Die Suche nach der verschollenen Episode von "Ein Herz und eine Seele"
Ein Report
Als die ARD Video im April den Schuber zu "Ein Herz und eine Seele"
präsentierte, war das Gezeter der Fangemeinde groß. Wer technisch mehr erwartet
hatte, als einfache Überspielungen der Archivbänder, der wurde bitter
enttäuscht. So ziert z.B. die s/w Folge "Die Silberhochzeit" gleich relativ am
Anfang ein über eine Sekunde langer Bildfehler. Doch die technische
Umsetzung war nicht das, was die Fans erzürnte. Die produzierende Firma, Studio
Hamburg, die im Auftrag als Fernseh Allianz eigentlich alle Auswertungen
öffentlich-rechtlich produzierter Beiträge der der ARD angeschlossenen
Sendeanstalten durchführt, hatte - wohl aufgrund schlampiger Recherchen - ein
paar Folgen vergessen. Zumindest versprach die Verpackung vollmundig "Alle 21
Folgen" - woraufhin eigentlich nur erwidert werden kann, welche 21 der 25 denn
hier wohl gemeint waren. Unter anderem fehlte auch der "Pilot", die Folge, in
der Elisabeth Wiedemann die Familie vorstellt, was nicht wenige Sammler zur
Weißglut getrieben haben dürfte. Stimmen in Foren wurden laut, eMails
geschrieben - Studio Hamburg schwieg, zumindest bis Ende Mai, als der
Hersteller plötzlich Besserung gelobte und den Fans eine DVD mit den fehlenden,
alternativ gedrehten Folgen und der ersten Folge "Das Hähnchen" (später
teilweise als "Der Ofen ist aus" recycelt) versprach. Aufmerksame Leser werden
bereits bemerkt haben, dass die Formel 21 + 3 nur 24 ergibt, und somit immer
noch eine Folge zu fehlen schien. Offenbar wirklich - wie uns auch Fans
bestätigen konnten. Wir starteten daher am 26. Mai eine größer angelegte
Recherche, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Stein des Anstoßes war die Folge "Der Sittenstrolch", die laut vielen im
Internet verfügbaren Episodenlisten sowohl am 26.11.1973 als auch am 04.11.1974
oder 22.11.1974 gelaufen sein sollte, hier differieren die Quellen. Interessant
ist, dass die Serie zunächst beim WDR für WDR3, also das dritte Programm,
produziert wurde und dort auch bis zum 26.11.1973 lief - und zwar in s/w. Ab
Silvester übernahm dann die ARD die Ausstrahlung in Farbe.
Staffel 1:
01. Das Hähnchen (Erstausstrahlung: 15.01.1973)*
02. Der Fernseher (29.01.1973)
03. Besuch aus der Ostzone (12.02.1973)*
04. Die Beerdigung (26.02.1973)
05. Die Bombe (12.03.1973)
06. Hausverkauf (26.03.1973)
07. Silberne Hochzeit (09.04.1973)
08. Urlaubsvorbereitung (30.04.1973)
09. Erntedankfest (01.10.1973)
10. Eine schwere Erkrankung (29.10.1973)
11. Der Sittenstrolch (26.11.1973)
12. Silvesterpunsch (31.12.1973)
13. Der Ofen ist aus (28.01.1974)
14. Rosenmontagszug (25.02.1974)
15. Frühjahrsputz (18.03.1974)
16. Selbstbedienung (13.04.1974)
17. Besuch aus der Ostzone (17.06.1974), Farbfassung der Folge 3
18. Urlaubsvorbereitung (15.07.1974)*, Farbfassung der Folge 8
19. Tapetenwechsel (12.08.1974)
20. Der Staatsfeind (09.09.1974)
21. Der Sittenstrolch (04.11.1974)*, Farbfassung der Folge 11
Staffel 2:
22. Telefon! (31.05.1976)
23. Massage (05.07.1976)
24. Modell Tetzlaff (27.09.1976)
25. Schlußwort (22.11.1976)
Die mit einem Sternchen versehen Folgen hatte Studio Hamburg bei der Planung
für den Schuber wohl glattweg vergessen, oder wegen Präferenzen nicht veröffentlichen
wollen. Strittig war aber nach der Pressemeldung immer noch, warum "Der
Sittenstrolch" nicht in Farbe auf DVD erscheinen sollte. Folge 11, "Der
Sittenstrolch", war die letzte s/w-Episode im WDR, ab "Silvesterpunsch" wurde
dann in der ARD in Farbe gesendet. Wir fragten noch am gleichen Tag bei Studio
Hamburg an, warum man genau eine einzige Folge nicht auf DVD veröffentlichen
wolle. Das Interesse schien mäßig zu sein, doch letztlich erhielten wir am 10.
Juni (also rund zwei Wochen später) eine leider wenig erfreuliche Nachricht.
Eine Farbversion dieser Episode sei nicht bekannt, es gäbe nur die Version in
s/w.
Sollten sich alle unsere bisherigen Quellen irren? Nicht unüblich, schließlich
ist es schwierig, im Internet stichhaltige Beweise für Dinge zu finden, die vor
1995 liegen. In den meisten Fällen sind ab diesem Jahr Informationen ins Netz
gestellt und ab da oftmals kopiert worden, besonders wenn es um Fanseiten und
Episodenlisten geht. Wir versuchten das Problem zunächst inhaltlich am Schopf
zu packen. Schließlich nimmt die Folge Bezug auf das allgemeine Fahrverbot, das
die Regierung seinerzeit aufgrund der Ölknappheit verhängte. Hier passierte uns
ein Faux Pas, gottlob müssen wir heute sagen, denn sonst hätten wir unsere
Recherchen möglicherweise an diesem Punkt eingestellt. Laut unseren damaligen
Informationen war das erste allgemeine Fahrverbot am 25.11.1974, so dass die
Diskussion über eben dieses Thema gut zur Farbfolge gepasst hätte. Tatsächlich
war das Fahrverbot aber ein Jahr eher, also 1973, so dass unsere Daten
diesbezüglich schlichtweg schlecht recherchiert waren. Mit dieser Information
bemühten wir noch einmal Studio Hamburg, die uns wieder einmal mitteilten, dass
auch eine erneute Suche beim Sender (hier war wohl der WDR gemeint - ein
fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte) zum gleichen Ergebnis
geführt hätte. Die von uns angesprochene Episode existiere nicht.
Es galt nun einen Zeitzeugen zu finden, der, anders als Personen aus dem
Familienkreis ("Den Schutzmann habe ich mal in Farbe gesehen!"), seine Aussage
auch würde belegen können. Wir wurden schließlich bei Axel Schneider fündig,
der unter zuschauerpost.de ein Portal für Hörzu-Fans ins Leben gerufen hat und
dort alte Leserbriefe und andere Kuriositäten der Fernsehillustrierten zu Tage
fördert. Rein zufälligerweise besitzt Axel Schneider dazu eine der wohl
komplettesten Sammlungen der Hörzu und hat somit Zugriff auf über 50 Jahre
Fernsehgeschichte - samt Sendedaten! Wir baten Axel nun für uns nachzuschlagen,
und zwar sowohl zur s/w-Episode von 1973 als auch zur angeblichen Farbversion
von 1974. Es dauerte nur wenige Stunden - und das an einem Sonntag - bis uns
Axel Schneider ein verblüffendes Ergebnis lieferte. Ja, es gab eine s/w
Ausstrahlung 1973 und ja, es gab anscheinend auch eine Farbausstrahlung 1974,
und zwar an dem ersten von uns vermuteten Termin, dem 04.11.1974. Hilfreich war
hier, dass die Hörzu, nachdem es nun Farbfernsehen gab, alte Sendungen in s/w
mit einem Kürzel versah, damit der Zuschauer nicht aus Versehen doch wieder
farblos schauen musste. Genau dieses Kürzel fehlte bei der Ausstrahlung von
1974, so dass man hier also tatsächlich von Farbe ausgehen durfte. Für den
22.11.1974 fand Axel hingegen nichts, so dass wir somit nur noch mit dem 04.11.
als Termin weiter recherchierten.
Schließlich kann eine Fernsehzeitschrift nicht als Beweis dafür angesehen
werden, dass eine Sendung wirklich gelaufen ist. Denn der Vorlauf, der für den
Druck benötigt wird, führt in seltenen Fällen dazu, dass die Zeitschrift
bereits veraltet ist, bevor sie am Kiosk erscheint. Es hätte also durchaus sein
können, dass die Sendung am 04.11.1974 geplant war, aber nicht lief, und die
tatsächliche Ausstrahlung dann als "Nachholung" am 22.11.1974 stattfand, die
Entscheidung aber so kurzfristig fiel, dass der 22.11. nicht mehr in die Hörzu
aufgenommen werden konnte. Generell gilt, dass Fernsehzeitschriften nur die
Absicht des Senders wiedergeben, etwas ausstrahlen zu wollen - ein wirklicher
Beweis für eine Ausstrahlung war dies aber natürlich nicht. Einzige Lösung: der
Sendeablaufplan, auf dem ein Sender vermerkt, welche Sendungen über einen Tag
hinweg verteilt laufen. Doch dazu später mehr.
Es gab zunächst verschiedene Szenarien, die geprüft werden wollten. Hätte es
z.B. sein können, dass der WDR die Sendung in s/w produzierte, allerdings
aufgrund einer technischen Panne (Band bei Sendung defekt) nicht ausstrahlte?
Dann wäre nämlich aufgrund der langfristigen Planungen bereits die Farbfolge
"Silvesterpunsch" in der ARD gelaufen, bevor der WDR nochmals eine s/w Version
hätte zeigen können. Und wäre es somit dann nicht sinnvoll gewesen, die
fehlende Folge ganz am Ende noch einmal auszustrahlen? Und hätte nicht der
Redakteur, der die Folge für die Hörzu bearbeitete, von Farbe ausgehen müssen,
nachdem alle Ausstrahlungen in der ARD in Farbe waren? Dann hätte es wirklich
nur diese s/w Variante gegeben und wir hätten uns, trotz Hörzu-Recherche,
kräftig geirrt.
Was aber, wenn der WDR diese Folge gar nicht neu hätte spielen lassen - wie all
die anderen Farbfolgen, von denen eine s/w Version existiert? Dann hätte man
davon ausgehen dürfen, dass der WDR die letzte Folge in s/w bereits in Farbe
produziert, aber zunächst nur in s/w ausgestrahlt hatte. Und dann wäre die
Ausstrahlung in der ARD prinzipiell nur eine Wiederholung gewesen, die man ganz
ans Ende der Staffel legte, um zu verhindern, dass die Zuschauern diesen
kleinen "Schwindel" bemerkten. Videorekorder gab es schließlich noch nicht,
zumindest nicht für Privathaushalte. An eine gänzlich neue, alternative
Variante, glaubten wir zu diesem Zeitpunkt nicht.
Uns war klar, dass eigentlich nur die Produktionsfirma wissen konnte, was nun
richtig und was falsch war, und das war der WDR. Als größte Anstalt in der ARD
ist es nicht gerade leicht, jemanden "irgendwo im Archiv" ans Telefon zu
bekommen und ihn davon zu überzeugen, dass man eine Information aus dem Jahr
1974 brauche, am besten noch aus alten Akten. Doch es dauerte nicht lange, bis
wir bei Doris Teßmer landeten, die das Problem sofort verstand, uns aber bat,
den offiziellen Weg einzuhalten - und der lief über die Redaktion. Wir wurden
also bei der Redaktion telefonisch vorstellig, schilderten das Problem, was
sich allerdings schwierig gestaltete, da man unseren Grund schwerlich verstand.
Wieso um alles in der Welt benötige jemand im Jahre 2005 eine so unwichtige
Information zu einem über 30 Jahre alten Programm? Wir erklärten, dass Studio
Hamburg gerade dabei sei, die fehlenden Folgen von "Ein Herz und eine Seele"
auf DVD zu veröffentlichen und wir wollten verhindern, dass man wieder eine
Folge übersähe. Auch wenn das für die Redaktion des WDR offensichtlich komisch
klang - schließlich konnte man für uns als Redaktion dadurch offenbar keinen
finanziellen Vorteil erkennen - man versprach, sich das Problem genauer
anzuschauen.
Einen Tag später, am 14. Juni, bekamen wir eine niederschmetternde Antwort.
Eine "ausgiebige Recherche" im Hause habe ergeben, "dass die genannte Folge
[...] in s/w geführt wird und auch nur als s/w-Band existiert und nur so
ausgestrahlt werden kann". Weiter heißt es: "Eine Farbfolge der Serie ist
intern nicht bekannt; selbst den Mitarbeitern, die die Serie von "A-Z" verfolgt
haben (lediglich ab "Sylvesterpunsch" sind die Folgen bunt ausgestrahlt
worden). Eine Eincolorierung ist aufgrund zu erwartender Qualitätseinbußen
nicht vorgesehen. Demnach verbleibt es dabei wie gehabt. Dass Sie diese Folge
einmal in der ARD in Farbe gesehen haben wollen, kann hier leider nicht
nachvollzogen werden: unser Original-WDR-Band wurde seinerzeit in der ARD
ausgestrahlt, nachdem wir dieses in der relevanten Zeit dafür zur Verfügung
gestellt hatten. Weitere Bänder von dieser Folge existieren nicht: andere ARD-
Sendeanstalten haben die Serie nicht produziert (nur der WDR), lediglich als
Wdhlg. in den 3. Programmen der entsprechenden Sender wurde die Serie nach
Bedarf ausgestrahlt. Wenn, wie Sie schreiben, in der "Hörzu" seinerzeit zu
lesen gewesen ist, dass die Folge beim SDR (SWR) erstmals ausgestrahlt worden
sei, so könnte es vermutlicherweise sein, dass es sich hierbei um einen
möglichen Druck- bzw. Schreibfehler gehandelt hat. So etwas kann nie 100%ig
ausgeschlossen werden - und demzufolge für Verwirrung sorgen."
Spätestens ab der Stelle bezüglich der Eincolorierung zweifelten wir an der
Ernsthaftigkeit und der Tiefe der Recherchen beim WDR. Natürlich sollte nichts
"eincoloriert" werden - wir waren nur auf der Suche nach der vermeintlichen
Farbfolge. Niemand hatte 1974 Zeit und Geld, eine komplette Folge einer
Fernsehserie nachträglich einzufärben, und das noch mit den begrenzten
technischen Mitteln. Interessant ist übrigens, dass der WDR auch gleich einen
Weblink zu einer privaten Seite
(http://www.tvder60er.de/tvserien/tvser250.htm) als Beweis für seine Argumentation mitschickte -
der aber leider auch "Der Sittenstrolch" eindeutig als Farbfolge angibt.
Wie sollten wir nun weiter verfahren? Der WDR als Produzent mit Zugriff auf
alle Quellmaterialien hatte uns ja erklärt, dass man keine Bänder einer
Farbfolge habe. Wir wagten einen letzten Versuch und kontaktierten die ARD.
Schließlich wurde dort ja ab Silvester 1973 die Serie ausgestrahlt, hier musste
es also mindestens noch den Sendeablaufplan geben, da die Bänder im Zuge des
Bandaustauschs zwischen den Rundfunkanstalten ja mittlerweile wieder in Köln
beim WDR sein mussten. Unsere Recherche führte uns von der Zentrale der ARD in
Stuttgart zum SWR in Baden-Baden. Auch hier landeten wir
letztlich im Archiv, und man versprach recht freundlich, sich innerhalb der
nächsten Stunde zu melden. Es dauerte keine zehn Minuten, bis wir die Antwort
erhielten. Ja, man habe unter dem Datum des 04.11.1974 eine Ausstrahlung
lokalisieren können, sogar ein dazu gehöriges Band. Das Band lagere unter der
Archivnummer 7482062 im externen Archiv in Stuttgart-Endersbach. Technischer
Vermerk: "FA, PAL, 4:3". Wobei FA im Technikerdeutsch für Farbe steht.
Da war es also - wir hatten es gefunden. Ein Band, dass laut dem WDR gar nicht
existieren durfte, ja gar nie produziert wurde. Ein Band, das Personen nicht
kannten, die die Serie von "A-Z" verfolgt hatten. Ein Band, dass seit seiner
Ausstrahlung 1974 offenbar nie wieder ausgestrahlt wurde und mit einer Laufzeit
von 45 Minuten und 35 Sekunden im Archiv schlummerte. Verblüffend ist, dass das
Band keine vier Wochen vor unserer Recherche beim SWR schon einmal angefasst
wurde - am 25.05.2005 für die Archivierung auf Sony IMX. Hierbei handelt es
sich um ein hoch auflösendes, prinzipiell mediumsunabhängiges Digitalformat,
auf das momentan alle alten Zwei- und Ein-Zoll Bänder umkopiert werden. Damit
ist der Bestand nicht nur für die nächsten Jahrzehnte gesichert, sondern IMX
erlaubt noch viel mehr, z.B. das direkte Ausspielen eines MPEG2-Datenstroms,
wie er z.B. für das DVD-Authoring verwendet werden kann. Beste Voraussetzungen
also, die "verschollene Episode" endlich auf DVD zu bringen. Wir baten den SWR
um eine Sichtprüfung des Bandes, um einen Archivierungsfehler auszuschließen.
Doris Teßmer vom WDR war so angetan von dem Ergebnis, dass Sie sofort eine
Prüfung aller in Köln archivierten Bänder zu "Der Sittenstrolch" veranlasste.
Die Information war uns dennoch schon stichhaltig genug, Studio Hamburg zu
informieren. Wir sprachen mit der zuständigen Produktmanagerin,
die uns zu unserem Entsetzen mitteilte, dass wir nun leider zu spät wären - das
DLT (Digital Linear Tape; die Ausgangsbasis für die Herstellung der eigentlichen Glasmaster für die
DVD Produktion im Presswerk) sei bereits fertig. Wir waren "von den Socken" -
denn schließlich hatten wir Studio Hamburg ja bereits vor einigen Tagen über
die fehlende Folge informiert, lediglich den Beweis konnten wir bislang nicht
antreten. Auf die Frage hin, wer denn entscheiden könne, ob man diese
Produktion noch einmal anfassen, oder einfach so veröffentlichen würde,
verwies die Produktmanagerin auf ihren Chef Christoph Kairat. Weitere
Informationen wollte man uns in Hamburg offensichtlich nicht geben.
Wie konnten wir überhaupt etwas finden, das Studio Hamburg, mit seinen
Kontakten zu allen Stationen der ARD, nicht finden konnte? Und warum war man so
borniert, auf ein erstelltes DLT zu pochen, wenn man offensichtlich ein nicht
komplettes Produkt herauszubringen versuchte, das auch noch vom Sinn her den
Anspruch hatte, die fehlenden Folgen der Serie zu präsentieren. Auch wenn durch
das Erstellen eines neuen DLTs natürlich Kosten anfallen (diese fallen darüber
hinaus natürlich auch im Authoring an), hier ging es schließlich um die
Vervollständigung der Serie.
Gänzlich ungewöhnlich war dieses Verhalten für Studio Hamburg indes nicht. Hape Kerkeling verwehrte man jüngst die Mitarbeit an der "Hape Kerkeling Edition", zu der der Entertainer gerne Interviews oder Kommentare beigesteuert hätte. Auch Altrocker Udo Lindenberg ließ man in Hamburg ablitzen bzw. genau dies nicht. Der wollte seine DVD "30 Jahre Udo Lindenberg" nämlich erst gar nicht dort produzieren lassen, sondern lieber auf einen unabhängigen Anbieter setzen. Leider verhinderten rechtliche Probleme, dass ein Independent Hand anlegen durfte und so mussten die Fans u.a. auf eine einstündige Dokumentation aus Udos Privatarchiv verzichten, an der Studio Hamburg einfach nicht interessiert war.
Wir versuchten dennoch zu retten, was zu retten war. In einer langen eMail
legten wir unsere Gründe dar, warum es ungeschickt wäre, eine DVD mit den
"vergessenen" Episoden zu veröffentlichen, nur um dann möglicherweise
feststellen zu müssen, dass man ja wiederum eine Folge vergessen habe. Oder
plante Studio Hamburg etwa noch eine weitere DVD - die "schrecklich vergessene"
Folge, der man dann als Trostpflaster aber gleich noch die zwei
unveröffentlichten Dokumentationen ("Kleiner Mann ganz groß", "Requiem für ein
Ekel") beilegen könnte?
Der
SWR bestätigte unterdessen unsere Vermutung: Das Band war in Farbe. Der WDR
hingegen hatte kein Glück. Obgleich alle Bänder gesichtet wurden, fand man nur
eine Folge, und die war in s/w...
Am 22. Juni erhielten wir vom SWR freundlicherweise eine extra für uns
angefertigte Ansichtskopie direkt aus dem Archiv. Bereits die ersten Bilder, in
Farbe, mit anderem Publikum und einer anderen Exposition mit Schwiegersohn
Michael, der nun, statt Else in s/w, eine Kiste trägt, machten klar: bei dieser
Episode handelt es sich nicht etwa einfach nur um die Farbfassung der bekannten
s/w Folge, sondern um eine Alternativfassung. Eine Fassung, die laut unseren
Unterlagen, seit der Erstausstrahlung 1974, nie wieder gezeigt wurde.
Interessant ist die letzte Texttafel am Ende der Sendung, die besagt, dass es
sich um "Eine Sendung des Südfunks Stuttgart 1974" handele. Sollte das die
Antwort auf "die" Frage sein? Natürlich konnte der WDR nichts zu einer Folge
finden, die beim damaligen SDR produziert wurde. "Der Sittenstrolch" ist damit
die einzige Folge der Serie, die offensichtlich nicht vom WDR, sondern vom SDR
produziert wurde. Oder handelte es sich nur um einen alternativen Abspann für den coproduzierenden Sender? Wie auch immer die Antwort lauten sollte, hier drohte ein echtes Unikat im Archiv zu verstauben.
Am gleichen Tag rief uns Studio Hamburg "DVD-Chef" Christoph Kairat an und
klang, trotz sommerlicher Temperaturen in ganz Deutschland, recht frostig. Unterstützt durch unsere Recherchen war nun Studio Hamburg auf uns aufmerksam geworden, und man hatte unser Schreiben anscheinend mißverstanden. Kairat unterstellte uns eine unterschwellige Drohung in unserem Schreiben.
Dies sei journalistisch auf keinen Fall einwandfrei. Hatten wir da etwas falsch verstanden? Sollte es Sinn der Presse sein, stupide Produktinfos abzutippen? War es plötzlich verboten, investigativ zu recherchieren? War die Ankündigung, dass wir unseren Artikel veröffentlichen würden, als Drohung aufgefasst worden? Ein Hinweis auf die uns bereits vorliegende Kopie verschlimmerte die Situation nur.
Warum wollte man nicht einfach konstruktiv mit uns
zusammenarbeiten? Warum schien man bei Studio Hamburg über unseren Fund eher
entsetzt, als erfreut zu sein? Fragen, die wir nicht stellen wollten, und die
somit zunächst ungeklärt bleiben sollten.
Eine Woche später, genauer gesagt am 01.07.2005, riefen wir bei Herrn
Kairat in Hamburg an, um den Stand der Dinge zu erfahren - und rannten eine
offene Tür ein.
Es war, als habe das Gespräch in der Woche zuvor nie
stattgefunden. Herr Kairat erklärte uns, dass momentan noch die Rechte geklärt
werden müssten, da immer noch nicht ersichtlich war, welcher Sender diese Folge
produziert hatte. Natürlich war es sehr warhscheinlich, dass der WDR doch seine
Finger im Spiel hatte, Beweise gab es aber keine, bzw. nur welche, die auf den
heutigen SWR hindeuteten. Studio Hamburg habe die DVD Produktion gestoppt, hieß
es. Man wolle natürlich auch diese letzte Folge auf DVD veröffentlichen,
verriet uns Kairat und man wolle auch die Kommunikation mit uns pflegen, denn
nur so ließen sich Probleme lösen. Herr Kairat war nun bereit, diesen "30 Jahre alten Schatz
zu bergen". Ein schönes Vorhaben, wie wir finden. Die endgültigen Produktdetails stehen noch aus.
Wir bedanken uns bei Doris Teßmer vom WDR, Thomas Faltenbacher, Andre Bayerle und Stefan Rothmund vom SWR sowie Axel Schneider von zuschauerpost.de für die freundliche und konstruktive Unterstützung bei unseren Recherchen.