40 Jahre Briefmarkengestaltung

4. Mai 2000

 

Eine große Aretz-Ausstellung in der Universitätsbibliothek wird auch einen packenden Spaziergang durch die deutsche Geschichte bieten

Er ist einer der erfolgreichsten Briefmarkengestalter Deutschlands, der Wuppertaler Künstler Professor Gerd Aretz - seit 1960 gestaltete er weit über 100 Marken für die Post. Jetzt präsentiert die Bergische Universität aus Anlaß des 70. Geburtstages ihres pensionierten Professors für Illustration eine Ausstellung "40 Jahre Briefmarkengestaltung": Die Schau in der Universitätsbibliothek läuft vom 12. Mai bis zum 9. Juni.

Der Wuppertaler Briefmarkengestalter Professor Gerd Aretz war - er lebt im äußerst unruhigen Ruhestand - Professor für Illustration im Fachbereich Design der Bergischen Universität. Er gilt als der Nestor, der Grand Seigneur der Briefmarkengestalter in Deutschland. Von der Zahl der Marken her zwar steht er nicht an allererster Stelle, aber in der Auflagenhöhe allemal. Denn allein die Dauerserie "Frauen der Deutschen Geschichte" hat inzwischen eine Milliarden-Auflage (!) erreicht, eine ebenso unvorstellbare wie nur per Briefmarke erreichbare Multiplikation eines künstlerischen Werkes.

Die Geschichte des gebürtigen Wuppertalers mit den kleinen Kunstwerken begann 1960, als er den ersten Wettbewerb gewann. Damals wie heute werden ausgewählte Künstler aufgefordert, Entwürfe einzureichen, über die dann eine hochkarätige Jury entscheidet. Seit es das ehemalige Postministerium nicht mehr gibt, liegt die Federführung dafür beim Bundesfinanzministerium, auch wenn die Vermarktung dann schließlich von der Deutschen Post AG durchgeführt wird. Eine 10-Pfennig-Marke zum 100. Geburtstag des berühmten Frankfurter Bischofs Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und Mitbegründer der katholischen Sozialpolitik, war so die erste Marke von Gerd Aretz.

Inzwischen hat er weit über 100 Marken für die Deutsche Bundespost bzw. die Deutsche Post AG entworfen, Standardmarken, Sondermarken, am spektakulärsten vielleicht der Präsidentenblock (1982) mit den fünf Bundespräsidenten Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens sowie die besagte Dauerserie, deren signifikanter Höhepunkt die heutige 1,10-DM-Marke mit Marlene Dietrich ist. Die mußte in Windeseile entstehen, weil die Post das Porto für Standard-Briefe von der runden Mark ganz kurzfristig um zehn Pfennig erhöht hatte. Aretz’ Marlene, deren Briefmarkengesicht er für die Zeichnung aus über 100 Foto-Vorlagen auswählte, hatte allein im vergangenen Jahr eine Auflage von 900 Millionen Exemplaren, insgesamt mittlerweile 2,5 Milliarden.

Wunderschön ist die seit drei Jahren laufende Serie mit den Deutschen Länderparlamenten (DM 1,10), von denen in alphabetischer Reihenfolge bisher 8 erschienen sind, die NRW-Marke kam am 13. April 2000 (sozusagen pünktlich zur Landtagswahl im Mai), nach der Niedersachsen-Marke (März) und vor Rheinland-Pfalz (August) und dem Saarland (November 2000). Der Düsseldorfer Landtag des berühmten Architekten Professor Fritz Eller, 1988 eingeweiht, ist das modernste aller 16 deutschen Länderparlamentsgebäude.

Eindrucksvoll ist auch Aretz’ Liste von Berühmtheiten aus Kunst und Kultur. Schon zehn Jahre vor dem Start der Dauerserie "Frauen der Deutschen Geschichte" porträtierte er 1975 vier bedeutende Schriftstellerinnen, nämlich Annette Kolb, Ricarda Huch, Gertrud von Le Fort und Else Lasker-Schüler. Aber auch die Marken mit den Porträts von Christoph Lichtenberg (zum 250. Geburtstag 1992), Wolfgang Borchert (zum 75. Geburtstag 1996), Martin Buber (100. Geburtstag 1978), Franz Werfel (50. Todestag 1995) und Heinrich George (100. Geburtstag 1993) stammen von Prof. Aretz.

Wie seine allererste Marke mit Bischof von Ketteler blieben Kirchenmänner eine gewisse Aretz-Spezialität, so Martin Niemöller (100. Geburtstag 1992), Jochen Klepper (50. Todestag 1992) und Friedrich von Bodelschwingh (100. Geburtstag 1977).

Lange Zeit auf Porträts berühmter Persönlichkeiten spezialisiert, hat sich Prof. Aretz in den letzten Jahren verstärkt auch anderen Motiven zugewandt. Solche - zuletzt 1999 - u.a. "100 Jahre erste Haager Friedenskonferenz" (DM 3,00) und zur 50. Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (DM 1,10) - macht er gemeinsam mit seinem Sohn Oliver Aretz, Diplom-Designer, der in Berlin eine Agentur betreibt. Im Januar 2000 erschien aber wieder einmal ein Porträt, die Sondermarke mit Herbert Wehner, ungewöhnlich der Anlass wie der Mann, nämlich zum 10. Todestag, Auflage 25 Millionen Exemplare.

Aber Aretz war als Gestalter selbstverständlich parteienübergreifend aktiv. Zu den für die Post porträtierten Politiker-Köpfen zählen Franz-Josef Strauß, Jakob Kaiser (Minister im ersten Kabinett Adenauer 1949) und Ludwig Erhard von den Unions-Parteien, die berühmten ehemaligen Berliner und Bremer Bürgermeister Ernst Reuter und Wilhelm Kaisen sowie Carlo Schmid und Herbert Wehner von den Sozialdemokraten, von den Liberalen Thomas Dehler und Reinhold Maier.

Der ganz große Durchbruch für Gerd Aretz war allerdings die Dauerserie "Frauen der Deutschen Geschichte", in deren Rahmen seit 1986 inzwischen 36 Marken erschienen sind. Ab Herbst wächst die Dauerserie "Frauen der Deutschen Geschichte" weiter. Neu erscheinen dann Marken zum Gedenken an die Schauspielerin Grete Weiser (DM 1,-), die SPD-Politikerin Käte Strobel (DM 1,10), die Schriftstellerin Marieluise Fleißer (DM 2,20) und die Literatur-Nobelpreisträgerin Nelly Sachs (DM 3,-).

Die Schau in der Wuppertaler Universitätsbibliothek ist somit auch ein eindrucksvoller Spaziergang durch die Geschichte. Mit einem von Gerd Aretz gestalteten Plakat wird in Wuppertal, Remscheid und Solingen für die Ausstellung geworben.

Zur Eröffnung der Ausstellung "Gerd Aretz: 40 Jahre Briefmarkengestaltung" am kommenden Freitag, 12. Mai, haben Uni-Rektor Professor Dr. Volker Ronge und Bibliotheksdirektor Dr. Dieter Stäglich eingeladen. Es sprechen der ehemalige Rektor der Bergischen Universität und Designtheoretiker Professor Dr. Dr.h.c. Siegfried Maser, selbst - schöner Zufall! - leidenschaftlicher Briefmarkensammler, der natürlich auch alle Aretz-Marken komplett besitzt, und Professor Dr. h. c. Bazon Brock als Dekan des Fachbereichs Design-Kunst-Musik-Druck, außerdem Hans-Jürgen Corduan vom Bundesfinanzministerium, seit fast 20 Jahren - früher im alten Postministerium schon - zuständig für die künstlerische Seite der Entstehung neuer Briefmarken.

Die Besucher der Ausstellungseröffnung erhalten übrigens eine handsignierte Ersttagskarte mit der jüngsten Aretz-Marke (NRW-Landtag) und der Unterschrift von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Die Deutsche Post AG legt für diesen Tag einen Sonderstempel auf und ist auch mit einem Stand vertreten.

MICHAEL KROEMER


WWW: Rainer Stephan, Dez 2.2