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Kriegsschuldfrage Beurteilung
Arbeitsauftrag:
Untersuchen Sie folgende Texte von Historikern.
Welche politischen Tendenzen werden durch die Aussage zur Kriegsschuldfrage
erkennbar. An welchen Punkten sind Unterschiede fest zu machen? Welche
Fakten sind umstritten? Wieso kommt es eigentlich zu diesem Streit, welche
Bedeutung hat er? Ihre Ergebnisse bitte in den Klassenordner
K12\Daten\Geschichte\K-schuldfrage |
1961 |
Der Historiker Fritz Fischer (1961)
Bei der angespannten Weltlage des Jahres 1914, nicht zuletzt als Folge der
deutschen Weltpolitik - die 1905/06, 1908/09 und 1911/12 bereits drei
gefährliche Krisen ausgelöst hatte -, mußte jeder begrenzte (lokale) Krieg
in Europa, an dem eine Großmacht unmittelbar beteiligt war, die Gefahr eines
allgemeinen Krieges unvermeidbar nahe heranrücken. Da Deutschland den
österreich-serbischen Krieg gewollt, gewünscht und gedeckt hat und, im
Vertrauen auf die deutsche militärische Überlegenheit, es im Jahre 1914
bewußt auf einen Konflikt mit Rußland und Frankreich ankommen ließ, trägt
die deutsche Reichsführung einen erheblichen Teil der historischen
Verantwortung für den Ausbruch eines allgemeinen Krieges. Diese verringert
sich auch nicht dadurch, daß Deutschland im letzten Augenblick versuchte,
das Verhängnis aufzuhalten: denn die Einwirkung auf Wien geschah
ausschließlich wegen der drohenden Intervention Englands, und auch dann
wurde sie nur mit halben, verspäteten und sofort widerrufenen Schritten
unternommen.
Aus: Fischer, F., Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des
kaiserlichen Deutschland 1914/1918, Düsseldorf 1961, S. 97
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1981 |
Der Historiker Wolfgang J. Mommsen
(1981)
Die verantwortlichen Staatsmänner [...] wagten es gar nicht erst, den
öffentlichen Erwartungen hinsichtlich der Aussichten einer Verwirklichung
imperialistischer Ziele entgegenzuwirken, weil sie fürchteten, dass sie dann
des Defätismus(4) [Miesmacherei] oder Pazifismus geziehen würden. Angesichts
der Tatsache, dass sie keine ausreichende politische Basis im Reichstag
besaßen und ihnen die Kontrolle über die traditionellen Machtträger
innerhalb des Kaiserreiches, insbesondere des Offizierkorps, die
Hofgesellschaft und die preußische Bürokratie, zunehmend entglitten war,
verfügten sie auch gar nicht über die politischen Möglichkeiten, um der
steigenden Flut nationalistischer Erwartungen wirksam entgegenzutreten.
[...] Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht überraschend, dass sich die
deutsche Regierung im Juli 1914 [...] eigentlich gegen die eigene
Überzeugung für einen politischen Kurs entschied, der nach Bethmann Hollwegs
Eingeständnis "einem Sprung ins Dunkle" gleichkam und den Ausbruch des
Ersten Weltkrieges unvermeidlich machte.
(4) hier: Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit
Aus: Mommsen, W. J., Der autoritäre Nationalstaat, Frankfurt (Fischer)
1990, S. 211 |
1991 |
Der Historiker Thomas Nipperdey (1991)
Der Krieg, die deutsche Kriegsbereitschaft und die Krisenpolitik waren nicht
eine Folge des deutschen Systems. [...] Auch in den parlamentarischen
Ländern waren Kriegsbereitschaft und Kriegsentscheidung einerseits Sache der
Exekutive, und überall spielten die Militärplanungen eine bedeutende und
verhängnisvolle Rolle. [...] Zwei Dinge gelten für alle (und diese
Gemeinsamkeit bewirkt ein Stück weit den Eindruck vom blinden Verhängnis):
Alle glaubten sich in der Defensive, und alle waren kriegsbereit. Alle
überschätzten die eigene existenzielle Bedrohung, alle unterschätzten den
kommenden Krieg. [...]
Der Krieg kam, weil alle oder einige am Frieden verzweifelten, nicht weil
alle oder einige zum Krieg unter allen Umständen entschlossen waren. Und
wenn man die Spielräume, die Entscheidungsfreiheit der Handelnden bedenkt,
so haben alle Anteil an der Zuspitzung der Krise, wenn auch unterschiedlich
an dem Scheitern der Krisenbewältigung, an dem Ende des Friedens. Darum
sprechen wir vom Ausbruch, nicht von der Entfesselung des Ersten
Weltkrieges.
Aus: Nipperdey, Th., Deutsche Geschichte 1866 - 1918, Bd. II, München
(Beck) 1992, S. 696f. |
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2002 |
Stefan Schuch
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1999 |
Internetseite zur Weimarer Republik
http://home.t-online.de/home/d-nix/weimar/weim03/weim305.htm
Allein schuld ?
Der naheliegenden Frage zur Berechtigung derart harter Kriegsfolgen für die
Verlierer Deutschland und Österreich wurde mit der Behauptung einer
deutschen Alleinschuld am Ersten Weltkrieg begegnet. Der Wortlaut des
Artikels 231:
"Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland
erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle
Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und
assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch
den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges
erlitten haben."
Daß diese moralische Behauptung in so offenkundiger Verbindung mit
materieller Bereicherung der Sieger auf Kosten der Verlierer stand, entzog
dieser Moral in der deutschen öffentlichen Meinung jedoch ihre Grundlage.
Dem Kriegsschuldvorwurf stehen zudem objektive Fakten entgegen.
Spannungsbogen
Hinter den Spannungen standen alte gesamteuropäische Streitigkeiten, deren
Symptome einen Bogen spannen von der Ermordung des serbischen Königspaares
1903 durch rußlandorientierte Offiziere, bis zur österreichischen Annektion
Bosniens 1908, der Marokko-Krise 1906-1911, ständigen Streitigkeiten über
die Flottenrüstung zwischen Deutschland und England, hin zu insgesamt drei
Balkankriegen unter fünf Staaten von 1912-1913. In diesem Raum war der
Spannungsherd, da die nördliche Regionalmacht Österreich-Ungarn sowie die
südliche Macht, das Osmanische Reich (Türkei), jeweils gerade im
Zerfallsprozeß standen und die entsprechenden Aasvögel anlockten. In dieser
kritischen Zeit hatte Kaiser Wilhelm seine politische Instinktlosigkeit
während eines Interviews mit dem Daily Telegraph 1906 überzeugend
demonstriert und Vorurteile gegen Deutschland gefördert.
Kriegsauslöser
Direkter Auslöser der Konfrontation war ein Mordanschlag auf den Habsburger
Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo (Bild). Der Täter
Gavrilo Princip gehörte zum Geheimbund "Schwarze Hand", der seine
Anweisungen vom Obristen im serbischen Generalstab Dimitrjewitsch erhielt,
vermutlich in Absprache mit dem russischen Gesandten Hartwig in Belgrad.
Serbien verfolgte mit Terroranschlägen gegen den österreichischen Staat das
Ziel einer Destabilisierung, um selbst führende Macht auf dem Balkan zu
werden. Unterstützt wurde Serbien von Rußland, sowohl aus panslawischem
Nationalismus als auch aus eigenen Interessen.
Motive
Deutschland und Österreich waren führende Kontinentalmächte, die alle
eigenen Gebietsansprüche bereits durchgesetzt und aus einem Konflikt nichts
zu gewinnen hatten.
Ganz anders bei ihren späteren Kriegsgegnern:
- Serbien hatte Gelüste auf Bosnien, das Österreich 1908 annektiert hatte;
- Rußland wünschte sich mit Serbien als Balkanmacht einen botmäßigen, von
seiner eigenen Größe abhängigen Verbündeten, der auch Rußland mehr Einfluß
in diesem Raum verschafft;
- Frankreich hatte noch Ansprüche gegen Deutschland aus seiner
Kriegsniederlage 1870/71;
- England sah seinen Frieden im Zwist auf dem Kontinent, es fürchtete jede
dominante Macht in Zentraleuropa, insbesondere die zunehmenden Marinerüstung
und überseeische Kolonialaktivitäten Deutschlands.
Der bröckelnde Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn wurde durch ständige
Gewaltakte zur Verteidigung seiner territorialen Integrität gegen den
russisch-serbischen Expansionismus gezwungen und Kaiser Wilhelm war der
Überzeugung: "unser eigenes Lebensinteresse erfordert die unversehrte
Erhaltung Österreichs."
Urlaubsreif
Österreich stellte nach dem Attentat am 23. Juli 1914 ein Ultimatum an
Serbien, worin Maßnahmen gegen die anti-österreichische Propaganda in
Serbien verlangt wurden. Der deutsche Kaiser reagierte zurückhaltend auf die
österreichischen Pläne für Repressalien, da "wir mit allen Mitteln
dagegen arbeiten müssen, daß sich der österreichisch-serbische Streit zu
einem internationalen Konflikt auswächst." Er befürwortete den Plan,
durch einen Balkanbund den Störenfried Serbien diplomatisch zu isolieren.
Selbst die taktierenden serbischen Winkelzüge auf das österreichische
Ultimatum befand Wilhelm als befriedigend und als moralischen Erfolg, größer
als man ihn erwarten konnte, jeder Kriegsgrund sei daher fortgefallen. Im
Vertrauen darauf, daß Frankreich dies ebenso sieht und während eines ohnehin
geplanten Staatsbesuchs Ende Juli mäßigend auf Rußland einwirkt, gingen
Wilhelm und seine Armeeoberbefehlshaber im Krisensommer 1914 wie jedes Jahr
in Urlaub, es wurden keine Anordnungen für einen Konfliktfall erlassen.
Sektlaune ?
Doch auf dem bewußten französisch-russischen Treffen vom 21. bis 23. Juli in
St. Petersburg ging es nicht um Frieden, sondern um das Gegenteil: Man
schwelgte in Sekt und Eroberungslaune. Die russische Großfürstin Anastasia
verkündete:
"Der Krieg wird ausbrechen ... von Österreich wird nichts mehr
übrigbleiben ... Frankreich wird sich Elsaß und Lothringen zurückholen ...
unsere Armeen werden sich in Berlin vereinigen ... Deutschland wird
vernichtet werden."
Der russische Außenminister Sasonow war es, der nach dem französischen
Staatsbesuch am 24. Juli 1914 erstmals öffentlich aus der Balkankrise den
Schluß zog: "Dies ist der europäische Krieg".
Bündnismechanik
Tatsächlich aber ging es doch lediglich um einen Machtkonflikt zwischen
Österreich und Serbien, der zur Kriegserklärung Österreichs führte (28.
Juli). Nur setzte sich damit ein Räderwerk der Bündnisse in Gang:
- Rußland, im Bündnis mit Serbien, Generalmobilmachung gegen Österreich (30.
Juli),
- Deutschland, im Bündnis mit Österreich, erklärt Rußland den Krieg (1.
August),
- Frankreich, im Bündnis mit Rußland, Generalmobilmachung gegen Deutschland
(1. August),
- Deutschland erklärt Frankreich deshalb den Krieg (3. August),
- England, im Bündnis mit Frankreich erklärt somit Deutschland den Krieg (4.
August).
Merkwürdige Logik
Die seit der Versailler Zeit herrschende Ansicht besagt, daß diese
Bündnismechanik und damit der Erste Weltkrieg ganz einfach verhindert worden
wären, wenn Kaiser Wilhelm als einziger aller Beteiligten seine
Bündnispflicht mißachtet hätte. Dann - so die Spekulation - hätte Österreich
den serbischen Mordanschlag auf seinen Thronfolger nicht rächen und alleine
keinen Krieg führen können. Diese erstaunliche Logik ist aber auch auf die
anderen Bündnisse anwendbar wobei
- das Bündnis mit Rußland Serbien zu Terroranschlägen gegen Österreich
verleitete,
- das Bündnis mit Frankreich Rußland zum Krieg gegen Österreich verleitete,
- das Bündnis mit England Frankreich zum Krieg gegen Deutschland verleitete.
Daß Wilhelm Wort und Vertrag nicht brach, sondern das tat, was auch alle
anderen taten, wird dennoch bis heute als Rechtfertigung für den Vorwurf
seiner Alleinschuld am Krieg genannt.
Hineingeschlittert
Schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg stellt der britische Premierminister
Lloyd George (Bild rechts) unter Einbeziehung der eigenen Person fest:
"Keiner der führenden Männer jener Zeit hat den Krieg wirklich gewollt.
Sie schlitterten gewissermaßen hinein, oder besser: sie taumelten und
stolperten hinein, vielleicht aus Torheit."
Kriegsschuldlüge
Der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg (Bild) blickte
auf die Weimarer Republik und die Kriegsschuldfrage zurück :
"Die Niederlage im Ersten Weltkrieg war ein Schock. Aber der eigentliche,
der unüberwindliche Schock war die Unterschrift deutscher Politiker unter
die Lüge, Deutschland sei alleinschuldig am Kriege gewesen. Diese
Kriegsschuldlüge hat uns zutiefst erbittert".
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Georg Franz-Willing: Kriegsschuldfrage
der beiden Weltkriege
Der Begriff "Kriegsschuld" entstand mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die
große Völkerkatastrophe führte dazu, daß die am Beginn
beteiligten Großmächte und Staaten "Farbbücher"
veröffentlichten, um dokumentarisch ihre Unschuld zu beweisen und die Schuld dem
Gegner anzulasten. Die alliierte Propaganda, vornehmlich von England weltweit
organisiert, verstand es, im Laufe des Krieges ihren Standpunkt, das heißt die
"Unschuld" der Alliierten und die Alleinschuld der deutschen Mittelmächte
erfolgreich in der ganzen Welt durchzusetzen. In der von ihnen geschaffenen
"Friedensordnung" verankerten sie mit dem Kriegsschuldparagraphen des Versailler
Diktats die Alleinschuld der Besiegten und vergifteten mit dieser Lüge die politische
Atmosphäre der Nachkriegszeit. Die Besiegten wurden dadurch aus der
Völkergemeinschaft ausgestoßen und zu Menschen und Nationen zweiter
Klasse erniedrigt. Aus einem derart vergifteten politischen Klima konnte nur neues Unheil
erwachsen. "Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend stets
Böses muß gebären." (Schiller)
Daher war der Zweite Weltkrieg die zwangsläufige Folge der "Friedensordnung" der
Sieger von 1918. Die Siegermächte des Weltkrieges, die USA, das Britische
Weltreich, Frankreich und Italien, tragen mit den von ihnen den Besiegten aufgezwungenen
"Friedensverträgen" von Versailles, St. Germain und Trianon die Verantwortung
für die Entwicklung nach dem Kriege und für die Entstehung eines Zweiten
Weltkrieges. Die USA sind die Hauptverantwortlichen für die Entwicklung zum
Zweiten Weltkrieg.
Die zweigeteilte Weltherrschaft zwischen Amerika und der Sowjetunion, die
Zerstörung Europas und der europäischen Ordnung waren das Werk der
amerikanischen Politik. Natürlich wurde wieder den Besiegten die Alleinschuld
angelastet. Das Deutsche Reich wurde zerstört, dem deutschen Volk damit seine
staatliche Existenz genommen und ein Sklavendasein aufgezwungen. Es gibt daher bis heute
keinen Friedensvertrag mit Deutschland. Die von den Besatzungsmächten
eingerichteten Verwaltungsapparate "Bundesrepublik Deutschland" und "Deutsche
Demokratische Republik" waren Werkzeuge der Weltmachtpolitik der Sieger der beiden
Supermächte Amerika und Sowjetrußland.
Die besiegten Nationen, vor allem Deutschland und Japan, wurden durch Umerziehung und
Vergangeneitsbewältigung einer totalen Gehirnwäsche unterworfen und
gezwungen, durch Selbstbezichtigung das Geschichtsbild der Sieger zu übernehmen
und sich dem geistigen Diktat zu unterwerfen. Die Siegermächte tragen mit dem
totalen Sieg auch die totale Verantwortung für die Nachkriegsordnung. |
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