Mittwoch, 21. September 2005

Politiker fehlt im neuen Bundestag
Wo ist Mierscheid?


Im allgemeinen Wahl-Tohuwabohu ist es bisher niemandem aufgefallen: Jakob Maria Mierscheid, Deutschlands beliebtester Politiker, ist nicht mehr im Bundestag vertreten.
 
Ein Blick auf die Abgeordnetenliste des 16. Deutschen Bundestages bringt es an den Tag: Unter dem Buchstaben "M" fehlt der Eintrag zu Jakob M. Mierscheid. Der SPD-Vorzeigepolitiker saß 25 Jahre im Parlament. "So außergewöhnlich wie seine Person war sein Einzug in das Parlament, ein Nachrücken", heißt es in einer Festschrift zu seinem 25. Parlamentsjubiläum im Dezember 2004. Leicht kryptisch geht die Laudatio weiter: "Er ist Carlo Schmid nachgefolgt, der am 11. Dezember 1979 gestorben ist, aus dem Bundestag 1972 ausgeschieden war, seinen Wahlkreis in Mannheim hatte, aber an der Spitze der Landesliste der rheinland-pfälzischen SPD stand. Und der keinen wirklichen Nachfolger hatte".
 
Geboren wurde Mierschied am 1. März 1933 in Morbach im Hunsrück. Er ist katholisch, verwitwet und hat vier Kinder. Schon früh engagierte er sich in verschiedenen Vereinen und Organisationen. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Landwirtschaft und Forsten, Mitglied Kleintierzüchterverein Morbach, Mitglied Freiwillige Feuerwehr Morbach, Mitglied der Turnfreunde und Ehrenmitglied des Sängerbundes Freie Gewerkschaft Holz und Kunststoffe.
 
Mierscheid-Gesetz
 
Der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Mierscheid 1983. Durch die Veröffentlichung des so genannten Mierscheid-Gesetzes. Der ehemalige Schneidermeister glaubte die Wahlergebnisse der SPD annähernd exakt voraussagen zu können. Und er lag fast immer richtig. "Widerlegt hat es bisher niemand, ein besseres gefunden auch nicht", schrieb Mierscheid zum 19. Jubiläum seines Gesetzes im März 2002.
 
Aber nicht nur mit Wahlprognosen hat sich Mierscheid einen Namen gemacht. Schwerpunkt seiner politischen Arbeit sind "Allgemeine Sozialfragen, Probleme der Berufsausbildung, Aufzucht und Pflege der geringelten Haubentaube in Mitteleuropa und anderswo, Untersuchung des Nord-Süd-Gefälles im Bundesgebiet".
 
Als einziger Politiker wurde der sympathische Mierscheid schon zu Lebzeiten geehrt. Am 1. April 2004 wurde eine Brücke über die Spree nach ihm benannt. Der betongraue Steg verbindet das Paul-Löbe-Haus mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus im Berliner Regierungsviertel. An der Feierlichkeit konnte Mierscheid nicht teilnehmen. Sein Freund, der frühere SPD-Parlamentarier Dietrich Sperling, entschuldigte ihn. Leider fehlt der Brücke bis heute ein Namensschild. Die Befestigung am Tag der Einweihung schlug fehl. Sperling hatte ungeeignetes Befestigungsmaterial mitgebracht: "Die Bolzen, die wir hatten, erwiesen sich als Nieten."
 
"Ich bin und bleibe in der SPD"
 
Zuletzt stand Mierscheid im Sommer dieses Jahres im Mittelpunkt. Eine Falschmeldung, dass er aus der SPD ausgetreten sei, machte die Runde. Ein Wechsel in das geplante Linksbündnis aus PDS und WASG wurde kolportiert. Mierscheid dementierte umgehend: "Ich bin und bleibe in der SPD. Und ich bleibe im Bundestag. Der Linkspartei muss es dreckig gehen, wenn sie meint, sich mit Falschmeldungen und dem Missbrauch meines guten Namens Aufmerksamkeit verschaffen zu müssen".
 
Viele Zeitgenossen halten Mierscheid übrigens für ein Phantom. Verstärkt wird dieser Eindruck vor allem dadurch, dass Mierscheid selten mit Medien aller Art spricht. Energisch tritt er solchen Spekulationen entgegen: "Ich bin kein Phantom, wie mir manchmal nachgesagt wird, ich bin auch kein Phänomen, man sagt, ich sei einfach phänomenal. Wie der Verfassungsjurist Friedrich Nagelmann und der Berufsdiplomat Edmund F. Dräcker, meine Kollegen bei der Judikative und bei der Exekutive, mit denen ich gern zusammenarbeite gehöre ich zu den Säulen unseres Staatswesens".
 
Recht hat er. Ein Bundestag ohne Mierscheid funktioniert nicht. Deswegen müssen Neuwahlen her.
 
Alexander Hüsing
 




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