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Amnesty beklagt "Politik der Angst"

von David Böcking (Hamburg)

Vor einer polarisierten Welt warnt Amnesty International im Jahresbericht 2007. Weltweit würden Regierungen gezielt Ängste schüren, um Menschenrechtsstandards unterlaufen zu können. Die Kritik richtet sich auch an Deutschland.

Der Wälzer, der am Mittwoch im Fischer-Verlag erscheint, wird es nie zum Bestseller schaffen. Dabei lassen die 512 Seiten an Dramatik kaum zu wünschen übrig: getrennte Familien, Waffenlieferungen, Entführungen durch Geheimdienstler. Die Menschenrechtler von Amnesty International haben einmal mehr die Lage in 153 Ländern dokumentiert. Erfreulich waren diese Berichte angesichts grausamer Verbrechen in einzelnen Ländern noch nie. Bemerkenswert ist aber, dass Amnesty inzwischen eine weltweite Erosion der Menschenrechte beklagt.

Fordert konkrete Hilfe für Afrika: Amnesty-Generalsekretärin Barbara Lochbihler
 Fordert konkrete Hilfe für Afrika: Amnesty-Generalsekretärin Barbara Lochbihler

"Angst ist eine treibende Kraft der Weltpolitik geworden", sagte die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Barbara Lochbihler, am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresberichts in Berlin. Bei aller berechtigten Angst vor Anschlägen oder Überfällen drohe die "Politik der Angst" eine Spaltung zwischen Religionen und sozialen Gruppen zu verschärfen. Laut Amnesty nutzen Regierungen Furcht vor Terrorismus gezielt, um Freiheitsrechte weltweit einzuschränken. Andere Sicherheitsrisiken wie Armut oder Krankheiten, die das Leben von Milliarden beeinträchtigen, fänden zugleich wenig Beachtung.

Appell an G8-Teilnehmer

Mit dieser Einschätzung wendet sich Amnesty auch an die Teilnehmer des G8-Gipfels in Heiligendamm. Diese müssten sich daran messen lassen, was sie konkret für die Verbesserung der Lage der Menschen in Afrika tun würden, die einen der Schwerpunkte des Gipfels bildet. "Die G 8 müssen sich zumindest darauf verständigen, dass das UN-Waffenembargo gegen Sudan eingehalten und Verstöße geahndet werden", sagte Lochbihler. Obwohl der ethnische Konflikt in der Provinz Darfur geschätzte 400.000 Opfer gefordert hat, findet er in der europäischen Öffentlichkeit bislang wenig Beachtung.

ZUM THEMA

Auch ein anderes Großereignis nimmt Amnesty zum Anlass für massive Kritik: Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele sei China weit entfernt von seiner Zusage, die Lage der Menschenrechte zu verbessern. Hunderttausende würden in "Umerziehungslagern" festgehalten - ein Zustand, der sich laut Amnesty im Vorfeld der Spiele noch verschärfen könnte. Als quasi rechtlos beschreibt die Organisation das Heer von 150 bis 200 Millionen Wanderarbeitern, die in China unter menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigt würden.

Ein Fixpunkt für die Verschlechterung der weltweiten Menschenrechtslage sind für Amnesty die Anschläge vom 11. September und der darauf folgende "Krieg gegen den Terror". In diesem Zusammenhang kritisiert die Organisation auch die mutmaßliche Verstrickung deutscher Behörden in illegale Entführungen durch US-Geheimdienste. Der Fall des von der CIA verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri hatte erst in der vergangenen Woche Schlagzeilen gemacht, nachdem der offenbar traumatisierte Mann einen bayerischen Großmarkt angezündet hatte. Im Amnesty-Bericht heißt es, die Behandlung der Entführungsfälle in Untersuchungsausschüssen zeige, "dass die Bundesregierung an Aufklärung kein Interesse hat."

Mehr Hilfe fordert Amnesty von der deutschen Regierung für die irakische Bevölkerung. Angesichts einer "katastrophalen Sicherheitslage und der alarmierenden humanitären Situation" im Land ruft die Organisation die deutschen Innenminister dazu auf, irakische Flüchtlinge aufzunehmen und einen Abschiebungsstopp für Iraker zu beschließen.

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FTD.de, 23.05.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: menschenrechte.de

 

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