiger Landwirtschaft (ca. 4 Stk. Vieh nebst Kleinvieh mit nur Peter allein) nebst Volksschulbesuch kam ich mit ca. 11 Jahren zu Onkel Josef Peer, Kaufmann in Steinach, wo ich eine zweite Heimat fand. Seine Frau Tante Maria geb. Salchner schaute in mütterlicher Weise auf mich. Ich zeigte Interesse fürs Geschäft und wurde ein brauchbarer Ladenjunge, dem Ordnung und Genauigkeit von seiner lb. Mutter in erfreulichem Maße beigebracht wurden.“
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