Universität Wien

     Institut f. Physikalische Chemie der Universität Wien
(Institute of Physical Chemistry at the University Vienna)


 
 

Geschichte der Chemischen Institute
History of the Chemical Departments:


 
 

Die Chemische Schule der Universität Wien /The Chemical School
Geschichte d. Institute (Kurzfassung)/Short History (english version)
Geschichte d. Arbeitsgruppe Elektrochemie
Auer von Welsbach Museum /Auer v. Welsbach Museum


Robert Wilhelm Bunsen und die Chemische Schule an der Universität Wien (Alma Mater Rudolphina)

(Prof. Dr. N. Brinda-Konopik, Bunsentagung 1992, Wien)

Es sei Aufgabe des Wissenschaftlers, ohne Rücksicht auf persönliche Vorteile und allgemeine Vorurteile der Erforschung der Wahrheit zu dienen.
Adolf von Lieben

Die Wiener Universität, die ehrwürdige Alma Mater Rudolphina, wurde bereits 1365 gegründet, doch sollten fast fünf Jahrhunderte vergehen, ehe die Chemie als eigenes Fach an ihr eingerichtet wurde. Erster Vertreter dieses Faches war ein Oberösterreicher, der am 12.3.1810 in Kirchdorf an der Krems geborene Kaufmannssohn Joseph Redtenbacher, der in Wien das Studium der Medizin absolviert hatte (die Chemie war damals die Dienerin, also eine Vorbereitungswissenschaft, der Medizin). Redtenbacher wurde 1840 als ordentlicher Professor an die Universität Prag berufen. Zuvor hatte er mit Hilfe eines vom damaligen Staatsminister Graf Kolowrat bewilligten Stipendiums eineinhalb Jahre studienhalber Deutschland, England und Frankreich bereist und ging nun daran, in Prag einen Laboratoriumsbetrieb einzurichten. Da hierfür die Mittel fehlten, durfte Redtenbacher einen Beitrag zur Dotation bzw. ein Honorar für den Professor von den Studenten einheben. Um auch den aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Studenten den Besuch seiner Lehrveranstaltungen zu ermöglichen, bewirkte er 1843 zwei staatliche Stipendien in Höhe von jährlich 300 Gulden. Die Einführung von Kollegiengeld und Stipendien war neu in der Monarchie.

Joseph Redtenbacher (1810 - 1870)
(Lithographie von A. Dauttrage aus dem Jahre 1854, Bildarchiv der Österr. Nationalbibliothek)

Redtenbachers Wirken führte dazu, daß das Prager Universitätslaboratorium ein Zentrum der chemischen Ausbildung und Forschung wurde.

In diese Zeit fällt auch seine Aufnahme als wirkliches (Gründungs-)Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften (1847).

Am 13.3.1849 wurde Redtenbacher zum Ordentlichen Professor der Chemie an der Wiener Medizinischen Fakultät ernannt. Als aber infolge des Aufschwungs der selbständigen chemischen Wissenschaft in Deutschland, vor allem durch Liebig in Gießen, eine Reform des Chemiestudiums immer unabwendbarer wurde, genehmigte Kaiser Franz Joseph in seinem ersten Regierungsjahr 1848 die Eingliederung der Lehrkanzeln für Chemie, Mineralogie, Botanik und Zoologie in die Philosophische Fakultät. Fast vier Jahrhunderte hatte die Philosophische Fakultät, der jetzt die Naturwissenschaften zugeordnet wurden, ,,Artistenfakultät" geheißen und einem vorbereitenden Studium für eine ,,Höhere Fakultät" gedient. Redtenbacher wurde 1849 als Ordentlicher Professor der Chemie an die Philosophische Fakultät der Universität Wien überstellt und ging nun daran, im Theresianum (später Militärakademie, heute Gymnasium) ein zwar ebenfalls unzulängliches, aber doch schon viel geeigneteres Institut, das I. Chemische Laboratorium, einzurichten, in dem ein bescheidener Übungsbetrieb möglich war. Nach langen, zähen und fast vergeblich scheinenden Bemühungen erreichte Redtenbacher auch den Neubau eines, den damaligen Erfordernissen entsprechenden chemischen Institutes, das in der Nähe des ,,Mediziner-Viertels" errichtet werden sollte, dessen Bau bzw. Vollendung er aber nicht mehr erlebte.

Professor Heinrich Freiherr von Ferstel, der Erbauer des Universitäts-Hauptgebäudes (am Dr. Karl- Lueger-Ring) wurde mit der Ausarbeitung eines Bauplans beauftragt. Gemeinsam mit Redtenbacher unternahm er 1868 eine Studienreise nach Deutschland, um dort die chemischen Institute einiger Universitäten zu besichtigen, um Positives mitzunehmen und Negatives zu vermeiden.

Das wissenschaftliche Interesse Redtenbachers galt von Anfang an der Botanik, und so ist es nicht verwunderlich, daß auch seine Mitarbeiter und Schüler die phytochemische Forschungsrichtung pflegten. In Wien nahm die aufreibende Tätigkeit als akademischer Lehrer und Institutsvorstand Redtenbacher fast vollkommen in Anspruch, so daß für eigene wissenschaftliche Forschungsarbeiten keine Zeit blieb. Da jedoch sein Vortrag brillant und hinreißend war, konnte er eine Schar von Schülern begeistern, und wurde damit zum Begründer der ,,Wiener Chemischen Schule". Im Studienjahr 1869/70 besuchten beispielsweise 590 Studenten chemische Vorlesungen, während 360 die Übungen absolvierten, und das bei nur einem Professor mit nur einem Assistenten!

Der in den Jahren 1869 bis 1872 im Renaissancestil errichtete Neubau in der Währingerstraße 10, ursprünglich für ein großes Laboratorium berechnet (140 Arbeitsplätze gegenüber 60 im Theresianum), erwies sich bereits bei seiner Eröffnung als zu klein. Das explosionsartige Ansteigen der Hörerzahlen - zu der oben erwähnten Zahl von Chemikern kamen noch über 100 Pharmazeuten, Mediziner und Lehramtskandidaten - veranlaßte das Unterrichtsministerium - nur wenige Tage nach dem Tode von Redtenbacher, der im Jahre 1870 verstarb - auf die Errichtung eines II. Chemischen Laboratoriums zu drängen. In seltener Übereinstimmung mit dem Finanzministerium wurde Franz Cölestin Schneider, ein Pharmazeut und medizinischer Chemiker, zum Vorstand des I. Chemischen Laboratoriums und damit zum Nachfolger Redtenbachers ernannt, und Friedrich Rochleder, ein Schüler Redtenbachers, als Leiter des neugegründeten II. Chemischen Laboratoriums aus Prag nach Wien berufen. Schneider war der letzte Vertreter der ,,Alten Schule": Er war Arzt und Chemiker, erwarb sich als Sanitätsreferent große Verdienste um die öffentliche Gesundheitspflege und wurde k. k. Ministerialrat. Rochleder war in Wien nur eine kurze Amtszeit vergönnt. Er starb 1874 an den Folgen eines Nervenleidens. Seine Bedeutung für die Universität Wien liegt wohl in erster Linie darin begründet, daß er das II. Chemische Laboratorium aufgebaut und eingerichtet hat. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit lag jedoch in Prag. Der bedeutendste Mitarbeiter Rochleders war Erwin Freiherr von Sommaruga, der 1863 summa cum laude bei Bunsen in Heidelberg promovierte. Hatten Redtenbacher und Rochleder Studienaufenthalte bei Liebig in Gießen verbracht, so studierte die Mehrzahl ihrer Nachfolger bei Bunsen in Heidelberg und promovierte dort zum Dr. phil., womit zwanglos die vollständige Loslösung von der Medizin erfolgte. Auch Adolf von Lieben (3. 12. 1836 bis 7. 6. 1914), der Nachfolger Rochleders am II. Chemischen Laboratorium, promovierte 1856 summa cum laude zum Dr. phil. in Heidelberg. Ihm war es vergönnt, auf eine 31jährige Amtszeit (1875-1906) zurückblicken zu können. Bemerkenswert war seine Habilitation (Wien 1861) für anorganische und organische Chemie ,,ohne spezielle Berücksichtigung medizinischer und pharmazeutischer Bedürfnisse".

Bild v. A.v.Lieben Adolf von Lieben (1836-1914)
(Bildarchiv der Österr. Nationalbibliothek)

Lieben, der einer jüdischer Großkaufmannsfamilie entstammte, wurde im Elternhaus erzogen, konnte also kein Reifezeugnis vorweisen, was ihm bei der Nostrifikation seines in Heidelberg erworbenen Doktordiploms zu schaffen machte. Wanderjahre führten ihn nach Paris, wo er den bekannten Chemiker Cannizzaro traf. Cannizzaro machte Lieben zum Vizedirektor seines Institutes in Palermo, damit Lieben ungestört Italienisch lernen konnte. Nach einer Professur in Palermo wurde Lieben nach Turin berufen, wo er sich als Österreicher gegen eine feindliche Hörerschaft durchzusetzen hatte und wo er mit dem Aufbau eines modernen Institutsbetriebes betraut wurde. Höhepunkt war für ihn der Besuch seines Lehrers Bunsen und des angesehenen Chemikers Wöhler in Turin.

Lieben war auch mit Franz Grillparzer befreundet, welcher vermutlich versuchte, Lieben nach Österreich zurückzuholen, was zunächst mißlang. Die außerordentlich liberalen Italiener stießen sich nicht daran, daß Lieben Österreicher war. Im weniger liberalen Österreich nahm man jedoch Anstoß an seiner Konfession. Dies zeigt deutlich, daß schon damals jene Strömungen einsetzten, die sich Jahrzehnte später so unheilvoll auswirken sollten. Schließlich gelang 1871 eine Berufung an die Universität Prag. Prag war ja in dieser Zeit stets das Sprungbrett für Wien. Interessanterweise war es der Nachfolger von Redtenbacher, Franz Cölestin Schneider, der - offenbar ein sehr geschickter Verhandler mit den vorgesetzten Behörden - die Berufung von Lieben nach Wien 1875 durchsetzte. Er bewies somit Weitblick und Vorurteilslosigkeit und erreichte damit, daß nun auch an der Wiener Universität endlich einem rein chemischen Studium der Vorzug gegeben wurde.

Bezeichnenderweise verband Lieben eine echte Freundschaft mit Barth von Barthenau, dem Nachfolger Schneiders als Vorstand des I. Chemischen Laboratoriums, auf den wir noch zu sprechen kommen. Während aber Lieben sich in seinen Studien der aliphatischen Chemie widmete, befaßte sich Barth mit der Erforschung von Aromaten. In der Ära Lieben überflügelte das II. Chemische Laboratorium das I. Chemische Laboratorium, so auch was die Zahl der Mitarbeiter betraf (2 Adjunkte, 3 Assistenten, 1 Aushilfsassistent am II. Chemischen Laboratorium gegenüber 2 Adjunkten und 2 Assistenten am I. Chemischen Laboratorium). Trotzdem war die finanzielle Situation auch am II. Chemischen Laboratorium prekär, besonders als die Ausbildung der Pharmazeuten an das I. Chemische Laboratorium verlegt wurde. Das bedeutete einen empfindlichen Verlust an Kollegiengeld. Sommaruga, der die pharmazeutische Ausbildung betreut hatte, wandte sich einer neuen Arbeitsrichtung, nämlich bakteriologisch-chemischen Studien zu. Seine Bitte um Gewährung von Mitteln wurde abgeschlagen. Er kam zu dem Schluß, ,, daß nur jene wissenschaftliche Tätigkeit, die nichts kostet, den Beifall des hohen Finanzministeriums zu finden scheint". Der hervorragende Lehrer und Forscher, der, wie bereits erwähnt, bei Bunsen mit Auszeichnung promoviert hatte, war von seiner Ausbildung bei Bunsen her Anorganiker und daher am II. Chemischen Laboratorium fehl am Platz.

Zu den Schülern Bunsens ist auch Carl Auer Freiherr von Welsbach (1858-1929) zu zählen. Schon als Knabe faszinierte ihn die Chemie. Er begann im Jahre 1878 bei Lieben am II. Chemischen Laboratorium Chemie zu studieren. Wie sein Lehrer ging Auer 1880 zu Bunsen nach Heidelberg, wo er 1882 promovierte. Hier empfing er auch die Anregungen, auf die sein späteres Lebenswerk aufbaute. Bunsen erkannte das experimentelle Geschick und die scharfe Beobachtungsgabe seines Schülers und hätte ihn gerne als Mitarbeiter gewonnen. Doch Auer zog es zurück nach Wien. Hier begann er als Privatgelehrter seine geniale Forscher- und Erfindertätigkeit. Er mietete Räume in Liebens Laboratorium und wandte sich - den von Bunsen erhaltenen Anregungen folgend - dem Studium der Seltenen Erden zu. Im Jahre 1885 gelang ihm das bisher als Element angesehene Didym in Praseodym und Neodym zu zerlegen. Im gleichen Jahr erfolgte die bahnbrechende Erfindung des Gasglühstrumpfes, den er im Jahre 1891 gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Ludwig Haitinger, einem Assistenten Liebens, durch die Einführung des Thorium-Cer-Glühkörpers verbesserte. Im Jahre 1898 erfand Auer die Osmium-Wolfram-Metallfadenlampe (Osram) und stellte 1907 den aus Cereisen bestehenden Feuerzeugzündstein her.

Eine weitere Assistentenstelle Liebens war mit Jean Billitzer (auch als Billiter bekannt) besetzt. Der 1877 in Paris geborene Billiter ging nach seiner Promotion in Wien zu Nernst nach Göttingen, wo er sich auf dem Gebiet der physikalischen Chemie betätigte, und anschließend nach Paris, wo er elektrochemisch arbeitete. Seine bis zum Entzug der venia legendi im Jahre 1938 abgehaltenen Vorlesungen befaßten sich hauptsächlich mit Elektrochemie, daneben mit Kolloidchemie und Atomistik, also Vorlesungen physikalisch-chemischen Inhalts. Sie sind bezeichnend für das wachsende Interesse an physikalisch-chemischen Fragestellungen.

Neben der Hochblüte der organischen Forschung gab es auch Außenseiter, wie schon angeführt Sommaruga und Natterer. Letzterer befaßte sich im Auftrag der Wiener Akademie mit der Erforschung des Mittelmeeres. Es gab aber auch ausgesprochene Physikochemiker. wie Billiter, die das Nahen einer neuen Zeit ankündigten.

Und damit kehren wir an das I. Chemische Laboratorium zurück, um die Amtszeit (1876 bis 1890) von Ludwig Barth von Barthenau zu skizzieren. Barth wurde am 17. 1. 1839 in Rovereto in Südtirol geboren. Er liebte Tirol, ging Bergsteigen und gab ein Buch über die Stubaier Gebirgsgruppe heraus, das von der Wiener Akademie der Wissenschaften unterstützt wurde. Er studierte bei Liebig und Pettenkofer in München. Mit 28 (!) Jahren übernahm er in Innsbruck die Professur für Chemie von seinem Lehrer Hlasiwetz, welcher an das Wiener Polytechnikum berufen wurde. Er pflegte - in der damaligen Zeit eine Seltenheit - alle möglichen Sportarten, wie Alpinistik, Reiten, Schwimmen, Fechten, Tanzen und Jagen. Seine ersten Sommerferien verbrachte Barth in Frankreich, England und Norddeutschland, übernahm nach seiner Rückkehr die Geschäftsführung der 43. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Innsbruck und Dresden. Im Jahre 1876 erhielt er den Ruf nach Wien an das I. Chemische Laboratorium. Im gleichen Jahr starb seine geliebte Frau und so vergrub er sich fortan förmlich in die wissenschaftliche Arbeit, schonte sich aber auch nicht bei körperlicher Betätigung. Am 3. 8. 1890 starb er, erst zweiundfünfzigjährig, an einem Herzleiden. Als Forscher vertrat Barth, Schüler von Hlasiwetz, die Phytochemie.

Besonders hervorzuheben sind die Gründlichkeit und der Scharfsinn, durch die sich Barths Untersuchungen auszeichneten. Seine Hörer kamen aus den verschiedensten Richtungen: Mediziner, Lehramtskandidaten, Philosophen, Pharmazeuten und Ingenieure. Im Jahre 1880 gründete er mit seinem Freund Lieben die ,,Monatshefte für Chemie" als Publikationsorgan der Wiener Akademie der Wissenschaften. In dieser Zeitschrift sollten sämtliche in den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse erscheinenden, chemischen Arbeiten abgedruckt werden.

Seine bedeutendsten Schüler waren: Hugo Weidel, Guido Goldschmiedt, Josef Herzig, Rudolf Wegscheider und Georg Vortmann.

Der Wiener Weidel studierte in Heidelberg bei Bunsen und Helmholtz Chemie und Physik. Er bestand im Jahre 1870 summa cum laude die Rigorosen, habilitierte sich 1878 und wurde 1886 Ordentlicher Professor an der Hochschule für Bodenkultur in Wien . Im Jahre l891 wurde er als Nachfolger von Barth Professor der allgemeinen und pharmazeutischen Chemie. Am 7.6.1899 erlitt er im Kreise seiner Schüler einen Herzanfall und starb noch nicht fünfzig Jahre alt. Als Mensch war Weidel ein echter Wiener, weich und mitfühlend und ein glänzender Gesellschafter. Noch in seine Assistentenzeit fällt die Analyse des Wiener Hochquellwassers.

Guido Goldschmiedt, der 1872 in Heidelberg promoviert hatte, ging nach kurzer Tätigkeit an der Hochschule für Bodenkultur nach Prag.

Josef Herzig begann sein Chemiestudium in Wien, ging im zweiten Jahr zu A. W. Hofmann nach Berlin und 1876 zu Bunsen nach Heidelberg, dem er eine gründliche analytische Schulung verdankte. Er dissertierte bei Barth, promovierte 1878, habilitierte sich im Jahre 1887. Vom Studienjahr 1902/1903 an hatte er den Auftrag, die für die Pharmazeuten vorgeschriebenen Vorlesungen und Übungen abzuhalten. Damit war erstmals die Ausbildung von Chemikern und Pharmazeuten getrennt und der Grundstein für eine eigene pharmazeutische Lehrkanzel gegeben, die unter Faltis im Jahre 1913 verwirklicht wurde. Wie aus den Akten hervorgeht, ist Herzig aus konfessionellen Gründen zurückgesetzt worden. Er wurde zwar o. Prof. ad personam und durfte nach dem Tod von Weidel die Lehrkanzel am I. Chemischen Laboratorium drei Jahre lang supplieren, aber man wollte ihn nicht zum Vorstand des Laboratoriums ernennen.

Eine große Anzahl der angeführten Forscherpersönlichkeiten hat bei Bunsen, einem ausgezeichneten Lehrer und genialen Experimentator, eine gediegene Ausbildung erhalten und war durch die Persönlichkeit Bunsens geprägt worden. Eine Reihe von ihnen führte bei Bunsen ihre Doktorarbeit durch und promovierte in Heidelberg: von Lieben (1856), von Sommaruga (1863), Weidel (1870), Goldschmiedt (1872) und Auer von Welsbach (1882). Die Bedeutung Bunsens für die Entwicklung der Chemie an der Universität Wien wurde auch durch die Nennung seines Namens am Fries des Chemischen Institutes in der Währingerstraße 10 gewürdigt. Bunsen muß auch als der eigentliche Begründer der physikalisch-chemischen Arbeitsrichtung angesehen werden. In Wien war die physikalische Chemie zunächst in der Physik angesiedelt. So war beispielsweise Joseph Loschmidt (1821-1895) als Professor für Physikalische Chemie am Physikalischen Institut der Universität Wien tätig. Erst nach Amtsantritt von Rudolf Wegscheider (1902) als Vorstand des I. Chemischen Laboratoriums wurde entschieden, daß am I. Chemischen Laboratorium vor allem die Physikalische Chemie, am II. Chemischen Laboratorium hingegen die Organische Chemie im Vordergrund von Forschung und Lehre stehen sollten.

Trotz größter Bemühungen, die Zahl der Laborplätze zu erhöhen, Subventionen für deren Ausstattung zu erhalten, vor allem aber eine wesentliche Vergrößerung des Personals zu erreichen, zeigte sich, daß es praktisch keiner Forscherpersönlichkeit in diesen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts gelungen war, die finanzielle Situation der Laboratorien entscheidend zu verbessern. Sicherlich mitverantwortlich war das Desinteresse von Kaiser Franz Joseph an den Naturwissenschaften, das von ihm ausging und sich über den Adel und die Beamtenschaft verbreitete. So führten alle diese aufopferungsvollen Bemühungen lediglich zu einer Art Grundsteinlegung des Chemiestudiums an der Universität Wien.



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