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Marion True
Getty-Mitarbeiterin Marion True: Jetzt steht sie in Rom vor Gericht.

Getty vor Gericht

Geraubte Kunst
für das Museum

Am 16. November beginnt in Rom einer der spektakulärsten Prozesse um illegalen Kunsthandel. Angeklagt ist Marion True, eine Mitarbeiterin des renommierten Paul Getty Museums in Kalifornien.

16.11.2005 [Archiv]

 

True soll seit zehn Jahren im Auftrag des Museums etwa 200 Antiken angekauft haben, die aus Raubgrabungen stammen. Bronzen, Gefäße und sogar monumentale Statuen, allesamt von Grabungen aus Sizilien und der Umgebung von Neapel, die von der Mafia organisiert wurden.

 

Gefälschte Historien

Nachdem vor einigen Jahren ein Händler dieser Antiken zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, will die Staatsanwaltschaft nun mit 200 Zeugen beweisen, dass es Marion True bekannt war, dass diese Stücke illegal sind. Mit gefälschten Historien gelang es ihr, die Stücke in die USA zu verfrachten. Mit Marion True steht auch ein Stück amerikanischer Kulturpolitik - und damit das Procedere des Kunstankaufs - vor Gericht.

 

Schon als junger Mann hatte John Paul Getty (1892-1976), Sprössling aus dem legendären Getty-Klan, ein großes Interesse an der Antike. Sein Vorbild war kein geringerer als der römische Kaiser Hadrian, schließlich war dieser ja auch ein großer Kunstmäzen.

aus der Getty-Sammlung
Eines von drei Stücken, die das Getty-Museum bereits an den italienischen Staat zurückgegeben hat.

In den Hügeln von Malibu

Drei Jahrtausende und etliche Milliarden Dollar später erfüllte sich Getty einen Traum: Er baute sich eine märchenhaft große Villa in den Hügeln von Malibu. Diese Villa nun war aber so groß, dass er eine Vielzahl Antiken kaufen musste, um sie zu füllen. Er kaufte und kaufte ... und dabei schaute er nicht immer so genau hin, wo diese Antiken eigentlich herkamen.

In einem hauseigenen Film aus dem Paul Getty-Museum klingt diese Geschichte etwas anders: "Altertümer waren immer von großem Interesse für Herrn Getty. Er machte ja in Oxford seinen Abschluss in Alter Geschichte. Er kaufte oft riskant ... er war letztlich derjenige, der über den Ankauf der 'Getty-Bronze' entschied."

 

Aus Raubgrabungen

Die "Getty-Bronze". Das kostbare Stück wird nun - wie 42 andere auch - wegen Herrn Gettys gewagtem Kaufstil vom italienischen Staat zurückgefordert. Alle diese Kulturgüter sollen aus Raubgrabungen stammen. Darunter auch eine Aphrodite-Statue aus Sizilien, für deren Ankauf Marion True, verantwortlich ist. Nun wird sie des Handels mit gestohlenen Antiken angeklagt.

 

Denn im fernen Rom wollen jetzt Staatsanwalt Giorgio Ferri und sein Team nach Jahren der Vorbereitung beweisen, dass dies alles systematisch geschah: "Marion True ist Teil der selben Kette, der selben Verschwörung, der selben Verbrecherbande, so sieht es die Anklage," meint Ferri, und weiter: "Marion True zu treffen heißt, das letzte Glied dieser Kette zu treffen, nämlich den Käufer."

 

Herkunft gefälscht

Der Kunsthändler Robert Hecht ist das erste Glied dieser Kette, das zweite ist Giacomo Medici, ein bereits verurteilter Hehler, so Ferris These. Alles beginnt vor zehn Jahren bei einer Razzia in Medicis Lagerhäusern in Genf. Man findet 2000 Antiken und 10.000 Fotos. Ferri glaubt, Medici kauft diese Stücke direkt von Raubgräbern, und Hecht verkauft an die Museen.

 
Giacomo Medici
Mittlerweile verurteilter Hehler Giacomo Medici.

 

Die Herkunft der Stücke wird gefälscht, sozusagen gewaschen: Sie werden in Privatsammlungen eingeschleust. Oder sie gehen auf Auktionen und werden dort wieder zurückgekauft. So bestimmt man selbst den zukünftigen Preis, und die Museen können die Stücke dann mit sauberer Herkunft, in gutem Glauben erwerben.

 

Briefe aus dem Hause Getty

Jüngst sind Briefe aus dem Hause Getty aufgetaucht, sie wurden einer Zeitung in Los Angeles zugespielt. Es sind vertrauliche Notizen, die zeigen wie viel Mrs. True und die gesamte Museumsleitung wirklich wussten.

 

Das ist zum Beispiel ein offizieller Brief von True an Giacomo Medici. Sie spricht über gemeinsame, zukünftige Ankäufe und schließt mit "tiefster Hochachtung". Im Antwortbrief von Hecht an True warnt er sie, weil die Polizei nach einer Vase sucht, die das Getty Museum ankaufen will.

 

"Sie ist gestohlen"

Ein weiteres Beispiel: In einem vertraulichen Brief aus der Führung des Hauses geht hervor, dass man weiß, eine Apollostatue ist aus einer Raubgrabung, gekauft von Medici und Hecht ist der Hehler. Eine interne Notiz belegt: "Wir wissen, sie ist gestohlen".

Aphrodite von Morgentina
Raubkunst: die Aphrodite von Morgentina

Alle großen Museen, so auch das Metropolitan Museum in New York, haben von Medici und Hecht gekauft, und das gilt nicht nur für die USA. In Berlin zum Beispiel kaufte man vor Jahrzehnten 21 apulische Vasen von Hecht. Für Staatsanwalt Ferri war es daher nicht verwunderlich, dass die Mithilfe der Museen bei der Aufklärung eher gering war: "Raten Sie mal, wie viele Antworten wir auf unser Anschreiben bekommen haben. Keine! Im Gegenteil: Eine Kopie unseres Briefes fanden wir im Haus von Robert Emanuel Hecht."

Geste des guten Willens

Marion True ist inzwischen von ihrem Posten zurückgetreten. Wegen einer privaten, eigentlich längst verjährten Immobiliengeschichte, wie es heißt. Ob Getty sie in Sachen Kunsthandel verteidigen wird, ist noch unklar. Das Museum hat inzwischen drei Stücke zurückgegeben, als Geste des guten Willens, vor allem aber, um weitere Untersuchungen zu vermeiden.

 

Italiens Kulturminister hat die drei Stücke akzeptiert. "Die Amerikaner sind jetzt bereit anzuerkennen, dass der illegale Verkauf von italienischen Meisterwerken nicht angenommen werden kann, gesetzwidrig ist und bestraft werden soll. Und dass die meisten Werke Italiens zurückgegeben werden sollen", sagte Rocco Buttiglione dem ZDF. "Wir hoffen, dass wir in der Zukunft mit dem Getty-Museum eine gute Zusammenarbeit anfangen können. Dasselbe gilt für andere Museen, die in der Vergangenheit nicht immer ganz aufrichtig waren aber die jetzt einen anderen Weg einschlagen wollen."

 

Geraubte Schätze

Doch ausgerechnet darüber wird im Ministerium nun gestritten, zu recht. Giuseppe Proietti, der Staatssekretär sagt dazu: "Ich meine, dass die Untersuchungen der kalifornischen Behörden hätte weiterlaufen sollen. Man plante dort etwas, was zu einem historischen Präzedenzfall hätte werden können, nämlich die Beschlagnahmung aller fraglichen Stücke bei Getty."

 

Die Anwälte des Hauses Getty schätzen mittlerweile, dass die Hälfte aller Stücke zurückgefordert werden. Nun will auch Griechenland seine geraubten Schätze zurück. Die Türkei bereitet gerade ihre Liste vor. Es könnte sein, dass die schöne Villa in Malibu bald etwas leerer sein wird.

 
von Christoph Spielberger
 
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