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Hundezonen - ein schwieriges Terrain für Stadtplaner

Stadthund sucht seinesgleichen

Von Ilse Huber

Arenbergpark, Freitag 13 Uhr. Ein warmer Herbsttag. Die Bäume und die Bänke locken Stressgeplagte in der Mittagspause hinaus ins Grün. Im Zentrum der Anlage befindet sich sogar eine Lagerwiese - Hundeverbot. Theoretisch. Wenn da nicht der Dobermann wäre, der folgsam seinem Herrn den Ball apportiert. Abgesehen von den fünf weiteren Hunden, die das Areal queren. Doch die halten sich immerhin hier nicht auf. Ihre Besitzer leiten sie in die eigens für sie eingerichtete Hundezone. Mehr noch: Hundeauslaufzone. Dort genießen die Struppis und Strolchis Bewegungsfreiheit. Ohne Leinenzwang, aber mit Trinkbrunnen und Artgenossen.

Vor zehn Jahren gab's das noch nicht. Hunde(auslauf)zone. Kinderspielplätze waren bekannt, aber eigene Zonen für die befellten Hausgenossen? Diese Bereiche sind notwendig, schaffen Frieden zwischen den verschiedenen Parkbesuchern, wollte man meinen. Mit gemischtem Erfolg, wie die obige Beobachtung zeigt. Manche nutzen die für sie geschaffenen Gebiete, andere bleiben provokant draußen. Persönliche Einstellungen werten darin entweder Schutz oder Unfreiheit, je nachdem. Verglichen mit dem vergangenen Dezennium steigt neben dem Verlangen nach Freiräumlichkeiten für Kinder auch jenes für Hunde. Es werden ja auch immer mehr in der Stadt, Vierbeiner versteht sich.

Dort wo Masse auftritt, ist Macht auch nicht weit. Resultat: Konflikte. Und dann muss der Gesetzgeber her und juristisch Abhilfe schaffen. Meistens kommen dann irgendwelche Tafeln heraus. Verbots- und Gebotsschilder oder - wie bei den Hunden - auch grüne Erlaubniszeichen. Und ändert's was? Der Umgang mit der undurchschaubaren Hundeseele sowie derjenigen seines Besitzers lässt kuriose Blüten treiben im Stadtleben.

Hunde-Umgangsformen

Was hat man nicht schon alles versucht. Der Hund soll sich wohlfühlen, sein Besitzer soll sich wohlfühlen und seine Mitwelt ebenso. "Hundediskussionen gehen ans Gemüt. Da will jeder Recht haben", schildert Thomas Ster, Stadtgartendirektor von Graz, seine Erfahrungen. Für jemanden, der die öffentlichen Grün- und Freiflächen betreut, sind die anstehenden Entscheidungen eine Gratwanderung. Hundezonen verursachen Kosten für die Errichtung und die weitere Pflege. Mit dem Risiko, dass sie nicht angenommen wird, und die gegenwärtige Situation nur um eine Abgrenzung reicher macht? Wenn die Anliegen der Betroffenen nicht richtig aufeinander abgestimmt werden, ist jedes Angebot sinnlos. Nur einfach Schilder aufzustellen und eine Fläche abzugrenzen genügt nicht. Ansichts- und Informationsmaterial ersetzen keinen Menschen. Hinter einem Projekt müssen so viel Befürworter als möglich stehen. Ster verweist auf ein geglücktes Beispiel in Graz. Gemeinsam mit den Anrainern wurde in einem dicht verbauten Gebiet ein Park errichtet. Auf Wunsch der Bewohner sollten Hunde draußen bleiben. Und sie bleiben es auch. Die Wachsamkeit der Nachbarn ersetzt massive, wenn auch stumme Gitter. Zäune, die man sieht, sind allzu häufig Anlass für Nichtbeachtung. Verärgerte Passanten, die sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sehen, treffen auf beleidigte Hundebesitzer, die sich nicht in Schranken weisen lassen möchten. Pattstellung.

Das möchten sich wohl Linz und Salzburg ersparen und verzichten auf spezielle Hundebereiche. Ist genügend Platz vorhanden, geraten kaum Kinder, Sportler, Sonnengenießer mit den Hunden und ihren Besitzern aneinander. Wird es eng im innerstädtischen Bereich, nützen auch keine Absperrungen, ist man in Linz überzeugt. Maulkorb oder Leinenzwang machen die Hundehaltung nicht artgerechter. In Salzburg regen sich deshalb auch politische Stimmen, die Freilaufflächen einfordern. Die Landtagsabgeordnete Gertraud Wagner-Schöppl will das durch eine zweckgebundene Verwendung der Hundesteuer verwirklicht sehen. Die Miete der Hundefreilaufflächen könnten daraus genauso bezahlt werden wie Kotbeseitigungen.

Der Hund sucht seinesgleichen. Er will ihn riechen können. Das soll auch Kaiserin Elisabeth bewogen haben, die Wiese auf dem Heldenplatz für Hunde frei zu machen.

Dass die Historie skurrile Anekdoten parat hat, wissen Teilnehmer diverser Stadtführungen zur Genüge. Nicht zuletzt stammt aus dem Repertoire der Wienführung die Überlieferung, dass Hundebegleitung nicht immer hoch angesehen war. Kleine Hündchen auf dem Arm eines Adeligen wurde als unwürdig erachtet. Eine Schmach, die eine Art Ehrenstrafe darstellte, wenn sich der edle Herr etwas zu schulden kommen ließ.

Pudel, Chow-Chow und Co sind Mitbewohner, Mitläufer, aber auch Mitverdauer. Spätestens, wenn die Schuhsohlen verdächtig duften, steigt der Groll.

Zuerst über die eigene Unachtsamkeit, dann, bei häufigerem Auftreten, über den Zustand an sich. Es mangelt nicht an vielversprechenden Versuchen zur Verbesserung der Situation. Einer der ersten waren die Gassiautomaten. Sie spendeten Plastiksackerl und Papier, um das Ausgeschiedene der Vierbeiner an Ort und Stelle zu entsorgen. Vorbild war New York, doch Amerika ist weit. Einige wenige nutzen dieses Angebot zur Säuberung. Durchgesetzt hat sich diese Form der Eigenverantwortung aber nicht. Doch der Optimismus reißt nicht ab: auch heute noch stehen vereinzelt diese Spender in den Straßen. Im Endeffekt muss die Allgemeinheit aufkommen.

Ein Wiener Projekt ließ Arbeitslose die Hundstrümmerl einsammeln. Ein weiteres brachte eine speziell gebaute Maschine, das Hundegassi, hervor. Letzteres arbeitete im Dienste des Magistrats für Stadtreinigung gerade ein paar Monate, ehe es wegen Unwirtschaft-

lichkeit wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Das durchschlagende Rezept fehlt noch. Mit Duftstoffen anlocken und speziellen Organismen kompostieren - die Ausscheidungsprodukte überleben alle Einfälle.

Die Bundeshauptstadt bemüht sich um weitreichende Lösungen. Hundezonen, die entlang des Gehsteigs verlaufen, sollen die Vierbeiner konzentriert um ihre Geschäft bitten und nicht wahllos im gesamten Parkbereich verteilen lassen. Was früher nur ein Stück eingezäunte Wiese war, soll auch ästhetische Ansprüche erfüllen: Die Wiesenflächen werden mit Bruchsteinen bestückt, mit Bodenwellen aufgelockert, mit einem gepflasterten Rinnsal - zur leichteren und wirkungsvolleren Entsorgung - versehen.

Exklusivere Varianten bieten den Hunden Tränken und Sitzmöglichkeiten für ihre Besitzer. Wer es aushält ob des Geruches. Doch auch daran arbeitet die Stadt. Inzwischen ist die dritte Version eines professionellen Hundeklos in Ausarbeitung. Dabei entsorgen umgebaute Beregnungsdüsen in nächtlicher Aktion das Ausgeschiedene. Unter menschlicher Mitarbeit gelangen die Verdauungsresultate direkt in den Kanal. Damit das Spülen leichter vonstatten geht, soll Asphalt die Wiese künftig ablösen. Den Hunden ist's angeblich einerlei auf welchen Grund sie ihre Pfote setzen.

Platz da

Eine meist nachdrückliche Forderung in dichtbesiedelten Räumen. Auf der Straße geht's nicht anders zu als in den öffentlichen Grünanlagen. In einer Stadt wächst das Bedürfnis nach Natur mit dem Grauanteil der Umgebung. Das Lebendige will gefunden sein. Der eine sucht's beim Lebewesen, der andere im Lebensraum. Die Vierbeiner haben ohne ihr Wissen Gestaltungsmacht bekommen. Ihr häufiges Auftreten in den Ballungsräumen beschäftigt die Köpfe der Stadtväter. Platz da, rufen hundelose Parkbesucher sowie Personen in Hundebegleitung. Tatsache ist, dass in Wien 817.770 m² ausgewiesene Hundezonen 43.173 angemeldeten Hunden gegenüber stehen.

Rein offiziell hat jeder registrierte Hund knappe 19 m² Freifläche zur Verfügung. Der Wiener Stadtentwicklungsplan 1994 gesteht seinen städtischen Bewohnern rund 3,5 m² wohngebietsbezogene Freifläche zu. Darunter fallen städtische Parks, Spiel- und Freiflächen, ausgenommen Sportflächen, stadtteilbezogene Grünflächen (z. B. Wienerwald) und private Gärten. Für dieses Missverhältnis gibt es mehrere Interpretationen. Entweder ergreift der Mensch für seinen Hund sehr effizient Partei oder die Dunkelziffer von hundemarkenlosen Hunden ist sehr hoch (s. Kasten) oder die kleinen und größeren Mitmenschen haben wirklich das Nachsehen.

In den städtischen Grünräumen herrscht strikte Raumeinteilung: Kleinkinder hier, Ballspieler dort, Schachbegeisterte hier, Blumenliebhaber dort. Im Extremfall fühlt sich eine Gruppe von der anderen bedrängt und fordert Spezialeinrichtungen. Wenn Hunde auf Kleinkinder treffen, steigt bei beiden der Adrenalinspiegel. Um negative Zusammenstöße abzuwenden, wird räumlich getrennt. Neueste Errungenschaft: der Dog stopp. Waagrecht im Boden verlegte Gitterroste schirmen die eine Zone von der anderen ab. Je scharfkantiger die Oberfläche, desto unangenehmer für die Hundepfote. Wenigstens Hygiene und Sicherheit gebührt den Kleinsten in ihrem Bereich.

Die Voraussetzungen schaffen, sind ein erster Schritt, einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, der nachfolgende. Bei manchen Stadtgärtnern macht sich Resignation breit. Ohne Beobachtung passiert nichts. Doch wer soll das tun? Die beste Hundezone nutzt nichts, wenn sie nicht respektiert wird. Die Beschwichtigungen mancher Hundebesitzer wie "der tut eh nix" oder "die Eltern geben ihre Angst vor Hunden den Kleinen weiter" tragen wenig zur Beruhigung bei.

Die Stadtgärtner wünschten sich eine Person, die als Ansprechpartner im Park anwesend wäre. Zur Hunde-Konfliktbehebung. Durch Zusammenreden. Damit auch der Hundebesitzer den Luxus anerkennt, Raum zur Verfügung zu bekommen und den auch anzunehmen.

Letztlich kann sich jeder Hund glücklich schätzen in keiner anderen Stadt leben zu müssen, wo er als Straßenköter ein kärgliches und gefährliches Dasein fristen würde. Und er kann froh sein, den Boden unter seinen Füßen betreten zu dürfen. Anders als das reiche Metropolen wie Singapur durch hohe Abgaben zu verhindern wissen.

Freitag, 05. Oktober 2001

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