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Helmut Schmidt (Bild: NDR/face to face/Tjaberg)

Helmut Schmidt 



 
 
Helmut Schmidt (Bild: NDR/face to face/Tjaberg)

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Helmut Schmidt (Bild: NDR/face to face/Tjaberg)

Helmut Schmidt 



Sendung vom Montag, 11.07.2005
Erstsendung: 13.12.2004

Helmut Schmidt (Bundeskanzler a.D.)
Er meidet Talksendungen, doch für "Beckmann" machte Altkanzler Helmut Schmidt eine Ausnahme. Zehn Tage vor seinem 86. Geburtstag trat er als alleiniger Gast auf. Solo für Deutschlands vielleicht größten Staatsmann – und Rückblick auf ein reiches, bewegtes Politikerleben. Unter Willy Brandt war er Verteidigungs- und Finanzminister, von 1974 bis 1982 Bundeskanzler.

Politische Gegner haben ihn – "Schmidt-Schnauze" – wegen seiner scharfsinnigen Rhetorik stets gefürchtet. Für Gerhard Schröder ist Helmut Schmidt Vorbild und Ratgeber – und erntet bei "Beckmann" zumindest Schmidtsche Anerkennung für seine Beharrlichkeit: "Gegenwärtig ist es in Deutschland nicht so, dass Politiker durch Tapferkeit herausragen. Das kann man nicht sagen. Schröder hat sich mit seiner Agenda 2010 durchgesetzt – tapfer."

Die Belastungen der politischen Karriere haben bei Schmidt gesundheitliche Spuren hinterlassen. Schon während seiner Kanzlerschaft 1974 bis 1982 bekam er schwere Herz-Rhythmus-Störungen, vor zwei Jahren erlitt er einen Herzinfarkt. Tragisch für den leidenschaftlichen Musikliebhaber: sein schwindendes Hörvermögen. "Mein Musikgehör ist beinahe total verschwunden. Was ich hören kann: eine Oboe oder ein Cello in niedrigen Tonlagen. Aber wenn es zwei Instrumente sind oder beim Klavier – das funktioniert nicht."

Zur Ruhe setzen will Schmidt sich noch lange nicht. Allerdings erzählt Schmidt bei "Beckmann" von ernsthaften Rückzugsgedanken in den 60er Jahren. "Ich war in der Versuchung, aus der Politik auszusteigen. Ich wurde langsam 50 Jahre alt und war ohne Altersversorgung und ohne Vermögen. Und ich wusste, wenn man den 50. Geburtstag hinter sich hat, schwindet die Aussicht, dass man in einem zivilen Beruf Fuß fasst und eine Altersversorgung oder ein Vermögen erwirbt. Ich habe es nicht geschafft". In seiner Jugend habe er sich eine andere Berufslaufbahn vorgestellt. "Ich habe mich nie entschieden, Politiker zu werden. Ich bin da reingerutscht. Meine Absicht war, ein ganz normales bürgerliches Leben zu führen. Die Kunst hat mich angezogen, Architektur, der Beruf des Städtebauers oder Städteplaners. Da konnte man seine künstlerischen Neigungen kombinieren mit seinen organisatorischen Fähigkeiten. Und nach dem Krieg stellte sich heraus, dass ein Studium dieser Art praktisch für mich verschlossen war."

Der Mitherausgeber der "Zeit" hat vor kurzem ein neues Buch vorgelegt: Es heißt "Die Mächte der Zukunft" und weist Schmidt einmal mehr als unermüdlichen Mahner mit unbeugsamem Hang zum Pragmatismus aus. In klarer, verständlicher Sprache liest der Altkanzler darin allzu verzagten Lokalpolitikern und allzu beherzten Weltpolitikern gehörig die Leviten. Für Helmut Schmidt sind die deutschen Bestrebungen nach einem festen Sitz im UN-Sicherheitsrat "nicht nötig, sondern überflüssig". Er halte einen Sitz im Sicherheitsrat nicht für vernünftig. "Es führt dazu, dass die Deutschen Mitverantwortung übernehmen müssen – wir haben schon genug auf dem Buckel. Und die Mitverantwortung können wir in Wirklichkeit kaum tragen. Denn sie bedeutet entweder, wir sollen Geld geben, oder wir sollen Soldaten verfügbar machen."

Ein klare Position vertritt Helmut Schmidt auch in der Frage eines EU-Beitritts der Türkei: "Weder ist es der richtige Zeitpunkt, noch ist es überhaupt richtig. Aber es ist ein großes Thema, und man kann nicht alle Argumente mal eben schnell aus dem Handgelenk auf den Tisch legen. Die Türkei leidet unter einer zu hohen Geburtenhäufigkeit und weiß nicht, was sie mit den Menschen anfangen soll. Das ist eines von mehreren Argumenten." Die politische Erwägung, durch einen türkischer EU-Beitritt ein wichtiges Signal an die islamische Welt zu senden, halte er für "abwegig", sagt Schmidt bei "Beckmann": "Die Leute, die so sprechen, wissen nicht, dass keiner der anderen arabischen islamischen Staaten auch nur im Traum daran denkt, jemals die Türkei sich zum Vorbild zu nehmen. Dazu hat die osmanische Herrschaft über sämtliche arabische Staaten zu viele Jahrhunderte gedauert. Dazu hat auch die militärische Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem Staate Israel schon zu lange gedauert. Die Idee, man könne in der Türkei zeigen, dass auch der Islam zu Demokratie fähig ist, wird keinen anderen der islamischen Staaten sonderlich beeindrucken."

Innenpolitisch sieht Helmut Schmidt die Notwendigkeit zur Mehrarbeit. "Richtig ist, dem Deutschen Volk zu sagen, dass wir beinahe auf der ganzen Welt die meisten Feiertage haben. Und auf der ganzen Welt die wenigsten Arbeitstunden – dass das so nicht bleiben kann, das kann ein Blinder mit einem Krückstock erfühlen." Wirtschaftlich müsse Deutschland sich verändern und auch über die Abschaffung von Feiertagen nachdenken. "Das es so nicht weiter gehen kann, dass ist so klar wie dicke Tinte! Ob man nun, wenn man da ran geht, ein oder zwei der Feiertage abzuschaffen, ob man dann ausgerechnet, bei dem Tag der Einheit anfangen soll, das weiß ich nicht. Das hätte ich wahrscheinlich nicht gemacht."

Bewegend und erstaunlich offen erzählt Schmidt bei "Beckmann" von seinem Vater, der ihn sehr streng erzogen hat: "Nicht mit prügeln, aber kraft seiner väterlichen Autorität. Er war kein Vorbild. Er ist vielleicht, nachträglich, für mich zum Vorbild geworden nach dem Kriege. Er war unehelich geboren und wurde als Baby adoptiert von einem Hafenarbeiter und seiner Ehefrau." Aus elenden Verhältnissen arbeitete sich Schmidts Vater hoch bis zum Studienrat – und hatte doch immer Angst, alles wieder zu verlieren. "Mein Vater hatte sich eine Bescheinigung verschafft, sein Vater sei unbekannt. Das stimmte aber nicht, er war durchaus bekannt. Mein Vater hatte Angst, dass er seinen Beruf und seine Stellung verlieren würde, weil er den 'arischen' Nachweis nicht erbringen konnte und es raus kommt, dass mein leiblicher Großvater jüdisch war. Er hat unter der Angst unglaublich gelitten. Das hat ihn zermürbt. Nach 1945 hab ich eigentlich alle Entscheidungen, die ihn betrafen, treffen müssen, weil er die Kraft nicht mehr gehabt hat."

62 Jahre ist Helmut Schmidt nun mit Ehefrau Loki verheiratet, bereits im Alter von zehen Jahren haben sie sich kennengelernt. Was ist das Erfolgsgeheimnis ihrer Ehe? "Wenn eine Ehe so lange hält, ist das sicherlich in der Mehrzahl der Fälle der Verdienst der Frau."
 
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