Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Artikel Muster systematischer Vergewaltigungen durch US-Truppen
Artikelaktionen

Muster systematischer Vergewaltigungen durch US-Truppen

von Chris Shumway

06.06.2004 — The NewStandard / ZNet

— abgelegt unter:

Die vielen veröffentlichten Fotos von US-Soldaten, die männliche irakische Gefangene folterten und erniedrigten, könnten etwas anderes in den Hintergrund rücken lassen; verschiedene Menschenrechtsorganisationen und Ermittler des Pentagon haben Beweise gesammelt, die darauf hindeuten, dass US-Militärpersonal in Abu Ghraib und anderen Haftanstalten inhaftierte Frauen vergewaltigte und sexuell missbrauchte. Amal Kadham Swadi ist irakische Rechtsanwältin. Sie vertritt weibliche Gefangene. Gegenüber The Guardian zeigt sie sich überzeugt, sexualisierte Gewalt und Misshandlungen von weiblichen Gefangenen durch US-Soldaten seien ein Phänomen, das weit über ein paar isolierte Fälle hinausgehe. Es „passiert überall im Irak“, so Frau Swadi. Unter den Irakern, die die Koalitions-Truppen gefangenhalten, stellen Frauen nur eine kleine Minderheit. Laut US-Militär werden im Irak derzeit insgesamt 78 Frauen vom Besatzungs-Militär gefangengehalten. Andererseits besteht Unklarheit über die genaue Zahl von Frauen, die von den USA und ihren Verbündeten seit der Invasion 2003 gefangengehalten wurden. Laut dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes waren letzten Oktober in Abu Ghraib 30 Frauen untergebracht. Letzten Monat waren es noch 5. Am 29. Mai befanden sich, laut Militär, überhaupt keine Frauen mehr in Abu Ghraib. Wie die Mehrheit ihrer männlichen Mitgefangenen waren auch viele Frauen, die von den Koalitionstruppen festgenommen wurden, nie formal eines Verbrechens beschuldigt worden. Irakische Menschenrechtsgruppen halten es für wahrscheinlich, dass die Frauen eine Art „Tauschpfand“ waren – eingesetzt gegen Familienmitglieder, die von der Koalition gesucht wurden, so Newsday.

Frau Swadi und sechs weitere irakische Rechtsanwältinnen haben begonnen, die Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe zu untersuchen. Sie tun es, seit eine Gefangene namens Noor Ende letzten Jahres angeblich eine Nachricht aus Abu Ghraib herausschmuggelte. In dem Kassiber behauptet sie, US-Soldaten vergewaltigten weibliche Gefangene. Manchmal würden diese Frauen schwanger – so wie Noor. Swadi begann, die Gefangenen zu befragen. Sie gaben an, Opfer von Übergriffen geworden zu sein oder solche Übergriffe beobachtet zu haben, so The Guardian. Bei einem Besuch in Abu Ghraib, so Frau Swadi, habe eine Gefangene ihr erzählt, US-Soldaten hätten sie gezwungen, sich vor ihren Augen auszuziehen - in der konservativen islamischen Kultur ein sehr entwürdigender Akt. In einem anderen Bagdader Gefängnis traf Swadi eine Frau, die ihr berichtete, Soldaten hätten sie vergewaltigt. „Sie war die einzige Frau, die bereit war, über ihren Fall zu sprechen“, so Frau Swadi gegenüber The Guardian. „Sie weinte. Sie sagte uns, man hätte sie vergewaltigt“, so Swadi. „Mehrere amerikanische Soldaten hatten sie vergewaltigt. Sie hatte versucht, sie abzuwehren, und sie verletzten ihren Arm. Sie zeigte uns ihre Stiche“.

Iman Khamas ist Leiterin des International Occupation Watch Center, einer Organisation, die Menschenrechtsverletzungen unter der von Amerika geleiteten Okkupation untersucht. Khamas sagt, eine Ex-Gefangene habe ihr von der Vergewaltigung einer Zellenkameradin in Abu Ghraib berichtet (Middle East Online). Ein andermal habe ihr eine Frau vorsichtig etwas ins Ohr geflüstert – obwohl sonst niemand im Raum war –, und angedeutet, sie sei in Abu Ghraib von Soldaten vergewaltigt worden. Tags darauf, so Frau Khamas, sei die Frau wiedergekommen und habe sie gebeten, ihre Aussage zu vernichten. Laut Khamas, Frau Swadi und anderen, die Übergriffsfälle untersuchen, sind in der islamischen Kultur nur wenige Frauen zu einer Aussage bereit. Überlebende Vergewaltigungsopfer würden häufig schmachvoll behandelt - was ihnen klar sei. In manchen Fällen würden sie getötet, um die Familienehre zu retten. So berichten Frau Khamas und zwei Menschenrechtsmitarbeiter - unabhängig voneinander - vom Schicksal dreier junger Frauen vom Land, die aus der sunnitischen Region um Al-Anbar, westlich von Bagdad, stammten. Sie seien von ihren Familien getötet wurden, nachdem sie schwanger aus Abu Ghraib zurückkehrten, so Middle East Online.

In einem internen Bericht von Antonio Taguba, Generalmajor der Armee, wird vom Pentagon eingeräumt, dass US-Soldaten in Abu Ghraib nackte weibliche Gefangene filmten und fotografierten. Es existierten Fotos von US-Soldaten, die dem Kongress gezeigt wurden, der Öffentlichkeit aber bislang nicht. Darauf sei mindestens eine Frau zu erkennen, die mit vorgehaltener Waffe gezwungen wird, ihre Brüste zu zeigen. Der Tabuga-Report berichtet auch von einem Vergewaltigungsfall in Abu Ghraib – wenngleich Tabuga den Vorfall folgendermaßen beschreibt: ein männlicher Gefängniswärter „hatte Sex“ mit einer weiblichen Gefangenen. Zur Frage, ob es exakt in diesem Gefängnis je zu Vergewaltigungen kam, sagte der oberste Militärsprecher im Irak, Brigadegeneral Mark Kimmit, gegenüber der Agence France Presse: Der Abteilung, die die Gefängnisse leitet, „liegen keinerlei derartige Berichte aus Abu Ghraib vor“. Bislang gibt es noch keinen einzigen Fall eines Soldaten, der durch das Militär angeklagt wurde, weil er speziell Misshandlungen an / Übergriffe gegen weibliche Gefangene beging. In einem weiteren Pentagon-Report ist von drei Soldaten des Militärgeheimdiensts die Rede, die beschuldigt wurden, letzten Oktober eine weibliche Gefangene in Abu Ghraib sexuell angegriffen zu haben. Eine von der Armee erfolgte Untersuchung bestätigte den Angriff nicht. Laut Washington Post kamen die drei Soldaten mit einer Geldstrafe von mehreren hundert Dollar pro Person und Degradierung davon - weil sie sich unerlaubt im Frauenflügel des Gefängnisses aufgehalten hatten.

Übersetzt von: Andrea Noll
Artikelaktionen