Die antike Literatur nennt im wesentlichen zwei Verfahren, Sternpositionen zu "speichern", um sie für künftige Generationen verfügbar zu erhalten: zum einen eine Auflistung in Tabellenform [Dank Vermittlung arabischer Gelehrter ist der 1022 Fixsterne (also alle mit bloßem Auge sichtbare helle Sterne) umfassende Katalog des Ptolemaios in seinem das gesamte astronomische Wissen zusammenfassenden Werk He mathematike syntaxis überliefert (Almagest 7,4-8,1). Rechts als Beispiel das Sternbild Orion aus einer 1515 gedruckten lateinischen Ausgabe.] und zum andern das Eintragen in metallische Himmels(Astral-)globen, ein Verfahren das Ptolemaios direkt im Anschluss an den Sternenkatalog beschreibt (Almagest 8,3). [Für wissenschaftliches Arbeiten wurde der Globus der ebenfalls bekannten Karte, dem Planisphärium, vorgezogen, da sich eine Kugel nicht befriedigend auf eine Fläche projizieren läßt.] Bis jetzt war als einzige antike Darstellung eines Himmelsglobus die links abgebildete Marmorstatue, der sogenannte Atlas Farnese, bekannt, der allerdings nur einen entfernten Eindruck der alten wissenschaftlichen Geräte vermitteln kann und darüberhinaus leicht beschädigt ist, sodass einige Sternbilder fehlen. |
Ansichten der galvanoplastischen Reproduktion. Einen vollständigen
Überblick bieten die sechs
Umzeichnungen.
Quelle: Dir. Dr. E. Künzl, Römisch-Germanisches Zentralmuseum |
Einen Hinweis auf den Verwendungszweck geben ein rundes und ein viereckiges Loch
an den Polen. Der Globus war somit vermutlich oben auf der Spina eines
Gnomon-Obelisken montiert - vergleichbar mit der Kugel auf dem Obelisken der
Sonnenuhr des Kaisers Augustus auf dem Marsfeld in Rom. Der Mainzer Globus
war wohl auf einem etwa mannshohen Gnomon (Schattenzeiger) montiert, der eine
kleine, private Version der gigantischen Sonnenuhr des Augustus darstellt.
Die Anbringung in Kopfhöhe erklärt die
hohe handwerkliche Qualität und Präzision der Ausführung der
Gravuren (Die in Rom aufbewahrten Bronzekugeln von den Obelisken
des Augustus und des Nero haben eine glatte Oberfläche, da sie in fast 30 m
Höhe angebracht waren. Sie weisen aber die gleichen Löcher wie der
"Mainzer Globus" auf.) Andererseits weisen die antiken Quellen darauf
hin, daß der Gnomon von den Griechen anfänglich nicht für die
Bestimmung der Tageszeit, sondern eher für astronomisch-kalendarische
Zwecke benutzt wurde (angefangen bei
Anaximander von Milet im 6. Jahrhundert v.Chr. (siehe nebenstehendes
Mosaik aus Trier, auf dem
er mit einem Gnomon dargestellt ist), der damit die Sonnenwenden und
Äquinoktien bestimmte).
Die bekannteste Anwendung des Gnomons stellt
die
Bestimmung des Erdumfangs mit Hilfe des Brunnens in Syene (Assuan) und der
Messung des Schattens eines Gnomons in Alexandria zur Mittagsstunde eines
21. Juni durch Eratosthenes von Cyrene dar.
Selbst bei den Römern blieb er noch neben
der Anwendung als Sonnenuhr ein Hilfsmittel der gelehrten Forschung.
Weitere Details finden sich auf einer
Web-Seite
sowie in Veröffentlichungen Dr. E. Künzls: Ein antiker Astralglobus aus dem römischen Kaiserreich. Der älteste vollständig erhaltene Himmelsglobus in Sterne und Weltraum, 1/1998, S. 28-33 sowie die umfangreiche Monographie Der Globus im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz: Der bisher einzige komplette Himmelsglobus aus dem griechisch-römischen Altertum in Der Globusfreund No. 45/46 (1997/1998), Wien 1999, pp. 7-80(deutsch) bzw. pp. 155-175(english) |
Für an der Geschichte der Astronomie interessierte Leser sei noch auf
eine Arbeit hingewiesen, in der der Mainzer Globus erwähnt ist. Prof.
Stückelberger gelang es ausgehend von Ptolemaios "Bauanleitung"
in Almagest 5,1 eine funktionierende Rekonstruktion desjenigen Instrumentes zu
bauen, mit dem die antiken Astronomen ihre noch heute bewunderten präzisen
Postionsbestimmungen der Wandel- als auch der Fixsterne vornamen: dem
Astrolab (oder auch Meteoroskop genannt). [Dieses hochkomplizierte
Messgerät sollte nicht mit dem später von den Arabern für
mobilen Einsatz
entwickelten vereinfachten (planisphärischen) Astrolabium und der ähnlich
aussehenden Armillarsphäre verwechselt werden.]
[Alfred Stückelberger: Der Astrolab des Ptolemaios; ein
antikes astronomisches Messgerät in
Sterne und Weltraum April
1999, S. 351 sowie Antike Welt 29 (1998) 377-383]
Anmerkung: Die damit erreichbare Präzision von 5 Bogenminuten reichte jedoch nicht aus, um die Parallaxe der Fixsterne zu bestimmen. Deshalb verwarfen die antiken Astronomen das u.a. von Aristarchus von Samos vorgeschlagene heliozentrische System zugunsten des geozentrischen Systems (das dann in der Fassung von Ptolemaios anderthalb Jahrtausende vorherrschte), da die Alternative, eine praktisch unendlich entfernte (überdies materielle) Himmelssphähre undenkbar war (Eine Zusammenstellung der Argumente pro und contra findet sich z.Bsp. in Ptolemaic System of the World 7.2.. Eine Zusammenstellung der antiken Messungen von Entfernungen im Sonnensystem gibt Fowlers Vorlesungsskript Measuring the Solar System.). Den experimentellen Nachweis der Parallaxe erbrachte erst um 1835 F.W. Bessel am Stern 61 Cygni. Selbst die Parallaxe des sonnennächsten (mit bloßem Auge sichtbaren) Sterns a Centauri liegt mit einem Wert von 0,742 Bogensekunden noch um einen Faktor 400 unter der im Altertum erreichbaren Messgenauigkeit.