Machen Computerspiele aggressiv? | |
Von Arne Birkenstock |
Psychologen der Ruhr-Universität Bochum haben in einer aufwendigen Studie
nachgewiesen, dass Computerspiele die Aggressivität bei Kindern fördern und
ihr Einfühlungsvermögen (Empathie) mindern. Zu dieser deutlichen Aussage kamen
die Wissenschaftler in einer Studie, in der über einen Zeitraum von acht
Monaten 153 Jungen und 127 Mädchen im Alter von 8 bis 14 Jahren
untersucht wurden.
Den Kindern wurde in einem Versuchsraum eines von drei unterschiedlichen Spielen
zugewiesen (ein gewaltfreies Spiel, ein leistungsthematisches „Problemlösespiel“
und ein Kampfspiel). Anschließend wurden die Probanden mit einem Bildersatz
konfrontiert, der 96 positive und negative Bilder enthielt. Mit einer Elektrode
am Zeigefinger sowie einer Videokamera zeichneten die Forscher die Reaktionen
der Kinder auf diesen Bildersatz auf.
Dabei haben die Wissenschaftler mit dem Spiel „Virtua Fighter“ eines der
vergleichsweise harmlosen Spiele untersucht. Trotzdem sank die Mitleidsfähigkeit
(Empathie), die als wichtigster aggressionshemmender Faktor beim Menschen
angesehen wird, deutlich gegenüber den jugendlichen Spielern, die mit
gewaltfreien Spielen wie „Der kleine Prinz“ oder „Zubinis“ konfrontiert
wurden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Bochumer Forscher bestätigen viele der lange vermuteten,
bislang aber nie nachgewiesenen Wirkungen vor allem von gewalthaltigen
Computerspielen auf Kinder: Die Mitleidsfähigkeit (Empathie) der Kinder wird
reduziert. Die Kinder, die „Virtua Fighter“ spielten, reagierten deutlich
ungerührter auf negative und belastende Bilder (zum Beispiel auf Menschen und
Tiere in Not) und waren bereit, sich diese auch länger anzusehen. Das zweite
wichtige Ergebnis der Studie ist, dass die Eltern-Kind-Beziehung und die
Einflussnahme der Eltern auf Spielverhalten und -auswahl für die
Aggressionsbereitschaft der Kinder große Bedeutung haben. Bei der großen
Mehrheit der Befragten findet aber eine solche Einflussnahme überhaupt nicht
statt.
Der amerikanische Militärpsychologe Dave Grossman geht in
seinem Buch „Stop Teaching Our Kids to Kill“ (Random Press, New York 1999)
noch weiter und stellt einen direkten Zusammenhang zwischen gewalthaltigen
Computerspielen und den Massakern an amerikanischen Highschools der vergangenen
Jahre her. Grossman, der lange an der Westpoint Academy gelehrt hat, weist
darauf hin, dass Computerspiele mit denselben Mechanismen arbeiten wie die
Simulationen des amerikanischen Militärs. Grossman bezieht sich auf
Brutalo-Spiele wie „Quake II“ und bezeichnet diese als Tötungssimulatoren,
die die natürliche Hemmschwelle des Menschen, einen Artgenossen zu töten,
abbauen. In eindrucksvollen Beispielen beschreibt Grossman, wie Computerspiele
Kinder zum Killer machen: „Sie geben ihnen den Willen und die Fähigkeit zu töten
an die Hand. Das einzige, was ihnen dann noch fehlt, ist die Waffe.“
In Deutschland sind die Arbeiten des Amerikaners umstritten: „Grossman hat bis
heute keinerlei empirische Beweise vorgelegt, er belegt seine Thesen nur mit
Anekdoten“, meint der Psychologe Clemens Trudewind von der Ruhr-Universität
Bochum. Die von ihm und seiner Kollegin Rita Steckel vorgelegte Studie ist eine
der ersten empirischen Experimente überhaupt, mit denen ein möglicher
Zusammenhang zwischen Computerspielen und Aggression hergestellt wurde.
Vergleichbare Untersuchungen existieren bislang nur über die
Wirkungsmechanismen gewalthaltiger Filme und Fernsehsendungen auf Kinder und
Jugendliche.
Die Bochumer Forscher betonen die wichtige Rolle der Eltern beim Umgang mit
Computern. Eltern sollten sich einmischen und auch einmal selbst die Spiele
ihrer Kinder ausprobieren. In jedem Fall sollten sie wissen, welche Spiele ihre
Kinder spielen und dafür sorgen, dass Computer und Fernsehen nicht das einzige
Freizeitprogramm der Kinder sind.
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in den folgenden Broschüren, die regelmäßig aktualisiert werden:
Buchtipps:
(Bei Ratgeber-Büchern zum Thema Computer sollten Sie auf das Jahr der letzten
Neuauflage achten. Denn Informationen zum Computer veralten schnell.)
Weitere Informationen:
Weitere Informationen auch zu den Themen „Gewalt und Fernsehen“,
„Werbung“, „Multimedia“, „Radio und Hören“ und „Lesen“ sind
nachzulesen im Internet oder in Broschüren, die Sie unter der folgenden Adresse
erhalten können:
Dieser Text
gibt den Inhalt des Beitrags der ServiceZeit Familie vom 13. Dezember 2000
wieder.
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