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Wein für den japanischen Kaiser

Die Geschichte der "Tenno"-Cuvée - von Tajimi bis ins burgenländische Kleinhöflein
Von Ingeborg Waldinger

Tajimi, im japanischen Verwaltungsdistrikt Gifu. Eine markante katholische Glaubensstation prägt die Stadt im Nordosten des Hafens Nagoya. Die Klosteranlage wurde 1930 von der "Societas verbi divini" (Kongregation der Steyler Missionare) errichtet - als Mutterhaus für deren japanische Mission.

Im Jänner 1938 treffen acht österreichische Glaubensboten in der Mission Tajimi ein. Eine lange Reise geht zu Ende. Die Überfahrt auf dem modernen Ozeanriesen "Bremen" des Norddeutschen Lloyd hat tiefe Eindrücke hinterlassen, desgleichen die flüchtige Begegnung mit dem Orient. Als letzte Etappe ein Stück Bahnfahrt zweiter Klasse im Land der aufgehenden Sonne. Dies und vieles andere mehr berichtet "Bruder Matthias" seinen fernen Lieben, Mitgliedern der Winzerfamilie Kaiser im burgenländischen Kleinhöflein. Es waren private Gründe gewesen, die den blutjungen Mann in die Mission aufbrechen ließen. Und es war seine Winzerkompetenz, die ihn zum "missionarischen" Weinmacher prädestinierte.

Weinbau in Missionsstation

Vierzehn Jahre lang sollte Bruder Matthias den Weinbau der Missionsstation Tajimi leiten. Seine lange verschollenen Briefe enthalten Abhandlungen über die dortige Weinkultur: über die traditionelle Pergola-Anbauweise, den klimabedingten geringen Süßegehalt der Trauben, das Aufbessern des Mostes durch griechische Rosinen und Zucker. Einem Schreiben liegt gar ein originales Weinetikett aus der Mission bei (siehe Abbildung). Die Liste der verwendeten Rebsorten dokumentiert auf eindrucksvolle Weise die zahlreichen Rebgutimporte aus Europa (wohl auch aus Amerika, zumal Hybride aus der Neuen Welt in Japan sehr gut gedeihen).

In der Mission kultiviert man Müller-Thurgau und Moselriesling, Sauvignon blanc, Portugieser und Roten Muskateller. Andere Rebsorten geben önologische Rätsel auf: Woher kam der "Mirus"? Meint der Briefeschreiber mit "Breiton" vielleicht den an der Loire als Breton bezeichneten Cabernet franc? Um welche Sorte handelt es sich beim "Brilland"? Könnte mit "Melo" die in Frankreich für Chardonnay beziehungsweise Muscadet gebräuchliche Bezeichnung Melon blanc gemeint sein? Welche Rebsorte haben wir uns unter "Napoléon" vorzustellen, welche unter "Beri Herbert"?! Legt letztere eine Spur ins burgundische Berry? Solche Alltagsdokumente erschließen interessante Kapitel der Weingeschichte.

Natürlich findet sich auf der Rebenliste des japanischen Klosterweingutes auch die Koshu-Rebe. Die einzige in Japan heimische Vitis Vinifera-Sorte (eine Sämlingsrebe) wurde schon 1186 in den Weinbergen am Fuße des Fujiyama und westlich von Tokio angebaut. Buddhistische Mönche hatten die Rebe über das ganze Land verbreitet. Sie liefert frische, fruchtige Weißweine.

Bruder Matthias erwähnt auch die verwendeten Unterlagsreben, etwa die - noch heute in Österreich gängigste - Kober 5BB, oder die Vitis Berlandieri. Das Missionsgut Tajimi produziert aber nicht nur für den eigenen Bedarf. Während des Zweiten Weltkriegs versorgt es die gesamte katholische Kirche Japans mit Wein. Ein kleiner, feiner Teil der Produktion soll indes für den Hof des japanischen Kaisers bestimmt gewesen sein.

Wie die Reben hat auch "Matthias" (eigentlich Stefan) Kaiser Probleme mit Japans extremer Witterung: klirrende Winter, heftige Sommerregen und Tropenwinde bieten alles andere denn harmonische Wetterbedingungen. Der Glaubensbruder kehrt später in seine Heimat zurück. Mit ein paar "japanischen" Rotweinreben im Gepäck, die schließlich Wurzeln im Kleinhöfleiner Boden schlagen. So wie auch der Missionsmann, der eine Familie gründet und das elterliche Weingut weiterführt. Seinem Sohn Rudolf bringt der - mittlerweile viersprachige - Altmeister ein paar Brocken Japanisch bei. Mit der Rezitation fernöstlicher Begrüßungsformeln sichert sich der Kleine Applaus bei den Hausgästen.

Die Jahre ziehen ins Land, Sohn Rudolf sammelt erste eigenständige Branchenerfahrungen. Im Alter von sechzehn wird er Kellermeister der Winzergenossenschaft Großhöflein. Wenig später tritt er die gleiche Funktion im Eisenstädter Schlossweingut der Familie Esterházy an und bleibt dort für viele Jahre. Anno 1977 übernimmt Rudolf Kaiser den väterlichen Weinbaubetrieb. Das Interesse an Neuem treibt ihn wiederholt in die Fremde. Intensiv setzt er sich mit der Kelterkunst der Franzosen und Italiener auseinander, sucht deren Traditionen für eigene Kreationen fruchtbar zu machen.

Eines Tages entsinnt er sich der "japanischen" Reben im eigenen Weingarten, und baut diese versuchsweise aus. Ein dunkelroter, "kerniger" Tropfen mit hohem Gerbstoffanteil ist das Resultat. Ein Kleinhöfleiner "tinto", der sich zu einer vielversprechenden Cuvée verschneiden ließe. Doch das Experiment bleibt ein Privatvergnügen. Denn es fällt in die Ära des österreichischen "Weinskandals": Der Gesetzgeber reagiert mit einem rigorosen Cuvée-Verbot, erlaubt nur noch den Ausbau sortenreiner Weine. Also wendet sich Rudolf Kaiser neuen Abenteuern zu. Er entsinnt sich der Piemonteser Weine und ihrer betörenden Note. Die stammt zum Teil vom Fass, genauer gesagt, vom Holz der Edelkastanien. Kaiser lässt Barriques aus Kärntner Edelkastanie fertigen und seinen Cabernet-Sauvignon im extraktsüßen Holzfass reifen. Dies rundet die Tannine ab und verleiht dem Wein eine zarte Zimtnote.

Kaisers Cabernet-Sauvignon wächst an den geschützten Südhängen des Leithagebirges. Eine spezielle Lage in 360 Metern Seehöhe wiederum ist für den Pinot Noir reserviert. Die Rieden profitieren vom Waldsaum des Leithagebirges, der das sonnige Plateau gegen die kalten Nordwinde abschirmt. Der sandige Schieferboden mit seinen Kalkmuschelablagerungen bietet auch gute Bedingungen für den Chardonnay.

Je tiefer die Lagen, desto lehmiger das Terroir. Hier gedeihen Zweigelt, Blaufränkisch und Syrah. Die Weißweinsorten Grauer und Weißer Burgunder, Welschriesling und Sauvignon blanc ergänzen das Angebot. Welche Lage auch immer: Rudolf Kaiser verzichtet weitgehend auf chemischen Dünger, setzt auf dezimierten Hektarertrag. Welche Rebsorte auch immer: Der Winzer hat sich einer trockenen Ausbauweise verschrieben. Buttrige Chardonnays sind ebenso wenig seine Sache wie marmeladig-fette Cabernets. Duftig will er seine Weißen, mit einer schönen, deutlichen Frucht. Damit war er ein Neuerer, zumindest im Burgenland der späten 1970er Jahre, als noch alle in die Geschmacksrichtung "lieblich" gingen.

Auch im Rotweinausbau verfolgt der Kleinhöfleiner Winzer seit je eine eigene Linie. Sein elegant strukturierter, in neuen Eichenfässern ausgebauter Pinot noir verbucht in Übersee große Erfolge. Ja sogar eine kritische burgundische Fachdelegation zeigte sich von der Qualität kürzlich restlos überzeugt. "Kaiserweine" sind zu 80 Prozent Rotweine. Seit dem Jahr 1997 keltert man den Spitzenwein "Tenno", eine Reminiszenz an das Japan-Abenteuer des Matthias

Kaiser. Zur Trägersorte dieser Cuvée, Cabernet-Sauvignon, kommen Blaufränkisch, Zweigelt, Merlot und jene ein, bis - na ja - anderthalb Prozent, die wohl das Geheimnis jeder vorzüglichen Cuvée bleiben. Kaisers "Tenno" reift 18 bis 24 Monate in neuen Barriques aus Allier-Eiche heran, in den Tiefen des "Winzer-Schlössls", einem aufwändig restaurierten historischen Gebäude.

Dieses war im Jahre 1492 von Fürst Esterházy erbaut worden und diente als Zehentkeller, wo die Winzer den "zehnten Teil" ihrer Ernte an den Fürsten ablieferten. Soweit der offizielle Teil der Geschichte. Die verzweigten Gewölbe erfüllten aber noch einen anderen Zweck: sie führten zu einem geheimen unterirdischen Fluchtweg, für den Fall, dass des Fürsten Schloss jemals belagert werden sollte. Es kam nie dazu.

In den 1950er Jahren vermachten die Esterházys ihren Zehentkeller der Freistadt Eisenstadt, welche das fürstliche Geschenk sogleich an die Winzer von Großhöflein weiterreichte - mit der Auflage, es einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen. Als Initiator der alsbald gegründeten Winzergenossenschaft von Großhöflein firmierte wiederum ein Mitglied der Familie Kaiser. Der Weinskandal bereitete der Kooperative ein vorzeitiges Ende, das Gebäude harrte neuer Nutzung.

Vom Kaiser für den Kaiser

Rudolf Kaiser erwarb den Keller, erweiterte ihn und stattete ihn mit modernster Kellereitechnik aus. In den oberen Räumlichkeiten wird das Sortiment des Hauses präsentiert. Zu den international beachteten und prämierten Kreationen des Hauses zählt natürlich die Spitzencuvée "Tenno". Wein vom Kaiser für den Kaiser? Es begab sich vor drei Jahren, auf einer Automesse in Japan. Ein dort anwesender burgenländischer Geschäftsmann präsentierte an seinem Stand auch den "Tenno"-Wein. Als der - leibhaftige - Tenno persönlich erschien, bat ihn erwähnter Messeteilnehmer beherzt zur Degustation und überreichte seiner Hoheit ein paar Exemplare der dionysischen Botschaft aus Kleinhöflein. Dass des japanischen Kaisers Vorfahren wahrscheinlich auch von jenem Wein getrunken haben, welchen des Kleinhöfleiner Kaisers Vater in der Mission Tajimi gekeltert hatte, gehört zu den schönen Zufällen dieser Geschichte.

Seit kurzem arbeitet der in Klosterneuburg zum Weinbaufachmann ausgebildete Sohn Kurt im Betrieb von Judith und Rudolf Kaiser mit. Auch ihn zieht es - wie schon den Großvater und den Vater - in ferne Weinwelten, diesmal nach Australien und Nordamerika. Die Kleinhöfleiner Winzerfamilie hält schöne Weinkreationen bereit - und den wenig überraschenden Rat: Rebensaft ist gesund. Deshalb ruft die "Kaiserliche" Hausbroschüre die historisch verbürgte Heilkraft des Weines in Erinnerung. Lang ist die Liste der positiven Auswirkungen mäßigen Weinkonsums. Wer wollte sich solch rosigen Aussichten verschließen wie: "Erhöhung der geistigen Frische . . ., Zunahme des intellektuellen Leistungsstoßes; Kreativitäts-/Phantasiezunahme . . ."

Informationen: Weingut Familie Rudolf Kaiser, Kleinhöflein bei Eisenstadt;

Tel.: 26 82/67 100.

http://www.weingut-kaiser.at

Freitag, 14. Jänner 2005

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