Interview der AG Geschichte mit Prof. Dr. Alfons Kolling
am 7.2.2000 im Mannlichzimmer des Edelhauses in Schwarzenacker


Zur Person:

Frage: Welche genaue Bedeutung hat das Pentagondodekaeder?
Prof. Dr. Kolling: Der Begriff Pentagondodekaeder ist abgeleitet von der Form des Körpers und bedeutet einfach, dass er aus zwölf Flächen mit jeweils fünf Ecken besteht. Solche hohlen würfelartigen Körper fand man nur in Römersiedlungen in den Gebieten, die vorher von Kelten besiedelt waren, also nur in England und von Deutschland bis nach Ungarn, nicht im heutigen Italien. Das geometrische Gebilde wurde von einem Griechen erfunden. Angeblich liebten die Götter ungerade Zahlen. Da aber eine kleine griechische Philosophengruppe, die Pythagoräer, die Zahl Vier für wichtig erachteten, und einer von ihnen diesen Würfel mit zwölf Flächen konstruierte, der auf der Zahl Fünf basierte, wurde er Legenden zufolge im Meer ertränkt. Später beschrieb dann der berühmte griechische Philosoph Platon das Pentagondodekaeder als das vollkommenste Gebilde. Einen technischen Zweck erfüllte der Würfel nicht. Man hat einmal behauptet, dass mit dem Körper Messungen durchgeführt wurden. Einer meinte, er sei als Kerzenständer benutzt worden. Allerdings war er dafür viel zu kostbar. Weil auf den Ecken kleine Kugeln sitzen, kann er auch nicht zum Würfeln gebraucht worden sein. In Genf wurde 1982 ein kleinerer und massiver Würfel gefunden, der mit Silber überzogen ist. Und auf diesem Würfel ist auf jeder Fläche eines der zwölf Sternkreiszeichen in Latein beschrieben. Man geht deshalb davon aus, dass der Würfel eine magische Bedeutung gehabt haben muss. Das hohle Pentagondodekaeder kann aber auch ein Knauf eines Zepters gewesen sein. Heute neigt man dazu, ihn als magisches Objekt der keltischen Priesterwelt anzusehen. Es wurden bis jetzt nur ungefähr hundert Körper gefunden. Das heißt also, dass solch ein Pentagondodekaeder eine Rarität war und nicht jeder Priester eines besessen hat. Die Entdeckung des Würfels in der Schweiz stellt hier einen erheblichen Fortschritt in der Forschung dar.

Frage: Was genau ist ein Kentaur und wie gelangte der Kentaurenkopf in diese römische Siedlung?
Prof. Dr. Kolling: Kentauren waren legendäre Wesen in der griechischen Mythologie. Sie waren praktisch eine Mischung aus einem Menschen und einem Pferd. Man sagt, dass sie extrem wilde Kreaturen waren; auch Herkules soll schon gegen einen Kentauren gekämpft und ihn besiegt haben. Allerdings gab es auch „Chiron“, einen klugen und friedlichen Kentaur, der in den Bergen lebte und mit diesen wilden Kentauren nicht verwandt war. In der Göttersage heißt es, Chiron sei der Lehrer von Achill und einiger anderer griechischer Helden gewesen und habe auch als Arzt praktiziert. Einige Methoden Chirons wurden überliefert und unter anderem in römischen Wandmalereien dargestellt. Dieses Fabelwesen wurde aus der griechischen Sagenwelt in die römische Mythologie übernommen. Der Kentaur von Schwarzenacker wurde in Italien etwa um 50 bis 30 v. Chr. gegossen. Der Statuette hat man den Kopf abgeschlagen und mit Blei ausgegossen. Mit einem Gewicht von 4040 Gramm diente er als Gewicht an einer Schnellwaage. Das Original des Kopfes steht in Speyer in einem Museum mit der Fundortangabe Schwarzenacker im Bliestal. Wann und wie er nach Speyer gebracht wurde, weiß man nicht mehr. 1915 kam der Direktor dieses Museums einmal zum Einöder Bürgermeister und erkundigte sich, ob man weitere Informationen über diesen Kentaurenkopf habe. Der Bürgermeister erklärte ihm, dass er zum Vorschein gekommen war, als im Edelhausgarten hier in Schwarzenacker Herzog Karl August Grabungen angeordnet hatte. Wir gruben in diesem Garten weiter und stießen dort auf einen Keller der alten Ausgrabung.

Frage: Warum sind viele Überreste so gut erhalten?
Prof. Dr. Kolling: Im Jahre 275/276 n. Chr. waren die Häuser bei einem Überfall der Germanen fluchtartig verlassen worden. Die Häuser verbrannten und was in den Zimmern war, fiel in die Keller hinunter, wo sich das Inventar anhäufte. Mit der Zeit lagerten sich darüber Erdschichten ab. Weil viele Bewohner nicht mehr zurückkehrten, um ihren Besitz zu holen, kann man heute einzigartige Funde machen. Später wurden hier Felder angelegt und normalerweise wären durch das Pflügen die Überreste beschädigt oder zerstört worden. Da aber an dieser Hanglage der Boden immer neu von Sand überschwemmt wurde, blieb die durchpflügte Schicht dick genug, so dass die Fundstücke erhalten blieben.

Frage: Gab es in früheren Jahrhunderten schon einmal Grabungen in Schwarzenacker?
Prof. Dr. Kolling: Man hat kurz vor der Französischen Revolution einen Keller ausgegraben und darin wahrscheinlich den Kentaurenkopf gefunden. Nahe dabei kamen Münzen und Töpfe des ganz späten 17. Jahr- hunderts zum Vorschein. Man geht davon aus, dass herzogliche Soldaten hierher geschickt worden sind, um zu graben. Der Kentaurenkopf stammt also wahrscheinlich aus diesem Keller und wurde mit den anderen Gegenständen, die man wohl dort gefunden hat, mitgenommen und später veräußert.

Frage: Gab es auch Funde, die nicht aus der Römer- oder Keltenzeit stammen?
Prof. Dr. Kolling: Bei den Ausgrabungen fand man eines Tages ein Tierskelett, das gar nicht in das Grabungsmilieu passte. Wir haben die Knochen herausgenommen und festgestellt, dass das Geweih und der Kopf fehlten. Eines Tages - so schreibt Christian von Mannlich - sagte uns der Besitzer des Edelhauses, er habe eine Mauer bauen wollen und dabei römische Münzen gefunden. Eine davon stammte angeblich aus der Zeit von Kaiser Otho (69 n. Chr.), der nur dreißig Tage regiert hatte. Das war also eine Münze von höchster Seltenheit. Der damalige Besitzer des Edelhauses hatte einen Hirsch gewildert und ihn zusammen mit einem Lakaien vergraben. Als die beiden in Streit gerieten, zeigte der Lakai seinen Herrn beim Forstamt in Zweibrücken an. Herzog Karl II. August entzog daraufhin dem Adligen den Kammerherrnschlüssel. Johann Christian von Mannlich, der mit dem Kammerherrn befreundet war, übergab dem Herzog die wertvollen Münzen als Ehrengabe, der daraufhin gnädig gestimmt und dem Kammerherrn, er hieß Baron von Ambotten, wieder wohlgesonnen war. Nach mehreren Jahren hat der Lakai schließlich den Hirsch wieder ausgegraben und das Geweih und den Kopf entnommen. Wir hatten das Skelett des Hirsches gefunden. Und durch diese abenteuerliche Geschichte, die in alten Schriften zu finden ist, konnte man die historische Verbindung zwischen dem Skelett und den Münzen herstellen, die für sich allein nur geringe Bedeutung hatten.

Frage: Wann wurde der römische Vicus gegründet?
Prof. Dr. Kolling: Das antike Schwarzenacker wurde nicht von den Römern oder dem römischen Heer als Etappenstadt gegründet. Es war ursprünglich eine keltische Siedlung, die viel älter ist als die Römerstadt Trier. Die ältesten Funde stammen aus der Bronzezeit um 1100 v. Chr. Man hat festgestellt, dass seit dieser Zeit der Ort wahrscheinlich ständig besiedelt gewesen war und später von den Römern in der Funktion einer Etappenstadt übernommen wurde. Die Kelten wurden dann systematisch romanisiert. Trotzdem hat man noch bis 400 n. Chr. keltisch und ein schlechtes Latein gesprochen. Der heilige Hieronymus, der drei Jahre in Trier studiert hat, stellte auf einer Reise nach Kleinasien fest, dass man dort in keltischen Siedlungen die gleiche Sprache gebrauchte wie in Europa. Das ist zurückzuführen auf die Gallier im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., die in die heutige Türkei zogen und dort Siedlungen gründeten.

Frage: Welches Gewerbe gab es in der Römersiedlung?
Prof. Dr. Kolling: Schwarzenacker liegt in einer Talenge nahe der Auen von Homburg und Einöd. Und am Abhang des Wörschweiler Berges gab es hervorragenden Bildhauersandstein, Töpferton und Quarzsand. Auf der Waldseite gab es Eisenerz sowie Bau- und Brennholz. Die Rohstoffe für verschiedenste Arten von Gewerbe waren vorhanden. Wo heute der Bahnhof ist, existierte eine Eisenschmelze, die 1898 ausgegraben wurde. Man sieht also, dass die Metallverarbeitung eine wichtige Rolle spielte. Außerdem fand man mehrere große Töpfereien, bei denen reinster grauer Ton verarbeitet wurde. Des Weiteren existierten Bauernhöfe in der Umgebung, wo Vieh gezüchtet wurde. Im Lehm des Muschelkal kes in Richtung Zweibrücken wurde intensiv Landwirtschaft betrieben. Ein Kollegium von Fuhrleuten war angesiedelt. Holzwirtschaft und Schreinerei waren bedeutend. Und sicherlich gab es im Ort auch das Schuster-, Bäcker- und Metzgerhandwerk. Es war der Markt, auf dem die Produkte verkauft und getauscht wurden.

Frage: Was macht denn speziell eine Etappenstadt aus? Wie ist der Begriff zu definieren?
Prof. Dr. Kolling: Schwarzenacker war von geringer militärischer Bedeutung, weil es weit von den Grenzen des Römischen Reiches entfernt lag. Die Landwirtschaft versorgte die Truppen am Limes. Außerdem wurden die Produkte aus dem Umland hier gesammelt, verarbeitet und an den Rhein weitergeschickt. Das römische Verkehrssystem war hervorragend ausgebaut. Eine Etappenstadt bot nach längerer Wegstrecke Rast- und Übernachtungsmöglichkeiten. Man hat als Überreste einer Waage schwere Gewichte gefunden; das ist ein Anzeichen für reges Kaufmannsleben.

Frage: Könnte man in dem Säulenkellerhaus eine Art Verwaltungssitz des Dorfes sehen?
Prof. Dr. Kolling: Nein, eher ein Vereinshaus für die Fuhr- und Kaufleute. Es gab sicherlich eine Gemeindeverwaltung von vici magistri (Bürgermeistern). Trotzdem war die Siedlung im rechtlichen Sinne keine Stadt, sondern nur ein großer Vicus von stadtartigem Charakter, einer der bedeutendsten zwischen Rhein und Mosel.

Frage: Wenn Schwarzenacker so bedeutend war, müsste es nicht in einer Karte eingezeichnet gewesen sein?
Prof. Dr. Kolling: Die berühmte Peutinger-Karte stammt aus dem vierten Jahrhundert und ist mit Sicherheit die Abzeichnung einer älteren Karte. Der Ort wurde ja 275/276 n. Chr. zerstört und deshalb denke ich, dass das, was nicht mehr existierte, auch nicht in die Karte aufgenommen wurde. Das ist allerdings nur eine Mutmaßung. Die meisten anderen Siedlungen, die eingezeichnet sind, waren befestigt. Ein anderer Vicus, Herapel bei St. Avold, existierte vor der Römerzeit als oppidum (keltische Stadt). Herapel wurde in spätrömischer Zeit mit einer Mauer befestigt und hatte einen großen Tempel. Diese Stadt wurde - wie Schwarzenacker - von Kelten gegründet und ist ebenfalls nicht in der Karte verzeichnet. Es wurden gewiss nicht alle wichtigen Städte eingetragen. Man hat die Orte nach Kriterien ausgewählt, die für uns nicht alle nachvollziehbar sind.

Frage: Wie hat sich Schwarzenacker nach der Zerstörung im Jahr 275/276 entwickelt?
Prof. Dr. Kolling: Die Siedlung hat weiter existiert, aber eher als eine Art Geisterstadt. Anscheinend wurde sie nicht ganz zerstört, aber man hat sie in Teilen nicht wieder aufgebaut. Man fand einen fränkischen Topf aus der germanischen Zeit des siebten Jahrhunderts, der ins Museum nach Speyer gebracht wurde. Solche Töpfe wurden auch von der romanischen Bevölkerung benutzt, obwohl sie charakteristisch für die Franken sind. Dennoch war der Ort sporadisch bis ins siebte Jahrhundert bewohnt. Erst danach war die Siedlung endgültig verlassen und die Zisterziensermönche vom Kloster in Wörschweiler betrieben auf dem Gelände Landwirtschaft. Sie schrieben, es sei eine Stadt gewesen, die von den Treverern zerstört worden sei und größer war als das mittelalterliche Worms. Weil man von der Zerstörung her überall Brandasche fand, hieß die Gegend Schwarzenacker und auch Auf des Closters Ungnade.

Frage: Wo lag denn genau die Kreuzung der beiden großen Römerstraßen von Augusta Treverorum (Trier) nach Argentoratum (Straßburg) und von Divodurum (Metz) nach Borbetomagus (Worms)?
Prof. Dr. Kolling: Diese Kreuzung lag nicht hier, sondern muss auf den flachen Hügeln von Beeden zwischen den Sümpfen gewesen sein. Beeden ist ein keltischer Ortsname, der sich über die römische Zeit bis heute gehalten hat. Nicht Schwarzenacker, sondern der kleine Ort Beeden hat überlebt.

Frage: Mit welchen Methoden bauten denn die Römer ihre Straßen?
Prof. Dr. Kolling: Die Römer betrieben einen sehr ordentlichen Straßenbau. Sie kamen in ein Land, in dem Straßen schlechter Qualität gebaut waren. Und dann entschied der Kaiser Augustus, dass man in diese Ordnung bringen müsse. Die Hauptstraße führte von Lyon nach Dijon, dort gabelte sie sich. Der eine Teil führte an den Oberrhein, der andere Teil führte über Metz und Trier nach Köln. Meistens baute man eine Unterschicht aus kopfgroßen Steinen und begrenzte sie durch große Randsteine. Darauf wurde geschottert, üblicherweise mit Kalksteinbrocken und mit Sand darüber. Das war der Aufbau einer typischen Landstraße in der römischen Provinz. So einfach wie die Straßen, die man hier in Schwarzenacker findet, waren anfangs auch die Straßen in Trier. Die Prachtstraßen aus der Kaiserzeit gab es erst viel später.

Frage: Von welchem gewerblichen Gebäude blieben denn die meisten Überreste?
Prof. Dr. Kolling: Die meisten Fundstücke lagen im Säulenkellerhaus. Das war das besagte Vereinshaus der Kaufleute.

Frage: Haben Bauern, die hier das Gelände bewirtschafteten und die Äcker umgruben, Funde zurückbehalten?
Prof. Dr. Kolling: Wenn jemand ein Loch ausgehoben hat, um einen Baum zu pflanzen, dann ist er auf Steine gestoßen. Und diese Steine kann er ausgegraben haben, denn es waren schöne Quadersteine. Das ergab dann archäologische Fehlstellen.

Frage: Welches der Fundstücke gefällt Ihnen am besten?
Prof. Dr. Kolling: Das ist der Genius populi Romani, denn die Darstellung dieses Gottes ist ziemlich selten und daher sehr wertvoll.

Frage: Was bedeutet eigentlich die Abkürzung S.P.Q.R.?
Prof. Dr. Kolling: Das bedeutet senatus populusque Romanorum und heißt auf Deutsch Senat und Volk der Römer. Darauf folgten die Gesetze. Die Inschrift gibt es auf Münzen, deren Prägung genehmigt worden war.

Frage: Woher weiß man, dass der Wirt der Taberna wirklich Capitolinus hieß?
Prof. Dr. Kolling: Wir haben an der Stelle, an der die Taberna stand, tönerne Fässer gefunden, die die Beschriftung Capitolinus tragen.

Frage: Gab es in der römischen Siedlung Thermen?
Prof. Dr. Kolling: Als das Edelhaus gebaut wurde, kam ein Raum zum Vorschein, der zu Thermen gehört hat. Dessen Boden und Wände waren hohl gekachelt. Unter dem Boden wurde die heiße Luft eingeleitet, die die Räume erhitzt hat. Der eine Raum ist in einer Zeichnung des Humanisten J. Daniel Schöpflin enthalten, in einem Buch, das er geschrieben hat, nachdem er einmal in Schwarzenacker gewesen war, und es ist durchaus möglich, dass diese Thermen in der Baugrube des sogenannten Edelhauses lagen, das 1722 errichtet worden war. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 2500 brauchte man schon eine größere öffentliche Bäderanlage. In Rom gab es mehrere riesige öffentliche Badeanstalten, die gesellschaftlicher Treffpunkt waren, an denen man sich unterhielt, Ballspiele machte und die auch eine Bibliothek enthielten. In Trier kann man die Kaiserthermen betrachten. Es war die Aufgabe von Beamten und Privatpersonen, die Thermen zu finanzieren, die in Schwarzenacker den Bürgern wohl kostenlos zur Verfügung standen. Den Auftrag zum Bau der riesigen städtischen Thermen gab der Kaiser und das zeigt, welche große Bedeutung das Badewesen damals hatte.

Frage: Welche Funde gab es denn in der letzten Zeit?
Prof. Dr. Kolling: Es gibt ja immer wieder die Situation, dass in der näheren Umgebung Grundstücke gekauft und Häuser gebaut werden. Und in Richtung Einöd in der Nähe des Pfänderbaches soll ein Haus gebaut werden. Dort haben wir Steine gefunden, auf denen wahrscheinlich Säulen gestanden haben. Und als wir dann tiefer gruben, haben wir direkt am Bach einen Keller gefunden. Wahrscheinlich müssen wir noch deutlich tiefer graben, bis wir auf dem Boden des Vorratskellers sind.


Philipp Krämer und Florian Klein, 10b

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