PCDD/F-Belastung nach Exposition gegenüber 'Kieselrot'

Wittsiepe, J.; Ewers, U.; Selenka, F.

DECHEMA-Fachgespräche Umweltschutz: "Kriterien zur Beurteilung organischer Bodenkontaminationen: Dioxine und Phthalate", DECHEMA Deutsche Gesellschaft f. Chemisches Apparatewesen, Chemische Technik und Biotechnologie e. V. (Hrsg.), Frankfurt, 409-430 (1995)

d Im Zusammenhang mit der im Jahre 1991 aufgedeckten hohen Belastung mit polychlorierten Dibenzo-p-dioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/F) des unter dem Handelsnamen 'Kieselrot' als Baumaterial für Deckschichten auf Sport- und Kinderspielplätzen vermarkteten Laugungsrückstands einer ehemaligen Kupferhütte in Marsberg (Nordrhein-Westfalen) wurden die Konzentrationen dieser Schadstoffe im Blut von 56 ausgewählten Probanden aus Marsberg untersucht. Es handelte sich dabei um direkte Anwohner der Rückstandshalden bzw. der früheren Kupferhütte und um Personen, die in besonderer Weise mit Haldenmaterial in Kontakt gekommen waren. Parallel dazu wurde eine gleichgroße Gruppe von alters- (±3 Jahre) und geschlechtsgleichen Personen aus dem Kreis Steinfurt (Münsterland, Nordrhein-Westfalen) untersucht.

Die Belastung der Marsberger Probanden betrug im Mittel 28,5 pg BGA-TE/g Blutfett (52,7 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett), die des Steinfurter Kollektivs 23,9 pg BGA-TE/g Blutfett (44,4 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett) (Medianwerte: Kollektiv Marsberg: 24,4 pg BGA-TE/g Blutfett (43,2 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett), Kollektiv Steinfurt: 23,4 pg BGA-TE/g Blutfett (43,0 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett). Die Konzentrations-Spannweiten betrugen 11,3 - 103 pg BGA-TE/g Blutfett (22,1 - 231 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett) {Marsberg} bzw. 9,1 - 48,9 pg BGA-TE/g Blutfett (16,9 - 98,9 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett) {Steinfurt}.

Die in Relation zu dem Steinfurter Kollektiv im Mittel höheren TE-Blutfettgehalte der Marsberger Probanden waren vornehmlich durch erhöhte Penta- und Hexa-CDF-Konzentrationen bedingt. Es ist zu vermuten, daß diese bei mehreren Probanden erkennbaren Auffälligkeiten des Kongenerenmusters durch Aufnahme von PCDD/F aus dem belasteten Haldenmaterial bzw. Boden zustande gekommen sind.

In mehreren Fallstudien wurden darüber hinaus bei insgesamt 42 Kindern, Sportlern, Anwohnern und Platzwarten nach Kontakt mit 'Kieslerot'-kontaminierten Sportflächen Blutuntersuchungen auf PCDD/F durchgeführt.

Die PCDD/F-Gehalte lagen bei diesem Kollektiv im Bereich 4,15 - 45,0 pg BGA-TE/g Blutfett (6,97 - 93,8 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett) bei mittleren Gehalten von 20,3 pg BGA-TE/g Blutfett (38,7 pg NATO/CCMS-TE/g Blutfett). In Bezug auf die Toxizitätsäquivalente und die Konzentrationen der 2,3,7,8-chlorsubstituierten Kongenere waren insgesamt keine auffällig erhöhten Belastungen der untersuchten Personen erkennbar. Unter Berücksichtigung des Lebensalters war bei einem Teil der Kinder jedoch eine geringfügig erhöhte Belastung erkennbar. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist diese jedoch nicht als Gesundheitsgefährdung einzustufen.

Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen scheint trotz der extrem hohen PCDD/F-Konzentrationen im Laugungsrückstand 'Kieselrot' nur ein sehr geringer Transfer zum Menschen zu bestehen.

Bei langjähriger beruflicher Exposition gegenüber 'Kieselrot' oder durch zusätzliche Akkumulation innerhalb der Nahrungskette, insbesondere infolge Nutztierhaltung, ist von deutlich höheren Transferraten auszugehen.

Im Verlauf üblicher Nutzung von Sportflächen mit Tennenbelegen aus 'Kieselrot' ist nicht von einer nennenswerten zusätzlichen PCDD/F-Aufnahme auszugehen. Die mit 'Kieselrot' angelegten Spielplätze sollten jedoch aus Vorsorgegründen weiter gesperrt bleiben und vordringlich saniert werden.


Back Top Hygiene Medizinische Fakultät RUB Homepage

URL: http://www.hygiene.ruhr-uni-bochum.de/hygiene/dioxin/publikationsliste_abstract.cfm?ln=14
Inhalt: Dr. J. Wittsiepe (Impressum); WWW: Dr. J. Wittsiepe, 13.06.07