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"Amerikanische Besatzungskosten berechtigt"

OMGUS-Sprecher hält deutsche Regierungsstellen für Defizite der Länder verantwortlich
Die Neue Zeitung 9. Oktober 1948  
Berlin (NZ). - Ein Sprecher der amerikanischen Militärregierung für Deutschland erklärte am 7. Oktober in einer Radioansprache, daß die Besatzungskosten im nächsten Finanzjahr nicht erhöht werden. Der Sprecher unterzog verschiedene deutsche Stellen, die für eine Herabsetzung der Kosten plädierten, einer scharfen Kritik und betonte, daß der eigentliche Grund für die schwierige Finanzlage der Länder nicht in den Besatzungskosten, sondern in der Aufblähung des Beamtenapparates und in dem Versagen der Länderregierungen, die eigenen Ausgaben zu senken, zu suchen sei. In einem Schreiben an die Militärgouverneure haben die Finanzminister der Bizone - wie Südena meldet - um eine Senkung der Besatzungskosten ersucht. An einem Erfolg dieses Schrittes der Finanzminister wird in der Umgebung der Militärgouverneure gezweifelt. Die "Neue Zeitung" veröffentlicht im folgenden Auszüge aus der Rede des amerikanischen Kommentators: "In verschiedenen öffentlichen Erklärungen und Leitartikeln ist die Höhe der Besatzungskosten übertrieben worden. Die Kritiker haben in die Besatzungskosten Aufwendungen einbezogen, bei denen es sich tatsächlich um Ausgaben ganz anderer Art handelt. In einigen Fällen wurde von den Besatzungskosten in Prozenten gesprochen - Prozente der Einkünfte der Länder - Prozente der öffentlichen Ausgaben. Aber wo stammen diese Prozentangaben her? Bestimmt sind sie nicht offiziellen Rechenschaftsberichten entnommen, und zwar deshalb nicht, weil die deutschen Länderregierungen sich bisher noch nicht dazu entschlossen haben, die Besatzungskosten durch verantwortliche Revisoren nachprüfen zu lassen. Das deutsche Volk darf aber nicht durch unzuverlässige Prozentangaben irregeführt werden, die von politischen Persönlichkeiten anscheinend zu politischen Zwecken genannt werden.
Besatzungskosten - richtig definiert - sind die Kosten, die aus der Anwesenheit des Personals erwachsen, das die Besatzungsaufgaben der Militärregierung durchführt. Die Regierung der Vereinigten Staaten trägt aber selbst den weitaus größten Teil dieser Kosten. Die deutschen Länderregierungen tragen nur einen verhältnismäßig kleinen Teil. Sie zahlen einen solch kleinen Teil, daß Deutschland, was die Besatzungskosten anbelangt, wahrscheinlich billiger davonkommt als je ein besetztes Land. Die Länderregierungen zahlen für nichttransportable Dinge, wie Wohnraum, öffentliche Dienste, Arbeitsleistungen, Telephoninstallationen und so weiter - mit anderen Worten: für Dinge, die die Besatzungsmacht nicht aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland transportieren kann; die Vereinigten Staaten kommen für die übrigen Kosten der Besatzung auf. Die amerikanische Regierung sorgt für die Verpflegung, für Verbrauchsgüter, Material, Ausrüstung kurz gesagt für alles, was eingeführt werden kann.
Der große Unterschied zwischen dem Teil der Kosten, der von den deutschen Regierungen getragen wird und dem für den die Amerikaner aufkommen, ist zu beachten. Die Kosten, die von der amerikanischen Regierung getragen werden, stellen einen Substanzverlust dar - die Inanspruchnahme der Hilfsquellen der Vereinigten Staaten. Lebensmittel und Material zum Beispiel werden verbraucht, und damit sind sie fort. Der größte Teil, der von den Länderregierungen getragenen Kosten aber bedeutet keine Schwächung der deutschen Hilfsquellen - keine Substanzverluste; der deutschen Wirtschaft geht nichts verloren. Die Wohnungen, die Telephonanlagen und so weiter werden einfach vorübergehend von dem amerikanischen Besatzungspersonal benutzt, sie bleiben aber im Lande bleiben Aktiva für die deutsche Wirtschaft, wenn das Besatzungspersonal fort ist.
Und noch ein Punkt: bis zu 20 Prozent der Besatzungskosten, die die Regierungen der Länder zahlen, gehen unmittelbar in den Wiederaufbau des Landes - in den Wiederaufbau und die Ausbesserung von Brücken, Straßen, Flughäfen und anderer öffentlicher Einrichtungen, die alle bleibende Aktiven für die deutsche Wirtschaft sind. Und viel dieser Aufbauarbeit wurde mit Material ausgeführt, das aus den Vereinigten Staaten kam.
Das Hauptargument, das bei den kürzlichen Erörterungen über die Höhe der Besatzungskosten vorgebracht wurde, war:,daß der Erfolg der Währungsreform und die Besserung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Westzone hauptsächlich von dem Gleichgewicht in den Budgets der Länder abhängen'. Die Militärregierung teilt diese Ansicht durchaus. Tatsächlich ist es auch im Währungsreformgesetz den Länderregierungen zur Pflicht gemacht, ihre Budgets ins Gleichgewicht zu bringen.
Es trifft allerdings zu, daß die Budgetfrage der Länder schwierig ist. Betrachten wir zum Beispiel das provisorische Budget, das von einem der Länder am 10. August aufgestellt wurde. Die Einkünfte für das Vierteljahr Juli bis September werden mit 205 400 000 D-Mark veranschlagt, die Ausgaben für den gleichen Zeitraum dagegen mit 564 811 000 D-Mark. Das ergibt, wie ersichtlich, ein Defizit von nicht weniger als 359 Millionen D-Mark für ein einziges Quartal. Wenn in einem Budget die Ausgaben die veranschlagten Einnahmen übersteigen, sollte man natürlich annehmen, daß die Länderregierungen die Ausgaben senken. In einigen Fällen ist aber genau das Gegenteil der Fall - die Ausgaben werden sogar erhöht - unnötige und ungerechtfertigte Ausgaben. Zum Beispiel erhalten einige der Beamten, die in der amerikanischen Zone leben, Pensionen von 1700 D-Mark im Monat. Eine viel zu große Last für den deutschen Steuerzahler - eine Last, die mit den Besatzungskosten wirklich nichts zu tun hat.
Wie deutsche Wirtschaftssachverständige wiederholt betont haben, ist die Verringerung der Beamtenschaft in den Ländern eine dringende Notwendigkeit. So brachte die Stuttgarter Wirtschaftszeitung kürzlich einen Artikel, in dem es hieß, daß es eine Unmenge von Beamten in allen Verwaltungszweigen gebe, daß man ihre Zahl auf 20 bis 40 Prozent höher als die des Jahres 1938 schätze, obwohl damals der Verwaltungsapparat des Heeres, die gesamte Bürokratie der Partei - Arbeitsfront, Reichsarbeitsdienst, SA, SS und der ihr angegliederten Organisationen - einbegriffen war. Der Artikel schließt mit der Bemerkung, daß man für Aufgaben, die sich im blauen Dunst aufgelöst haben, doch wirklich keine Beamten braucht. Nein - die Wurzel des Übels ist bei dem unausgeglichenen Budget, nicht in den Besatzungskosten, zu suchen. Es handelt sich vielmehr um das Versagen der Länderregierungen, irgendwelche Anstrengungen zur Senkung der eigenen Ausgaben zu machen.
Die Deutschen mußten sich in der Nachkriegszeit auf vielen Gebieten umstellen. Aber es sieht fast so aus, als brächten sie es nicht über sich, den deutschen Amtsschimmel zu töten; er wird besser gefüttert als je zuvor. Nach dem Kriege hat es Zeiten gegeben, während denen das deutsche Volk den Gürtel enger schnallen mußte - der Amtsschimmel wird immer fetter.
Die amerikanische Militärregierung tut alles, was in ihrer Macht steht, die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands zu fördern. Dieses Jahr wird Deutschland mehr als 1¼ Milliarden Dollar in Unterstützungsleistungen von den Vereinigten Staaten erhalten. Wie General Clay letzte Woche sagte, bringen die Vereinigten Staaten für jede zwanzig Pfennig Besatzungskosten, für die sie die deutschen Länderregierungen in Anspruch nehmen, Güter im Werte von achtzig Pfennig nach Deutschland.
Überdies wird die Frage der Besatzungskosten ständig von der Militärregierung geprüft, und wo immer möglich, werden Einsparungen gemacht. Das letztjährige Besatzungskosten-Budget der amerikanischen Zone wurde um zwanzig Prozent gesenkt und für das Budgetjahr 1948 bis 1949 ist trotzt der Steigerung der Preise, der Löhne und der Mieten keine Erhöhung genehmigt worden. Darüber hinaus faßt das Besatzungsbudget für 1948 bis 1949 einen allmählichen Abbau der deutschen Angestellten ins Auge. Man hat einen allgemeinen Plan eingeführt, der eine noch bessere Verwertung der Arbeitskräfte gewährleistet.
Die Militärregierung wird - wie bisher - auch in Zukunft sich bemühen, alle nur möglichen Einsparungen in den Besatzungskosten zu machen, für die sie die Länderregierungen in Anspruch nimmt. Letzten Endes jedoch sollte es jedermann klar sein, daß die Kosten der Besatzung nicht unter ein Minimum gesenkt werden können - ein Minimum, das mit der Erfüllung der Mission der amerikanischen Militärregierung in Deutschland vereinbart ist."
  Schlagwörter: Verkehr, Geschichte, Politik, Teilung, Sektor, Blockade, Berlin, Verkehrswerkstatt, Deutschland, Ökonomie, Kosten, Besatzung, USA
 
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Dr. Helmut Meschenmoser
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aktualisiert: 29.12.2005

 

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