Wir Joseph der Zweyte, von Gottes Gnaden
erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten
Mehrer des Reiches, König in Germanien, Hungarn und
Böheim ect., Erzherzog zu Österreich, Herzog zu
Burgund und Lotharingen etc. etc. Entbieten Unseren
gesammten treugehorsamsten Ständen,
grundobrigkeitlichen Beamten, Ortsrichtern, Geschworenen
und übrigen Unterthanen in Böhmen, Mähren
und Schlesien Unsere landesfürstliche Gnade und
geben euch hiemit gnädigst zu vernehmen:
Da Wir in Erwägung gezogen, daß die
Aufhebung der Leibeigenschaft und die Einführung
einer gemäßigten, nach dem Beyspiel Unserer
Österreichischen Erblande eingerichteten
Unterthänigkeit auf die Verbesserung der
Landeskultur und Industrie, den nützlichsten
Einfluß habe und daß Vernunft und
Menschenliebe für diese Änderung das Wort
sprechen, so haben Wir Uns veranlaßt gefunden, von
nun an die Leibeigenschaft gänzlich aufzuheben,
statt derselben eine gemäßigte
Unterthänigkeit einzuführen und hierunter den
Grundobrigkeiten und ihren Beamten, dann den Unterthanen
Folgendes zur genauesten Nachachtung
gesetzmäßig vorzuschreiben:
Erstens: Ist jeder Unterthan blos gegen vorherige
Anzeige und unentgeltliche Meldezettel sich zu
vereheligen berechtigt; sowie
Zweytens: Jedem Unterthan frey steht, unter
Beobachtung desse, was das Werbbezirks-System
vorschreibt, auch von der Herrschaft hinwegzuziehen und
inner Landes anderswosich niederzulassen oder Dienste zu
suchen. Nur haben jene Unterthanen, die von ihren
Herrschaften hinwegziehen und sich anderswo häuslich
oder inwohnungsweise niederlassen wollen, ebenfalls den
unentgeltlichen Entlaßschein, den sie auch der
neuen Grundobrigkeit aufzuweisen, und anmit, daß
sie von der vorigen grundobrigkeitlichen Pflicht
entlassen seyen, zu bewähren hätten,
anzubegehren.
Drittens: Können die Unterthanen nach Willkuhr
Handwerke und Künste etc. erlernen und ohne
Losbrief, welche ohnehin schon gänzlich
aufhören, ihrem Nahrungs-Verdienste, da wo sie ihn
finden, nachgehen.
Viertens: Sind die Unterthanen künftig einige
Hofdienste zu verrichten nicht mehr schuldig: nur
haben
Fünftens: Jene, die beyder Eltern verwaiset sind,
wegen der von der Obrigkeit unentgeltlich besorgenden
Obervormundschaft die üblichen Waisen Jahre, welche
jedoch nirgends drey Jahre zu übersteigen haben, und
nur jener Orten, wo sie Herkommens sind, auf dem Hof
abzudienen. Und da endlich
Sechstens: Alle übrige auf den unterthänigen
Gründen haftende Roboten, natural- und
Geld-Praestationen, zu welchen die Unterthanen auch nach
aufgehobener Leibeigenschaft verbunden bleiben, in
Unseren böhmischen Erblanden duch die
Urbarial-Patenten ohnehin bestimmet sind; so kann
außer diesen den Unterthanen ein Mehreres nirgends
auferlegt, am wenigsten aber, da sie anjetzo als nicht
mehr leibeigene Menschen anzusehen sind, unter der Rubrik
der vorigen Leibeigenschaft von ihnen mehr etwas
abgefordert werden. Übrigens verstehet sich von
selbst, daß die Unterthanen ihren Obrigkeiten auch
nach aufgehobener Leibeigenschaft vermög der
diesfalls ohnehin bestehenden Gesetze mit Gehorsam
verpflichtet bleiben. Wornach sich also in Hinkunft zu
achten, Unsere vorgesetzte Kreisämter und Stellen
aber in vorkommenden Fällen dieses Gesetz zur
unabweichlichen Richtschnur zu nehmen, auch auf dessen
Befolgung genaueste Obsicht zu tragen haben werden.
Denn geschiehet hieran Unser höchster auch
ernstlicher Wille und Befehl. Gegeben in Unserer
Residenzstadt Wien, den ersten Tag des Monats November in
siebenzehnhundert ein und achtzigsten, Unserer Reiche der
römischen im achtzehenden und der erbländischen
im ersten Jahre.
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