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Der "Mainzer Globus"

im Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Mainz

Der Beitrag Sternenhimmel vor 2000 Jahren in der Mainzer Rhein-Zeitung Nr. 304, Silvester 1999 über den seit zwei Jahren im Römisch-Germanischen Museum ausgestellten ältesten erhaltenen Astralglobus aus dem römischen Kaiserreich veranlasste den Web-Master, eine Suche nach weitergehender Information zu unternehmen:
Die für die Mehrzahl der Amateurastronomen zugänglichen Artikel fanden sich in der Zeitschrift Sterne und Weltraum, und zwar in den Ausgaben Januar 1998 sowie April 1999.

Die antike Literatur nennt im wesentlichen zwei Verfahren, Sternpositionen zu "speichern", um sie für künftige Generationen verfügbar zu erhalten: zum einen eine Auflistung in Tabellenform [Dank Vermittlung arabischer Gelehrter ist der 1022 Fixsterne (also alle mit bloßem Auge sichtbare helle Sterne) umfassende Katalog des Ptolemaios in seinem das gesamte astronomische Wissen zusammenfassenden Werk He mathematike syntaxis überliefert (Almagest 7,4-8,1). Rechts als Beispiel das Sternbild Orion aus einer 1515 gedruckten lateinischen Ausgabe.] und zum andern das Eintragen in metallische Himmels(Astral-)globen, ein Verfahren das Ptolemaios direkt im Anschluss an den Sternenkatalog beschreibt (Almagest 8,3). [Für wissenschaftliches Arbeiten wurde der Globus der ebenfalls bekannten Karte, dem Planisphärium, vorgezogen, da sich eine Kugel nicht befriedigend auf eine Fläche projizieren läßt.] Bis jetzt war als einzige antike Darstellung eines Himmelsglobus die links abgebildete Marmorstatue, der sogenannte Atlas Farnese, bekannt, der allerdings nur einen entfernten Eindruck der alten wissenschaftlichen Geräte vermitteln kann und darüberhinaus leicht beschädigt ist, sodass einige Sternbilder fehlen.
Ansichten der galvanoplastischen Reproduktion. Einen vollständigen Überblick bieten die sechs Umzeichnungen.
Quelle: Dir. Dr. E. Künzl, Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Das RGZM besitzt nun einen kompletten römischen Astralglobus aus der Zeit zwischen 150 und 220 n.Chr. Er besteht aus zwei Messinghalbschalen mit 11 cm Durchmesser am Äquator, auf denen 48 Sternbilder mit Linien und Punkten eingraviert sind (damit ist er viel kleiner als die verlorengegangenen wissenschaftlichen Geräte, auf denen die Sterne selbst eingetragen waren). Darüberhinaus verfügt er über ein Koordinatensystem, das den Himmelsäquator, die Ekliptik mit dem Zodiacus, die Linien des Frühjahrsbeginn und des Herbstanfangs (Äquinoktien) sowie die Linien der Sommer- und der Wintersonnenwende (Solstitien) umfasst. Ausserdem sind die Wendekreise des Krebses und des Steinbocks zu erkennen. Besonders bemerkenswert ist, dass hier die älteste komplette Darstellung unserer Milchstraße vorliegt.


Schematische Ansicht der Horologium Augusti auf dem Marsfeld.
Einen Eindruck vom heutigen Standort vermitteln die Bilder in 13 Obelisks, Part I, sect. 4.

Einen Hinweis auf den Verwendungszweck geben ein rundes und ein viereckiges Loch an den Polen. Der Globus war somit vermutlich oben auf der Spina eines Gnomon-Obelisken montiert - vergleichbar mit der Kugel auf dem Obelisken der Sonnenuhr des Kaisers Augustus auf dem Marsfeld in Rom. Der Mainzer Globus war wohl auf einem etwa mannshohen Gnomon (Schattenzeiger) montiert, der eine kleine, private Version der gigantischen Sonnenuhr des Augustus darstellt.
Die Anbringung in Kopfhöhe erklärt die hohe handwerkliche Qualität und Präzision der Ausführung der Gravuren (Die in Rom aufbewahrten Bronzekugeln von den Obelisken des Augustus und des Nero haben eine glatte Oberfläche, da sie in fast 30 m Höhe angebracht waren. Sie weisen aber die gleichen Löcher wie der "Mainzer Globus" auf.) Andererseits weisen die antiken Quellen darauf hin, daß der Gnomon von den Griechen anfänglich nicht für die Bestimmung der Tageszeit, sondern eher für astronomisch-kalendarische Zwecke benutzt wurde (angefangen bei Anaximander von Milet im 6. Jahrhundert v.Chr. (siehe nebenstehendes Mosaik aus Trier, auf dem er mit einem Gnomon dargestellt ist), der damit die Sonnenwenden und Äquinoktien bestimmte).
Die bekannteste Anwendung des Gnomons stellt die Bestimmung des Erdumfangs mit Hilfe des Brunnens in Syene (Assuan) und der Messung des Schattens eines Gnomons in Alexandria zur Mittagsstunde eines 21. Juni durch Eratosthenes von Cyrene dar.
Selbst bei den Römern blieb er noch neben der Anwendung als Sonnenuhr ein Hilfsmittel der gelehrten Forschung.
Weitere Details finden sich auf einer Web-Seite sowie in Veröffentlichungen Dr. E. Künzls:
Ein antiker Astralglobus aus dem römischen Kaiserreich. Der älteste vollständig erhaltene Himmelsglobus in Sterne und Weltraum, 1/1998, S. 28-33
sowie die umfangreiche Monographie
Der Globus im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz: Der bisher einzige komplette Himmelsglobus aus dem griechisch-römischen Altertum in Der Globusfreund No. 45/46 (1997/1998), Wien 1999, pp. 7-80(deutsch) bzw. pp. 155-175(english)

Für an der Geschichte der Astronomie interessierte Leser sei noch auf eine Arbeit hingewiesen, in der der Mainzer Globus erwähnt ist. Prof. Stückelberger gelang es ausgehend von Ptolemaios "Bauanleitung" in Almagest 5,1 eine funktionierende Rekonstruktion desjenigen Instrumentes zu bauen, mit dem die antiken Astronomen ihre noch heute bewunderten präzisen Postionsbestimmungen der Wandel- als auch der Fixsterne vornamen: dem Astrolab (oder auch Meteoroskop genannt). [Dieses hochkomplizierte Messgerät sollte nicht mit dem später von den Arabern für mobilen Einsatz entwickelten vereinfachten (planisphärischen) Astrolabium und der ähnlich aussehenden Armillarsphäre verwechselt werden.]
[Alfred Stückelberger: Der Astrolab des Ptolemaios; ein antikes astronomisches Messgerät in
Sterne und Weltraum April 1999, S. 351 sowie Antike Welt 29 (1998) 377-383]

Anmerkung: Die damit erreichbare Präzision von 5 Bogenminuten reichte jedoch nicht aus, um die Parallaxe der Fixsterne zu bestimmen. Deshalb verwarfen die antiken Astronomen das u.a. von Aristarchus von Samos vorgeschlagene heliozentrische System zugunsten des geozentrischen Systems (das dann in der Fassung von Ptolemaios anderthalb Jahrtausende vorherrschte), da die Alternative, eine praktisch unendlich entfernte (überdies materielle) Himmelssphähre undenkbar war (Eine Zusammenstellung der Argumente pro und contra findet sich z.Bsp. in Ptolemaic System of the World 7.2.. Eine Zusammenstellung der antiken Messungen von Entfernungen im Sonnensystem gibt Fowlers Vorlesungsskript Measuring the Solar System.). Den experimentellen Nachweis der Parallaxe erbrachte erst um 1835 F.W. Bessel am Stern 61 Cygni. Selbst die Parallaxe des sonnennächsten (mit bloßem Auge sichtbaren) Sterns a Centauri liegt mit einem Wert von 0,742 Bogensekunden noch um einen Faktor 400 unter der im Altertum erreichbaren Messgenauigkeit.

Doch das Lesen einer Web-Seite kann selbstredend die eigene Sinneswahrnehmung nicht ersetzen.
Wer es also ermöglichen kann:
Römisch-Germanisches Zentralmuseum in Mainz besuchen!



Ein Pariser Antiquariat bot Ende 2002 einen ähnlichen Himmelsglobus aus Silber an. Eine Beschreibung dieses Objektes mit kritischen Anmerkungen zur Authentizität (mit Querverweisen auf den "Mainzer Globus") findet sich auf den Web-Seiten des Antiquariats: Silver celestial globe from antiquity von Hélène Cuvigny.
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