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Redner:
    Merkel, Dr. Angela
Funktion:
    MdB, Vorsitzende der CDU Deutschlands; Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Deutscher Bundestag, Berlin
Land/Organisation:
    Deutschland

Rede auf der XLI. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik
12.02.2005

Anrede,

am 8. Mai gedenken wir des 60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Er brachte unermessliches Leid und Zerstörung. Das 20. Jahrhundert hat unseren Kontinent in den Abgrund blicken lassen. Aber heute können wir sagen: Aus Feinden wurden Freunde, 45 Jahre nach dem Ende des Na-tionalsozialismus fiel endlich auch der eiserne Vorhang. In diesem Jahr können wir Deutsche bereits den 15. Jahrestag der Wiedervereinigung begehen, Europa kann die Überwindung seiner Teilung feiern. Die Er-eignisse in der Ukraine haben uns in den letzten Wochen noch einmal vor Augen geführt, welche Kraft von demokratischen Bewegungen aus-geht.

Die Diktaturen wurden durch eine wertegebundene Politik überwunden. Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit haben gesiegt. Das gilt be-sonders für uns Deutsche. Noch nie in der neueren Geschichte sind wir in einer glücklicheren Lage gewesen als heute. Frieden in Freiheit.

Der amerikanische Präsident Bush sagte in seiner Rede zur Amtseinfüh-rung vor wenigen Wochen - ich zitiere: "Die beste Hoffnung für Frieden in unserer Welt liegt in der Ausbreitung von Freiheit überall in der Welt." Einer seiner Vorgänger sagte es so: "Solange die Freiheit nicht in allen Ländern blüht, kann sie auch in einem einzigen nicht gedeihen." Das war John F. Kennedy bei seinem Deutschland-Besuch 1963 in der Frankfur-ter Paulskirche. Zwei Präsidenten, ein Anspruch amerikanischer Innen- und Außenpolitik.

Für Deutschland folgt daraus: Nur wenn unsere Politik ein klares Werte-fundament kennt und hat, vertritt sie die eigenen Interessen unseres Landes nach innen wie nach außen. Nur so können wir langfristig unsere eigene Sicherheit und unseren eigenen Wohlstand erhalten. Denn die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts sind offensichtlich: Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, "failing states". Wir können sie nur gemeinsam bekämpfen.

Vor dem Hintergrund der Herausforderungen und Bedrohungen möchte ich vier Koordinaten für eine Außen- und Sicherheitspolitik formulieren, die deutsche Interessen vertritt und damit im deutschen Interesse liegt.

Erstens: Ein wirtschaftlich starkes Deutschland. Die Wahrheit ist ein-fach: Wer starkes Wachstum in Europa aufweist, kann erstrangigen Ein-fluss geltend machen. Deutschlands und Europas Wirtschaftskraft sind auf das engste verknüpft. Wir tragen nicht nur Verantwortung für uns. Als größte Volkswirtschaft der EU tragen wir zugleich große Verantwortung für das europäische Wohlergehen. Die Fähigkeit, deutsche Interessen durchzusetzen, auch militärische Kapazitäten aufzubauen, hängt ganz wesentlich von unserer Wirtschaftskraft ab. Deshalb muss deutsche Poli-tik den Prozess der wirtschaftlichen Reformen entschieden fortsetzen, weil daraus auch die Kraft für außen- und sicherheitspolitischen Gestal-tungsraum erwächst. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, immer wieder als "kranker Mann Europas" bezeichnet zu werden.

Zweitens: Ein handlungsfähiges Europa. Europa braucht im 21. Jahr-hundert eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Grundsatzentscheidung ist in den 90'er Jahren gefällt worden. Je größer die EU wird, umso wichtiger wird gerade aus deutscher Sicht der Erfolg dieses Projektes. Denn immer weniger kann ein Land für sich allein oder bilateral die Bedingungen für seine Freiheit, seine Sicherheit und seinen Wohlstand schaffen. Im Gegenteil, Alleingänge oder exklusive Initiativen mit einigen rufen den Widerstand vieler anderer auf die Bühne - und am Ende des Tages ist der Schaden für alle größer als der Nutzen für Ein-zelne. Deutschland hat aus seiner historischen Erfahrung und seiner geographischen Lage in besonderem Maße die Aufgabe, Mittler und ausgleichender Faktor in Europa zu sein.

Die Europäische Union hat bewiesen, dass sie bereits heute sicherheits-politische Aufgaben wahrnehmen kann. Die Einsätze auf dem Balkan zeigen dies, z.B. die EU-Mission ALTHEA in Bosnien. Der Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie schreitet voran. Nüchtern betrachtet sind allerdings die militärischen Fähigkeiten der Europäer nach wie vor räumlich und qualitativ begrenzt.

Die Aufstellung der europäischen Battle Groups ist ein wichtiger Schritt, um das Defizit abzubauen. Damit wird die EU hoffentlich in zwei bis drei Jahren in der Lage sein, in akuten Krisen auch außerhalb Europas ein-zugreifen, wenn ihre Sicherheitsinteressen berührt sind. Ich begrüße den vorgesehenen Beitrag Deutschlands zu mindestens drei dieser Kampf-gruppen. Ich erinnere aber auch daran, dass die EU ursprünglich bis 2003 eine schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Mann aufstellen wollte. Sie existiert bisher mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit. So etwas darf mit den Battle Groups nicht erneut geschehen.

Europa kann heute zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nur finden, wenn es seine politische Integration vorantreibt. Binnenmarkt, gemeinsame Währung und der Verfassungsvertrag sind Ausdruck dieser Integration. Vertiefte Integration muss Vorrang vor grenzenloser Erweite-rung haben. Das verlangt die Bestimmung der kulturellen und histori-schen Grundlagen Europas, der Finalität und der Grenzen. Deshalb ist die Frage der Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU weniger eine Frage nach der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien durch die Türkei, sondern vor allem eine Frage der Aufnahmefähigkeit der bestehenden EU mit 25 und bald 27 oder 28 Mitgliedstaaten. Eine umfassend handlungsfähige EU liegt in unser aller Interesse. Deshalb treten CDU und CSU dafür ein, die jetzt beschlossenen Verhandlungen mit der Türkei in Richtung eines besonderen Status, das heißt einer privilegierten Partnerschaft, unter-halb der Vollmitgliedschaft anzustreben. Die weitreichende sicherheits-politische Einbindung der Türkei in europäische Strukturen ist mit einer solchen Partnerschaft gesichert.

Dritte Koordinate: Ein verlässliches transatlantisches Bündnis. Die transatlantische Partnerschaft ist und bleibt der strategische Pfeiler für die Freiheit und Sicherheit unseres Kontinents. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges hat die NATO dabei die zentrale institutionelle Rolle.

Die Europäische Union, so sagte es Außenminister Fischer selbstkritisch im Rückblick auf die Diskussion über den Irak, war im entscheidenden Augenblick nicht dialogfähig. Jetzt ist die Zeit eines Neubeginns, der Blick ist in die Zukunft gerichtet, Misstrauen wird hoffentlich abgebaut. Dafür gibt es zwei Voraussetzungen: 1. Europa darf sich nicht als Ge-gengewicht zu den USA verstehen oder gar glauben, dass eine Gegen-position europäische Identität stärkt. Deutschland kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Auch bei Meinungsverschiedenheiten dürfen wir nie wieder eine offene Front gegeneinander bilden. 2. Die USA müssen eine starke, handlungsfähige EU befürworten und als gleichberechtigten Partner in Sicherheitsfragen anerkennen. Ich verstehe den Besuch von Präsident Bush bei der NATO und EU in Brüssel und in Deutschland in wenigen Tagen als Ausdruck des Willens beider Seiten zu einer solchen Partnerschaft. Ich begrüße diesen Willen ausdrücklich. Je konkreter die außenpolitische gemeinsame Agenda, desto größer werden die Chan-cen sein, dass daraus auch neues Vertrauen wächst. Ob und wie tragfä-hig ein solcher Neubeginn ist, wird sich allerdings erst in den nächsten Krisensituationen zeigen. Es geht jetzt darum, die gemeinsame Agenda krisenfest zu machen.

Wir brauchen eine Stärkung der NATO. Sie darf nicht zum bloßen Re-servebündnis werden. Sie muss der Ort sicherheitspolitischer Entschei-dungen und militärischer Aktionen sein. Auf dem Balkan, insbesondere in Bosnien und im Kosovo, ist das gelungen. Die NATO hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges bereits gewandelt, aber ihre Rolle den-noch noch nicht ausreichend gefunden. Wechselnde Koalitionen der Wil-ligen können kein Ersatz für eine verlässliche Sicherheitspolitik im Rah-men eines festen Bündnisses sein.

Eine vitale NATO erfordert allerdings auch eine faire Lastenverteilung unter allen ihren Mitgliedern. Hier sind vor allem die Europäer gefordert. Das gilt für die uneingeschränkte Einsatzfähigkeit der NATO Response Force und darüber hinaus in vielen Fragen der Militärtechnologie und der Durchhaltefähigkeit, also letztlich der Kooperationsfähigkeit mit amerika-nischen Streitkräften. Deutschland hat hier noch einen weiten Weg zu gehen.

Dabei will ich keinen Zweifel daran lassen, dass die Bundeswehr eine bewundernswerte Arbeit leistet, sei es in Bosnien, im Kosovo, in Afgha-nistan, bei der humanitären Hilfe oder zuhause, hier in Deutschland. Sie verdient unsere volle Anerkennung. Aus Anerkennung muss dann aber immer auch die notwendige politische und finanzielle Rückendeckung erwachsen.

Der Umbau der Bundeswehr für eine verbesserte internationale Einsatz-fähigkeit ist die notwendige Reaktion auf die veränderten Herausforde-rungen. Die Grenzenlosigkeit der terroristischen Gefahren bedeutet nicht nur, dass ihr Ursprung in geographisch weit entfernten Regionen liegen wird, sondern ebenso, dass ihre Wirkung sich jederzeit im Inneren des eigenen Landes entfalten kann. Die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen zunehmend. Internationale Einsätze unter Be-teiligung Deutschlands und Heimatschutz sowie Einsatz der Bundeswehr im Innern sind deshalb zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die Uni-on plädiert vor diesem Hintergrund dafür, in Deutschland an der Wehr-pflicht festzuhalten, sie allerdings um eine klare Heimatschutzkomponen-te zu erweitern.

Das verbale Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft ist das eine, die konkreten Herausforderungen sind das andere. Die gemeinsame transatlantische Agenda ist anspruchsvoll:

Schauen wir zu Beginn auf den Friedensprozess im Nahen Osten. Das kürzliche Treffen zwischen Ariel Sharon und Mahmud Abbas gibt Anlass zur Hoffnung. Ich begrüße ausdrücklich das verstärkte Engagement der USA und ich unterstütze die aktive Rolle der Europäer mit Javier Solana, sich zu einem für beide Konfliktseiten fairen Partner zu machen. Lange nicht war das Fenster der Möglichkeiten, Frieden im Nahen Osten zu schaffen, so groß wie heute. Es muss entschieden genutzt werden.

Dann der Irak: Die erfolgreichen Wahlen erlauben ebenfalls einen vor-sichtigen Optimismus für die Zukunft der Region. Das Verhalten der ira-kischen Bürger hat gezeigt, dass es sich bei den gravierenden Sicher-heitsproblemen des Landes im Kern nicht um einen Widerstand aus der Bevölkerung handelt, sondern um den Kampf brutaler, Menschen ver-achtender Terroristen. Das irakische Volk verdient unsere volle Unter-stützung. Verstärktes Engagement für den Wiederaufbau des Irak und die Herstellung von Stabilität und Sicherheit ist jetzt das Gebot der Stun-de. Das betrifft insbesondere die Ausbildung von Sicherheitskräften und den Aufbau von Verwaltungsstrukturen. Ich begrüße, dass die deutsche Regierung den Aufbauprozess im Irak aktiv unterstützen will.

Dann Afghanistan: Die Stabilisierung des Landes macht langsame Fort-schritte, die Wahlen waren erfolgreich. Der Plan, diesen Prozess durch ein britisches PRT in Kandahar voranzutreiben, liegt auch im deutschen Interesse. Deswegen ist es richtig zu prüfen, ob dafür die britische Missi-on in Masar-i-Sharif von Bundeswehr-Einheiten übernommen werden kann. Wir müssen allerdings darauf bestehen, dass die Aufgabenerfül-lung an anderer Stelle in Afghanistan nicht gefährdet wird und ausrei-chende Ressourcen für diesen Einsatz und die Sicherheit der deutschen Soldaten bereitgestellt werden. Ich bin sicher, dass sich alle Beteiligte in Kürze auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen ISAF und Enduring Freedom einigen werden.

Dann der Iran: Der Umgang mit diesem Land wird zu der transatlanti-schen Bewährungsprobe. Wir müssen alles tun, um den Iran davon ü-berzeugen, das Streben nach Nuklearwaffen im eigenen Interesse auf-zugeben. Dieser Konflikt muss auf diplomatischem Weg gelöst werden. Wirken Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA hier zu-sammen, dann kann das auch gelingen. Der Iran darf sich keiner Fehl-kalkulation hinsichtlich der Entschlossenheit des Westens hingeben kön-nen. Es darf auch in Zukunft keine Unklarheit darüber aufkommen, dass dieses Sicherheitsproblem seinen Ursprung im Iran und nicht auf der an-deren Seite des Atlantiks hat.

Wenn man allerdings den Iran von einem anderen Verhalten überzeugen will, braucht man das gesamte Spektrum diplomatischer Möglichkeiten. Der notwendige Dialog zwischen der EU und den USA muss deswegen unbedingt eine Einigung darüber erbringen, wie nicht nur die Europäer, sondern auch die USA den Überzeugungsprozess durch entsprechende Anreize fördern können. In allem drei zusammen, Einigkeit, Entschlossenheit und Verhandlung, und nur in allem drei zusammen liegt der Schlüssel für die Lösung des Problems.

Von zentraler Bedeutung für das transatlantische Verhältnis ist auch das Verhältnis Deutschlands und Europas zu Russland. Strategische Part-nerschaft ja, aber Äquidistanz von Europa zu Russland und Europa zu den USA kann es nicht geben. Wir wünschen uns eine erfolgreiche de-mokratische Entwicklung Russlands und sollten Präsident Putin dabei unterstützen. Ein offenes Wort unter Partnern kann hier allerdings nicht schaden.

Dann natürlich Nordkorea: Die jüngsten Entwicklungen hier zeigen uns, dass unser Augenmerk verstärkt auf Regionen gerichtet werden muss, die nicht zu den bisher im Fokus stehenden europäischen Nachbarregi-onen zählen. Das nordkoreanische Eingeständnis, Atomwaffen zu besit-zen, kommt zwar nicht überraschend. Aber es gibt deswegen nicht weni-ger Anlass zur Sorge. Es muss unbedingt das Ziel sein, Nordkorea zur Rückkehr zu den Sechs-Länder-Gesprächen und letztlich zur Aufgabe seines militärischen Nuklearprogramms zu bewegen. Ein offener Konflikt würde sich unweigerlich und in erheblichem Ausmaß auch auf Europa auswirken. Deswegen ist die Erkenntnis wichtig, dass die Stabilität die-ser Region auch für europäische Sicherheitsinteressen unverzichtbar ist.

Schließlich China: Ich plädiere nachdrücklich für ein vertrauensvolles und kooperatives Verhältnis zu China, das eine immer wichtigere Rolle in der globalen Ordnung spielen wird. Da wir uns aber zugleich zu einer wertegebundenen Politik verpflichtet haben, gibt es meiner Ansicht nach keinen Anlass, jetzt einseitig die bestehenden Rüstungsexportbeschrän-kungen zu lockern.

Vierte und letzte Koordinate deutscher Außen- und Sicherheitspoli-tik: Handlungsfähige Vereinte Nationen. Die Handlungsfähigkeit der UNO und in Folge auch ihre Glaubwürdigkeit müssen verbessert wer-den. Die Erfahrungen von Bosnien und Ruanda über den Irak bis hin zum Sudan zwingen zum Handeln. Dazu sind reformierte Entschei-dungsprozesse unerlässlich. In diesem Zusammenhang wird zurzeit auch die Frage nach zusätzlichen Sicherheitsratssitzen diskutiert. Die deutsche Regierung strebt einen Sitz für mein Land im UN-Sicherheitsrat an. Da ein europäischer Sitz zurzeit keine realistische Chance hat, macht das dann Sinn, wenn es am Ende keine Sicherheitsratsmitglieder erster, zweiter oder dritter Klasse gibt. Allerdings zieht ein erstklassiger Sitz im Sicherheitsrat aber auch erstklassige Verantwortung nach sich. Will Deutschland einen vollwertigen Status, so muss es auch zur Über-nahme der dazugehörigen Verantwortung bereit sein.

Ich begrüße darüber hinaus ausdrücklich, dass bei der UNO ein Prozess in Gang gekommen ist, das Völkerrecht weiterzuentwickeln, insbesonde-re zur legitimen Gefahrenabwehr und in Richtung einer internationalen Schutzpflicht bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Die UNO sollte diesen Prozess weiterhin steuern. Denn wir brauchen eine reformierte UNO als zentrale Institution für eine neue Weltinnenpolitik.

Wir können in vielen Bereichen allerdings nicht warten, bis dies geglückt ist. Gerade Afrika ist einem Zustand, der einen neuen Realismus statt der bisherigen, vielfach virtuellen Afrika-Politik erfordert. Die Ankündi-gung von weiteren Schuldenerlassen allein wird die drohende Zunahme von failing states nicht verhindern. Genau das muss aber gelingen, um neue Heimstätten für Terroristen, neue Umschlagplätze für ABC-Waffen und neue Migrationströme zu verhindern. Es kommt deshalb darauf an, dass Europa und Amerika in einer großen gemeinsamen Kraftanstren-gung zusammen mit der UNO zuerst wieder funktionierende Staatswe-sen zu etablieren helfen. Erst dann wird ein Schuldenerlass einen Neu-start für die Menschen ermöglichen - und nicht für korrupte Führungs-schichten und Warlords.

Anrede,

Deutschland muss aus Sicht der Union seine Außenpolitik konsequent an diesen vier Koordinaten "eigene Leistungsfähigkeit", "europäische In-tegration", "transatlantisches Bündnis" und "handlungsfähige Völkerge-meinschaft" ausrichten. Damit vertreten wir deutsche Interessen als ver-lässlicher Partner. Eine Politik hingegen, die zwischen Multilateralismus, bilateralen Initiativen und Alleingängen hin und her schwankt und deren Einsatz für Menschenrechte und restriktive Rüstungsexporte alle Schat-tierungen kennt, täte deutschen Interessen nicht gut.

Ich trete deshalb für eine Politik ein, die aus historischer Verantwortung um die Berufung Deutschlands zur Integration und zum Ausgleich weiß. Das ist eine wertegebundene Politik, die sich dem Ziel Frieden in Freiheit verpflichtet weiß. Dazu ist es notwendig, auf der Grundlage der europäi-schen Einigung und der transatlantischen Partnerschaft ein langfristiges Konzept zu entwickeln, das in festen Bündnissen agiert und alle Politik-bereiche, von der klassischen Diplomatie über wirtschaftliche Beziehun-gen bis hin zu militärischer Stärke, in sein außenpolitisches Denken ein-bezieht. Solchermaßen gerüstet kann Deutschland dann auch verantwortungsbewusst den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entgegensehen.


Es gilt das gesprochene Wort!



Siehe auch:
     
  • Merkel, Dr. Angela - International Terrorism- The European Impact (02.02.2002)
  • Merkel, Dr. Angela - Rede auf der XXXIX.. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (08.02.2003)
  • Merkel, Dr. Angela - Rede auf der XL. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (07.02.2004)
  • Merkel, Dr. Angela - Rede auf der 42. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (04.02.2006)


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