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Robert Gernhardt - Schriftsteller, Lyriker und Karikaturist
dpa
Robert Gernhardt: Schriftsteller, Lyriker und Karikaturist

Robert Gernhardt
ist tot

Dichter starb mit
68 Jahren an Krebs

Der Schriftsteller, Satiriker und Karikaturist Robert Gernhardt ist tot. Gernhardt starb am Freitagmorgen im Alter von 68 Jahren nach langer schwerer Krankheit an Krebs. Das teilte der S. Fischer Verlag unter Bezug auf Gernhardts Ehefrau mit. Mit seinen humorigen, aber auch oft sehr ernsten Gedichten galt er als einer der wichtigsten Lyriker der deutschen Nachkriegszeit. Gernhardt, Autor zahlreicher Bücher, wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet.

30.06.2006 [Archiv]

Zitat

Selbstfindung: Ich weiß nicht, was ich bin. Ich schreibe das gleich hin. Da hab'n wir den Salat: Ich bin ein Literat.

Robert Gernhardt

Mit Gernhardt verliert die deutsche Literatur nach den Worten von Bundespräsident Horst Köhler einen ihrer Größten. "Wer sonst in der Gegenwartsliteratur hat es geschafft, alle anzusprechen, zu berühren, ja zu begeistern: von der ernsten Literaturkritik bis hin zu Schülern, die zum ersten Mal Gedichte lesen", heißt es in einem in Berlin veröffentlichten Kondolenzschreiben an Gernhardts Witwe.

 

Tonlagen der Sprache

"Robert Gernhardt hatte ein untrügliches Gespür für Tonlagen und Rhythmen, für sämtliche Ausdruckmöglichkeiten der deutschen Sprache", so Köhler. "Vor allem aber hatte er einen Sinn für den Anspruch gehabt, den Komik stellt und für die Komik, die falsche Ansprüche auslösen." Dass einer der besten deutschen Dichter auch der im umfassendsten Sinne komischste und humorvollste war, das habe ihm mehr als die Anerkennung - es habe ihm die Liebe seiner Leser eingebracht.

 

Gernhardt, der zuerst durch seine Arbeit für die Magazine "Pardon" und "Titanic" bekannt wurde, zählt vor allem mit seiner Lyrik zu den wichtigsten Literaten der Nachkriegszeit. Der Autor zahlloser Bücher und Mitbegründer der "Neuen Frankfurter Schule" wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet.

 
 

Vom Nonsense zur großen Literatur

Den Durchbruch vom Nonsense-Dichter zu einem der anerkanntesten deutschen Autoren gelang Gernhardt in den 80er Jahren. Für seine Fähigkeit, in Gedichtform eigene Gefühle wie Trauer oder Angst mit Ironie oder Witz zu verbinden, erwarb sich Gernhardt großen Respekt. Hochgelobt bei der Kritik wurde sein 1997 zu seinem 60. Geburtstag erschienener Band "Lichte Gedichte", in denen Gernhardt seine Erfahrungen mit einer Operation nach einem Herzinfarkt verarbeitete. Der Schriftsteller thematisierte auch seine spätere Krebserkrankung, zum Beispiel in den 2004 publizierten "K-Gedichten".

 

Neben der Lyrik wurde Gernhardt auch durch Erzählungen, Essays und Kinderbücher bekannt. Gernhardt wirkte auch als Texter und Gag-Lieferant für den Komiker Otto mit und war am Drehbuch von vier "Otto"-Filmen beteiligt. "Selbstfindung Ich weiß nicht, was ich bin. Ich schreibe das gleich hin. Da hab'n wir den Salat: Ich bin ein Literat."

 
Infobox

Auswahl seiner Werke

  • "Die Wahrheit über Arnold Hau" (1966, S. Fischer); mit Fritz Weigle und Karl Waechter
  • "Besternte Ernte" (1976, S. Fischer)
  • "Wörtersee" (1981, S. Fischer)
  • "Hier spricht der Dichter" (1985, Rowohlt)
  • "Körper in Cafés" (1987, S. Fischer)
  • "Reim und Zeit" (1990, Reclam)
  • "Weiche Ziele" (1994, S. Fischer)
  • "Herz in Not" (2004, S. Fischer)
  • "K-Gedichte" (2004, S. Fischer)
 

Gernhardt wurde am 13. Dezember 1937 in Reval/Estland (heute: Tallinn) als Sohn eines Richters geboren. Nach dem Tod des Vaters im Krieg floh die Mutter 1945 mit ihren drei Söhnen nach Hannover. Gernhardt studierte 1956 in Stuttgart und Berlin Malerei an den Akademien der Bildenden Künste, später auch Germanistik an der FU Berlin.

 

Neue Frankfurter Schule

1964 kam Gernhardt nach Frankfurt, wo er als Zeichner und Autor die "Neue Frankfurter Schule" mitbegründete, die den Humor im Nachkriegsdeutschland nachhaltig prägte. Mit seinen Freunden F. K. Waechter, F. W. Bernstein und Chlodwig Poth gehörte er seit den 60er Jahren zu den Stars von "Pardon". 1979 gründete er die Zeitschrift "Titanic" mit. Dort betrieb er unter dem Sammelpseudonym "Hans Mentz" mit dem Konterfei von Theodor W. Adorno, dem Mitbegründer der sozialphilosophischen "Frankfurter Schule", "Humorkritik".

 
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Die Neue Frankfurter Schule

Die "Neue Frankfurter Schule", deren Mitbegründer Robert Gernhardt war, entstand in den 60er Jahren in Frankfurt: eine Künstlergruppe aus Satirikern, Karikaturisten und Autoren, die sich in Frankfurt niedergelassen hatten. Keimzelle war die 1962 gegründete Satire-Zeitschrift "Pardon", in der Gernhardt und seine Mitstreiter literarisch immer anspruchsvoller - und erfolgreicher - Satire und Nonsens publizierten. Neben Gernhardt zählten F.W. Bernstein, Bernd Eilert, Eckhard Henscheid, Peter Knorr, Hans Traxler sowie die inzwischen ebenfalls gestorbenen Chlodwig Poth und F.K. Waechter zu den Mitgliedern.

Den Namen "Neue Frankfurter Schule" gaben sich die Künstler aber erst 20 Jahre später in Anlehnung an die Frankfurter Schule, jene kritische Theorie, die sich in den 1920er und 30er Jahren am Frankfurter "Institut für Sozialforschung" etablierte - unter Federführung der Philosophen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Während diese sich auf Bücher beschränkten, arbeiteten Gernhardt und Co. mit Cartoons, Filmen, Satire und Nonsens-Poesie. Insbesondere die "Pardon"-Kolumnen "Welt im Spiegel" wurden zu gesellschaftskritischen Kulttexten, von denen sich manche auch auf Uni-Wänden wiederfanden.

 

Gernhardt war in seinen Werken ein großer Parodist: In seinem 1987 uraufgeführten Bühnenstück "Die Toscana-Therapie" schilderte er, wie die Träume der gehobenen Mittelschicht vom angenehmen Leben in Italien zum Albtraum werden können. Gernhardt selbst hatte seit langem ein Haus in der Toskana, wo er mehrere Monate im Jahr verbrachte. Nach dem Tod seiner ersten Frau Almut im Jahr 1989, mit der er Kinderbücher publizierte, hat Gernhardt zum zweiten Mal geheiratet.

 
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Preise

Deutscher Kinderbuchpreis (1983)
Kritikerpreis der Berliner Akademie der Künste (1987)
Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (1991)
Bertolt-Brecht-Preis (1998)
Erich-Kästner-Preis (1999)
Pantheon-Preis (2000)
Deutscher Kleinkunstpreis (2002)
Joachim-Ringelnatz-Preis (2003).
Heinrich-Heine-Preis (2004)

 

Zu den zahlreichen Preisen, die Gernhardt erhielt, gehören der Deutsche Jugendbuchpreis (1983) und der Bert-Brecht-Preis der Stadt Augsburg (1998). Zuletzt wurde Gernhardt 2004 mit dem Heinrich-Heine- Preis der Stadt Düsseldorf als "kritischer Beobachter, Dichter und Karikaturist der deutschen Zustände" ausgezeichnet. Im Dezember vergangenen Jahres wurde er Gastprofessor an der Universität Düsseldorf und hielt dort Vorlesungen.

 
Mit Material von dpa, ZDF
 
 
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