Kulturgeschichte
des Wassers

Der Umgang des Menschen mit dem Lebenselement im Wandel der Zeit
Über die Zeiten und Kontinente ist der Mensch mit dem Lebenselement Wasser sehr verschieden umgegangen. Mal wurde es gefürchtet als Krankheitsüberträger, mal geheiligt in einem sakralen Akt wie der Taufe oder dem Bad im Ganges. Wolf Schneider erzählt die Geschichte des Umgangs des Menschen mit dem Wasser, vom alten Indien über das Zweistromland und das Mittelmeer der Antike bis nach Europa - und kommt schließlich bei unseren heutigen Badewannen an. von Wolf S. Schneider
  
Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sind Menschen seit je zur See gefahren. Fischfang und Handel haben die frühe Schifffahrt bestimmt, die Menschen sind dabei jedoch auch schon immer vom Mysterium des Wassers verzaubert worden. Bereits Homer erzählt in seiner Odyssee von der Macht der Sirenen: Die Anziehungskraft der süßen Stimmen dieser betörenden weiblichen Wasserwesen war so groß, dass Odysseus, als er an einer ihrer Inseln vorbeikam, seinen Gefährten die Ohren mit Wachs verstopfte und sich selbst an den Mast binden ließ, um ihnen nicht ins Reich des Wassers folgen zu müssen und zu ertrinken.
Die Magie des Wassers ist allerdings nicht für alle (und auch für die alten Griechen nicht durchweg) eine bedrohliche. Noch immer ist der Strand das unbestritten beliebteste Urlaubsziel der meisten Menschen. Um sich einmal im Jahr richtig erholen und entspannen zu können, wünschen wir uns einen Platz, der warm ist und möglichst auch am Wasser liegt, am besten am Meeresstrand. Wenn dann noch das Essen stimmt, ist mensch zufrieden. Was machen die denn alle am Strand? Die schwimmen doch gar nicht, und in der Sonne sitzen könnten sie auch auf der Zugspitze oder in Turin. Nein, es muss am Wasser sein, und zwar am liebsten an der sicheren Küste, aber ganz nah an der geheimnisvollen Unendlichkeit des Meeres. Hier rollen Wellen heran, die von weit her kommen: Meereswesen ohne materielle Konstanz, Gestalten des Ozeans; sie brechen sich hier in einem letzten Aufbäumen, bevor sie vor unseren Füßen am Strand sanft verenden. Der Wind formt sie endlos neu, und nie verschwinden sie ganz.

Die Nähe zum Wasser

Nachdem der Mensch von seiner Natur her so sehr das Wasser braucht, wundert es nicht, dass alle Kulturen sich mehr oder weniger ums Wasser drehten. Sie taten das natürlich auf sehr verschiedene Weise. Wenn man - von der griechischen zur türkischen Seite hinüber oder umgekehrt - die Ägais überquert, merkt man, dass die Häuser der griechischen Orte sich traditionell um den Hafen herum anordnen, während die der türkischen Dörfer und Städte die Straße zur Mitte haben. So unterscheiden sich Seefahrer- und Reiterkulturen. Es sind jedoch nicht nur die Seefahrerkulturen, sondern auch die Reiterkulturen aus dem Inneren der großen Kontinente, wie die türkische, aufs Wasser angewiesen und lassen sich als Organisationen um die Nahrungs- und Wasserversorgung herum verstehen. Das gilt noch mehr für die Wüstenkulturen. Im wasserarmen, kurdischen Südosten der Türkei streitet man sich um das Euphratwasser, und weiter südlich, in den eigentlichen Wüstenkulturen, war der Zugang zum Wasser seit Urzeiten die über Macht, Reichtum und Wohlbefinden entscheidende Frage und nicht das Öl.

 
Sakrales Baden in Indien
und im Zweistromland
Wir Menschen brauchen das Wasser jedoch nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht und suchen es auch nicht nur aus gesundheitlichen Gründen auf. Wir fühlen uns auch aus ästhetischen und religiösen Gründen vom Wasser angezogen. Am stärksten scheint die religiöse Bedeutung des Wasser seit je im indischen Raum gewesen zu sein. Dort fand man bei Ausgrabungen von Überbleibseln der uralten Indus-



















In Indien galt das Bad seit je her nicht nur der körperlichen, sondern auch der spirituellen Reinigung.

kultur ein rechteckiges Wasserbecken in der Mitte der Siedlungen. Mohendjo Daro, eine Stadt aus dem dritten Jahrtausend vor Christi, weist ein Becken von 12›‹7 m Randlänge und 2,5 m Tiefe auf. An den Schmalseiten führten breite Treppen ins Wasser, ein Säulengang umgab die Anlage. Dies ist den heute noch in Südindien gebräuchlichen Wasserbecken ähnlich, die besonders in der Nähe von Tempelanlagen stehen und der rituellen Reinigung dienen, aber auch zum Waschen und Wäschewaschen. Selbst wenn das Wasser sehr schmutzig ist, wie heute im Unterlauf des Ganges, schon in Höhe der heiligen Stadt Benares (Varanasi), gilt das dortige Baden unter Hindus noch immer als heilig und die Waschung mit diesem Wasser als von Sünden (beziehungsweise Karma) befreiend.
Noch älter als die indische ist möglicherweise die Badekultur des Zweistromlandes. Dort fand man in Herrscherpalästen aus dem fünften Jahrtausend vor Christi Badezimmer mit aus Ton gebrannten Wannen. Das Badezimmer der Herrscherin von Mari (ebenfalls in Mesopotamien) aus dem frühen zweiten Jahrtausend ist über 22 m2 groß und enthält zwei Keramikwannen, von denen eine vermutlich zur Körperreinigung, die andere als kosmetisches Warmbad benutzt wurde. Das Wasser dafür wurde in einem Keramikofen erhitzt. Eine zwischen den beiden Wannen positionierte Bank mit Armlehnen mag der Königin zum Ausruhen nach dem Bad sowie zum Einölen der Haut und kosmetischen Behandlung gedient haben.

 
Jüdisches Bad und christliche Taufe
Auch im Kulturraum des Alten Testaments, also im Nahen Osten des ersten Jahrtausends vor Christi, wird von Bädern berichtet, und zwar nicht nur zur Reinigung oder Heiligung, sondern auch in Bezug auf Erotik und Schönheit. So etwa in den Geschichten von Bathseba (2.Sam.11, 12), in die sich König David verliebte, weil er sie beim Baden gesehen hatte und "Susanna im Bade" (Daniel 13), die Maler des Mittelalters gerne als Motiv verwendeten, weil sie so eine erotische Geschichte in einem religiös akzeptierten Kontext darstellen durften. Die Geschichte erzählt wie Susanna bei ihrem Bad im Freien von zwei alten Männern beobachtet wurde. Die beiden Voyeure konnten ihrer Schönheit nicht widerstehen und versuchten sie zu verführen. Susanna wehrte sich jedoch, woraufhin die beiden Alten sie des Ehebruchs bezichtigten, den sie selbst beobachtet zu haben behaupteten.
Als Jesus von Nazareth im Alter von etwa 28 Jahren von Johannes "dem Täufer" hörte, ging er zu ihm, um sich ebenfalls taufen zu lassen. Johannes gehört einer Sekte mit indischem Hintergrund an, den Essenern, die für ihre Wasserrituale wohl auch warmes Wasser nutzten wie das der Thermalquelle Ein Gedi im heutigen Israel. Dass Johannes dieser durchaus kritisch beleumundeten Sekte angehörte, hielt den Judensohn Jesus nicht von dem heiligen Ritual ab. Er ließ sich taufen und fühlte sich nach der Waschung - entsprechend seinem jüdischen Kontext - als von seinem göttlichen Vater angenommen und von vergangenem Fehlverhalten (Sünden) befreit. In diesem Initiationserlebnis des jüdischen Zimmermannssohns hat die christliche Taufe ihre Wurzel.
Seit dem Frühchristentum gilt das Wasserritual der Taufe als Zeichen der Reinwaschung von Sünden. Die Urchristen praktizierten sie vermutlich als völliges Untertauchen (Immersionstaufe) von Erwachsenen. Einige christliche Gruppen wie die Adventisten und die Zeugen Jehovas bestehen deshalb auch heute noch auf dem völligen Untertauchen und zwar, wie bei Johannes und Jesus, von erwachsenen Bekehrungswilligen. Das Ritual der Aufnahme in die christliche Religion ist heute eines der Begießung oder Benetzung mit Wasser. Untergetaucht wird in den Volkskirchen nicht mehr, und man setzt auch nicht mehr die Entscheidungsfähigkeit des Erwachsenen für die Aufnahme in die Religion voraus.

  
Reinigungsrituale
Alle drei großen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - enthalten Rituale spiritueller Reinigung mit Wasser. Für das Judentum, die älteste der drei, sind das die Vorschriften über Reinheit, Unreinheit und die "Mikwe": das Bad in fließendem Grund- oder Regenwasser, das "Unreine" reinigt. Unrein sind zum Beispiel Frauen während der Menstruation oder Menschen, die Leichen oder als unrein erklärte Speisen berührt haben. Bestimmte, vor allem religiöse Handlungen, aber auch der Geschlechtsverkehr, dürfen erst nach der Mikwe ausgeführt werden.
Das Christentum enthält die Taufe als wichtigstes Wasserritual. Ein weiteres christliches Wasserritual ist die Weihwassergeste der Katholiken beim Betreten der Kirche: Man benetzt die Stirn mit dem geweihten Wasser und macht mit der so befeuchteten Hand das Zeichen des Kreuzes. Die Religiosität dieser Handlung beruht in ihrem Ursprung letztlich darauf, dass wir Landlebewesen mit dieser Geste uns unser Heimatelement zur Stirn führen und uns damit "weihen". Es ist die Feuchtigkeit des Fruchtwassers der Gebärmutter und des Urozeans, die das Weihwasser der Kirchen so heilig macht.
Ganz ähnlich dem Weihwasser der katholischen Kirchen gehört zu jeder Moschee ein Brunnen. Dort reinigen sich die Moslems vor dem Gebet mit fließendem Wasser, so wie es ihnen ihr heiliges Buch vorschreibt. Im Falle von Wassermangel erlaubt der Koran, dieses Ritual in der Wüste oder beim täglichen Gebet unterwegs auch mit Sand zu vollziehen.

  
Badekultur im antiken Europa
Das Badewesen im alten Griechenland entwickelte sich nach dem Vorbild orientalischer und indischer Bäder. Homer (im 8. Jahrhundert vor Christi) erzählt, wie Odysseus nach langer Reise ein heißes Bad nahm, nach dem er von Mägden eingeölt wurde. Ansonsten ist unter den frühen Griechen eher das kalte Bad bekannt. Die Gymnasien, Stätten des sportlichen Wettkampfs und der athletischen Übungen, wurden meist in der Nähe des Meeres oder eines Flusses angelegt, damit die Sportler sich nach dem Kampf waschen konnten. Im Gymnasium selbst gab es bis ins fünfte Jahrhundert nur Brunnen oder Kaltwaschbecken. Erst im Verlauf jenes Jahrhunderts entstanden in den Gymnasien größere Badeanlagen und erst ab dem vierten Jahrhundert waren darunter auch beheizte. Das Warmbad hielten die spartanischen Griechen eher für verweichlichend. So empfahl Platon in seiner Vision vom idealen Staat ("Politeia") das warme Bad nur den Alten und Kranken.

Bäder als Erholung, Erquickung, Gebärmutter des Neuen - auch die Badearchitektur kann das Heilende und das Sakrale des Wassers ausdrücken.

Ab etwa 100 vor Christi entwickelte sich das für die griechisch-römische Antike so bezeichnende Hypokaustenbad: Aus tiefliegenden Feuerstellen wurde heiße Luft in Hohlräume unter Steinfußböden geleitet in einem ausgefuchsten System, das man heute wohl Fußbodenheizung nennen würde. Zugleich heizten diese Brennstellen auch Wasser für die diversen Warmbäder (Caldarien).
Zur Kaiserzeit in Rom erreichte die antike Badekultur ihren Höhepunkt. Riesige öffentliche Thermen zogen täglich Tausende von Besuchern an. Das zentrale Gebäude der im Jahre 216 nach Christi eröffneten Caracalla-Thermen in Rom maß 220›‹114 m, bei einer Kuppelhöhe des Caldariums von über 33 m. Die ganze Anlage umfasste 337›‹328 m und bot mehr als 1500 Badenden Platz. Sie enthielt Bibliotheken und Lesesäle, Kunstgalerien, Fitnesszentren, Gaststätten, Läden und Gärten. Der tägliche Wasserverbrauch lag bei etwa 10.000 m3 und wurde über Aquädukte herbeigeführt, Wasserleitungen mit einer Gesamtlänge von über 400 km, die damals die Hauptstadt versorgten. Die Caracalla-Thermen wurden über 300 Jahre lang betrieben und beendeten ihren Betrieb erst, als die Westgoten im Kampf um Rom 535 die Wasserversorgung abschnitten.

 
Baden im christlichen Mittelalter
Die frühen Christen waren in ihren Badegewohnheiten überwiegend noch Menschen der Antike, die ihren Körper regelmäßig reinigten. Viele der damaligen Klöster waren mit Badeanlagen nach römischem Vorbild ausgestattet. Im Lauf der Zeit setzte sich jedoch mehr die paulinisch-christliche Körperfeindlichkeit durch. Nun sollte möglichst nicht mehr zum Vergnügen gebadet werden und auch nicht zu oft. Der Ordensgründer Augustinus (354 - 430) gab für seine Klöster die Anweisung, nur einmal im Monat zu baden. In der Antike war es hingegen üblich gewesen, täglich oder wenigstens wöchentlich den ganzen Körper zu waschen. Nicht selten wuschen sich Mönche und Nonnen aus tiefer Überzeugung überhaupt nicht; die Taufe blieb für sie das einzige Bad in ihrem Leben. Ein Extremfall war wohl der heilige Hieronymus, der vor allem Jungfrauen eindringlich vom Bad abriet. Seine Befürchtung war, sie könnten dabei ihren (eigenen!) Körper zu Gesicht bekommen und somit Schaden an der Seele leiden, deshalb sollten sie, wenn überhaupt, nur im Dunkeln baden.
 
Bäder des islamischen Orient
Die Badekultur des islamischen Bereichs im östlichen und südlichen Mittelmeer baute architektonisch und technisch auf der römischen Badekultur auf. In der Mitte eines islamischen Warmbades oder "Hammam" befindet sich jedoch anstelle des römischen Warmwasserbeckens ein Steinplattenpodest, das von unten hypokaustisch beheizt wurde, denn der Koran erlaubt nur das Baden in fließenden Gewässern. Rundum befinden sich, in Nischen oder Seitenflügeln, Wasserhähne für warmes und kaltes Wasser, an denen sich die Badenden einzeln bedienen. Seitenfenster gibt es keine, Tageslicht fällt nur durch kleine, oft sternförmige Öffnungen in der meist kuppelförmigen Decke, die das Sternenzelt nachahmt. Männer und Frauen baden getrennt, entweder in getrennten Hammams oder zu ganz verschiedenen Zeiten und werden auch nur von gleichgeschlechtlichem Personal bedient. Statt dem römischen Caldarium, dem Heißluftraum, findet man hier den Harara oder Dampfschwitzraum mit feuchter Luft. Zum typischen Badegang in einem solchen Hammam gehört auch die türkische Massage, bei der die Glieder erst einmal auf kunstvolle Weise verrenkt werden; die Haut wird mit einem Ziegenhaarhandschuh traktiert, bevor sie dann endlich eingeseift und abgespült wird. Erst danach darf man sich erholen.
Das Illidsche oder Thermalbad enthält im Gegensatz zum Hamman ein Warmwasserbecken, denn hier sprudelt das Wasser ja aus der heißen Quelle und bleibt in Bewegung. Das wunderschöne Gellert-Bad in Budapest ist, wie viele andere, in seiner Bauweise von islamischen Illidsches inspiriert.
Die islamisch-türkische Badekultur hinterließ in Europa vor allem auf dem Balkan durch die jahrhun-dertelange türkische Besetzung ihre Spuren, dort findet man auch heute noch Hammams bis in kleinere Orte der Provinz.
 
Badeanstalten
des bürgerlichen Zeitalters

Mit dem Badeboot auf der Seine begann 1761 in den europäischen Städten die Badekultur der Moderne. Es war dies das erste öffentliche, städtische Bad nach der Schließung der spätmittelalterlichen Badehäuser im 16.Jahrhundert wegen Seuchengefahr. Auf dem Boot befanden sich Kabinen mit Badewannen, vier für Herren, sieben für Damen, sowie Ruheräume. Dem Pariser Vorbild folgten 1774 zwei Badeschiffe in Frankfurt. Das Hygienebewusstsein hatte sich gewandelt.
Die zwei vorangehenden Jahrhunderte hatte man das Waschen mit Wasser in Europa überwiegend für gesundheitsschädlich gehalten. Wie sich diese jahrhundertelange Wasserscheu auf unser Verhältnis zur Natur und zum Weiblichen ausgewirkt hat, ist noch kaum untersucht. Während Europa die Welt kolonisierte, war es von der Überzeugung geprägt, dass Wasser zwar getrunken werden dürfe, auf der Haut aber schade. Weiter kann sich ein aus dem Wasser stammendes Lebewesen von seiner Natur wohl kaum entfernen.
Trotz des Wandels im Hygienebewusstsein waren Badezimmer mit Badewannen Ende des 18. Jahrhunderts noch selten. Im Mittelstand Anfang des 19. Jahrhunderts pflegte, wer es sich leisten konnte, zum wöchentlichen Warmbad eine Badewanne zu mieten. So besaßen 1836 in Paris 1013 Kleinunternehmer die Lizenz, heißes Wasser zu verkaufen. Sie lieferten es zusammen mit der Badewanne auf einem zweirädrigen Karren.
Auf dem Gebiet der städtischen Wasserversorgung jener Zeit war England führend. Dort nutzte man schon seit 1810 Dampfmaschinen, um Wasser in erhöhte Reservoirs zu pumpen, die die Häuser von London mit fließendem Wasser versorgten. 1855 besaßen fast alle Londoner Haushalte einen Wasserzulauf, jedoch nur ein Zehntel hatte Kanalisation. Als Cholera-Epidemien im 19. Jahrhundert die großen europäischen Städte heimsuchten, wusste man schon mehr über Krankheitsübertragung als zur Zeit der Pest und Syphilis im 16. Jahrhundert. Das neue Hygienebewusstsein verlangte nicht mehr ein generelles Vermeiden vom Waschen mit Wasser, sondern dass bei der Zuleitung des Brauchwassers auf reine Quellen und auf eine umfassende städtische Kanalisation geachtet wurde.

 
Badekultur in Deutschland
Nach englischem Vorbild eröffnete Hamburg 1855 die Wasch- und Badeanstalt am Schweinemarkt mit 65 Wannenbädern. 1857 folgten Berlin und Fürth, 1860 Magdeburg, 1865 Hannover. 1886 gab es in Deutschland insgesamt 1131 Warmbadeanstalten mit Wannenbädern, deren Besuch für die meisten aber immer noch zu teuer waren. Ein wöchentlicher Besuch hätte für eine Arbeiterfamilie ein Drittel des Wochenlohns verschlungen. So ging man gegen Ende des Jahrhunderts dazu über, preisgünstige öffentliche Bäder zu errichten, auch durch Einsparungen beim Wasserverbrauch durch Duschen statt Badewannen, wie etwa in Wien die "Volksbrause" (1887).
Seit 1870 wurden in Deutschland auch öffentliche Schwimmbäder gefördert. Bis zur Jahrhundertwende waren sie in allen großen Städten zu finden, vom Eintrittspreis her aber waren sie noch für das Bürgertum reserviert.
Architekturgeschichtlich berühmt wurden einige der Jugendstilbäder, wie zum Beispiel das Volksbad in München oder das schon erwähnte Gellert-Bad in Budapest. Schwimmbäder für alle Schichten, die auch von den Schulen genutzt wurden, gab es in ausreichender Anzahl für die gesamte Bevölkerung erst in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts. Das Wasser dort ist generell stark gechlort, der Stil der Einrichtung eher sportlich als ästhetisch oder lebenslustig.

 
Hydrotherapie
Im 19.Jahrhundert entstand auch die deutsche Hydrotherapie. Der Autodidakt Vinzenz Prießnitz hatte sich um 1816 selbst mit einer Anwendung kalten Wassers geheilt und wurde so bald zum "Wasserdoktor". Pfarrer Kneipp gründete ein paar Jahrzehnte später auf den Erfahrungen von Preißnitz und anderen seine "Kneippschen Güsse" und wurde mit dem Buch "Meine Wasserkur" von 1886 sehr populär. So zählte man Ende des Jahrhunderts in Mitteleuropa neben vielen kleinen über hundert große Wasserheilanstalten, die den Kneippschen Kaltwassertherapien folgten.
Ein eigenes Badezimmer konnten sich im 19. Jahrhundert noch die wenigsten leisten. Zunächst, bei fehlender Kanalisation und oft auch fehlendem Wasserzulauf, war der Betrieb eines solchen noch sehr schwierig. Schließlich war auch die Erhitzung des Wassers nicht leicht, sie ging oft vom Küchenherd aus. Hinzu kam, dass man oft befürchtete, sich vom Baden erkälten zu können oder durch das Baden den gesundheitlichen Allgemeinzustand zu schwächen.

 
Das moderne Badezimmer
Die tägliche Dusche ist heute für 75% der erwachsenen Deutschen normal. Fast jeder hierzulande hat ein Badezimmer oder wenigstens Zugang zu einem Badezimmer. Die Zeiten, in denen Wasser als gesundheitsgefährdend oder Reinlichkeit als der Sünde Tür und Tor öffnend galten, sind vorbei.
Als ich 1991 ein Gemeinschaftshaus ausbauen und einrichten konnte, in dem ich einige meiner Vorstellungen vom "schönen Leben" umzusetzen begann, stellte ich fest, dass die billigsten Doppelbadewannen ungefähr fünf Mal so teuer waren wie die Standard-Einzelbadewanne. Sie waren nicht größer oder vom Material oder der Bauweise her aufwändiger herzustellen, sie waren nur seltener gefragt und daher von der Stückzahl her nicht so preisgünstig herzustellen. Das gilt, obwohl man natürlich auch eine Doppelbadewanne als Einzelbadewanne verwenden kann, es muss ja nur der Abfluss mit dem Überlauf so gelegen sein, dass er eine zweite Person nicht im Rücken drückt, und eine zweite leichte Schräge muss vorhanden sein.
Der Europäer ist aber seit Jahrhunderten gewohnt, wenn überhaupt, dann allein zu baden, und seine Standardbadewanne ist noch nicht einmal körpergerecht. Für Menschen normaler Größe ragen die Knie auch bei höchstem Wasserstand heraus, und die Rückenschräge ist so, dass man schon nach einer halben Stunde mit Schmerzen wieder aussteigt. Im Badezimmer findet man bei uns eine körperfreundliche Kultur noch immer nur in Ansätzen.
Warum überhaupt ist das Badezimmer immer mit dem Klo kombiniert? Warum nicht mit der Küche, dem Schlafzimmer oder Wohnzimmer? Zu einem ästhetischen Wohnraum gehört für mich Wasser - sei es im Aquarium oder in einem Zimmerbrunnen oder wenigstens in vielen Pflanzen - oder eben ein Bad. Und im Bad möchte ich Pflanzen und Sonnenlicht haben, vielleicht auch eine Musikanlage und einen Fernseher und möchte dort auch essen und trinken können. Das Klo ist, was ich im Bad am wenigsten suche.


Der Mythos des Jungbrunnens lässt sich durch die ganze Geschichte Europas zurückverfolgen. Sein Motto: Wasser macht jung! 
  
Eine neue Wasserarchitektur
Die Badezimmer in deutschen Wohnungen sind auch heute noch überwiegend Säuberungsräume und die öffentlichen Bäder Wassersportanstalten. Bäder, die Lebenslust, Ästhetik, Erotik und Religiosität ausdrücken, wären dem vielfältigen Wesen des Menschen viel angemessener. Ich wünsche mir eine sakrale Badearchitektur, die das Heilige, Weibliche und Allumfassende des Wassers ausdrückt. Ich kann mir auch sakrale Bauten vorstellen, Kirchen oder Tempel, die dem religiösen Charakter der Beziehung des Menschen zum Wasser Ausdruck geben. Das Element, aus dem wir stammen, kann für uns erwachsene Landbewohner auch heute noch Heimat sein und uns immer wieder erinnern und rückbinden ans Ganze.