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Starke Automotive-Tradition bei Rheinmetall

Spitzentechnik aus Thüringen BMW von "Dixi"-Qualität begeistert
 

Verbundräder mit Zahnkränzen – geschlossene Achslagerkästen – Scheiben- und Speichenräder – Änderung des Übersetzungsverhältnisses und Entkuppeln der treibenden und getriebenen Welle für Fahrräder, Motorwagen und Fahrzeuge jeder Art – Antriebs- vorrichtungen mit veränderlicher Übersetzung – Felgen – Wagenräder mit auswechselbaren Speichen – Schaltwerke für Kraftwerke mit doppelter Fahrtrichtung – Lenkein- richtungen für Kraftfahrzeuge mit Vierräderlenkung...

Was sich hier liest wie ein Bestellkatalog für Oldtimer ist nur ein geringer Teil der umfangreichen Patentliste von Rheinmetall-Firmengründer Heinrich Ehrhardt, die zwischen 1878 und 1921 insgesamt 128 Einträge enthält. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Schaffen Heinrich Ehrhardts beschäftigte sich mit der Automobiltechnik, und dennoch trug er maßgeblich zur Entwicklung des heutigen Kraftfahrzeugverkehrs auf unseren Straßen bei. Gerade der Automobilbau in Thüringen, der um die Wende zum 20. Jahrhundert – unabhängig von BMW oder Daimler-Benz – eine dominante Postion einnahm, wäre ohne sein Schaffen nicht denkbar gewesen.

Am 3. Dezember 1896 kam es zur Gründung der Fahrzeugfabrik Eisenach, für die Heinrich Ehrhardt nahezu die selben Kapitalgeber gewinnen konnte wie sieben Jahre zuvor bei der Gründung von Rheinmetall. Nach den Entwicklungsanfängen von Carl Benz, der 1886 für sein "Fahrzeug mit Gasmotorenantrieb" ein Patent erhielt, und Gottfried Daimler, der im selben Jahr seine "Motorkutsche" in Cannstadt ausprobierte, war Heinrich Ehrhardt damit immerhin der dritte deutsche Unternehmer, der eine Automobilfabrik errichtete. Die bis dahin industriell unerschlossene Residenzstadt Eisenach mit ihren 25 000 Einwohnern wuchs zu einer Metropole des deutschen Automobilbaus heran – was übrigens in der Stadt zu einem nicht unerheblichen Wohnraumproblem führte.

Ebenfalls wie bei Rheinmetall übernahm Heinrich Ehrhardt den Vorstandsvorsitz nicht selbst, sondern überließ diesen seinem Sohn Gustav, der extra deswegen aus Amerika zurückgekehrt war. Den Aufsichtsratsvorsitz behielt Ehrhardt sich selbst vor. Auf dem Fabrikdach wurde eine weithin sichtbare Kanone installiert – ein Zeichen der ursprünglichen Absicht Ehrhardts, in Eisenach eine Rüstungsfabrik zu errichten; und in der Tat wurde die Fabrik auch für die Produktion von Militärfahrzeugen und Lafetten, aber auch – weit entfernt vom Konkurrenten Krupp in Essen – des Rohrrücklaufgeschützes in Anspruch genommen. Die zu Beginn etwa 1300 Arbeiter wurden zu einem großen Teil aus den Ehrhardt-eigenen Fabriken angeworben und kamen von Düsseldorf und Zella St. Blasii nach Eisenach – zum Teil in extra organisierten Sonderzügen.

Zu Beginn ließ Ehrhardt in "seiner" Eisenacher Fabrik (er selbst besaß 31,2 Prozent des Aktienkapitals) Fahrräder bauen – und seit Dezember 1897 neben Militärfahrzeugen auch den berühmten Wartburg, einen nach französischem Vorbild ("Decauville") konstruierten Zweizylinderwagen, für den Ehrhardt nach einem Informationsbesuch in Paris die Lizenzen erworben hatte. "Wir besuchten auch die Firma Panhard und Levassor sowie andere", berichtete Ehrhardt in seiner Autobiographie "Hammerschläge", "und haben uns dann schließlich dazu entschlossen, mit der Firma Decauville ein Abkommen zu treffen und die Fabrikation der Decauville- Motorwagen für Deutschland in die Hände genommen."




 

Wie aber kam Heinrich Ehrhardt dazu, neben seiner Rolle als "Kanonenkönig" – diesen Spitznamen hatte ihm sein Erfolg mit den 1889 gegründeten Rheinmetall-Werken und seinem 1896 patentierten Rohrrücklaufgeschütz eingebracht – einen Großteil seiner Arbeitskraft nun dem Automobil zu widmen? Er selbst beantwortet in seinen Autobiographien diese Frage nicht. Im Gegenteil, die Herstellung von Zivilfahrzeugen in der Fahrzeugfabrik in Eisenach findet in "Hammerschläge" nur auf einer einzigen Seite statt und in anderen Schriften aus seiner Feder gar keine Erwähnung.

Zu erklären ist dieses Engagement lediglich mit dem vielseitigen Interesse eines Mannes, der nach eigener Aussage "sozusagen in Stahl und Eisen" dachte, "wie vielleicht ein Bildhauer in Marmor denkt." Und da er, ebenfalls nach eigenem Bekunden, "lange Jahrzehnte hindurch unter den Vorkämpfern des technischen Fortschritts gestanden" und "an mehr als einer Stelle bahnbrechend gewirkt" hatte, wäre es verwunderlich gewesen, wenn Ehrhardt ausgerechnet der Wiege des modernen Automobilbaus ferngestanden hätte. Zumal er ohnehin große Erfahrung im Bau von Fahrzeugen hatte, wenn auch mehr auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens. Der Auftrag der Heeresverwaltung, Munitionswagen zu bauen (was der Grund für die Errichtung der Eisenacher Fabrik gewesen war), sowie die Kenntnisse der Erfindungen von Daimler, Benz oder Decauville werden ihn unweigerlich zu dem Ziel geführt haben, das Automobil auch als ziviles Fahrzeug zu bauen.

Vor Weihnachten 1898 verließen die ersten Versuchswagen die Werkshallen unterhalb der Wartburg. 1899 kam der Wagen erstmals in den Handel – und auf Deutschlands Straßen, wo er bereits im ersten Jahr erfolgreich an Rennen teilnahm. Zwei Jahre nach der Gründung der Fahrzeugwerke, 1898, gründete Ehrhardt unter Mitwirkung der Fahrzeugfabrik Eisenach auch in Düsseldorf eine Automobilgesellschaft, die Motorfahrzeug Actiengesellschaft, die aufgrund einer ebenfalls – über den Düsseldorfer Bankier Max Trinkaus – erworbenen englischen Lizenz Elektrofahrzeuge der Londoner Electrical Syndicate Vehicles Ltd. herstellte. Die Produktion fand ausschließlich in Eisenach statt; die Fahrzeuge kamen in Düsseldorf als Taxi- Droschken zum Einsatz.

Der erste Wartburg, den Heinrich Ehrhardt nach dem Vorbild des französischen Zweizylinders Decauville in Eisenach bauen ließ, war im Prinzip nichts anderes als eine Kutsche, bei der das Pferd durch eine im hinteren Wagenteil unter dem Sitz eingebaute Verbrennungskraftmaschine ersetzt worden war. Sämtliche Zahnräder und Übertragungselemente von Getriebe und Achsantrieb lagen frei und mussten vor jeder Fahrt geschmiert oder gefettet werden.

"Die Ausführung des Wartburgwagens ist sehr präzise", urteilte eine zeitgenössische Fachzeitschrift über das "Modell 1". "Der Motor ist stark genug, um alle Steigungen auf offener Straße zu nehmen. Das Fahren ist leicht und angenehm. Das gefällige Gefährt besitzt einen Motor, der geräusch- und geruchlos arbeitet, und läßt sich durch das Fortfallen aller Erschütterungen bequem fahren." Zwischen 3500 und 3950 Mark mussten zukünftige Besitzer für einen der insgesamt 250 gefertigten Wartburgs aufbringen, um dann mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h – im dritten Gang – über Land zu "brausen".

Heinrich Ehrhardt hegte seit 1900 den Plan, seine drei Gesellschaften – Rheinmetall in Düsseldorf, die Dreyse'sche Gewehrfabrik in Sömmerda und die Fahrzeugwerke Eisenach – zu einer einzigen Gesellschaft zu fusionieren. Schon damals bestanden sehr enge geschäftliche Verbindungen zwischen den drei Werken: Teile der Düsseldorfer Geschützfertigung, vor allem die Lafetten, wurden in Eisenach gebaut. Offensichtlich kam es jedoch im Aufsichtsrat der Fahrzeugwerke zum Streit über die von Ehrhardt geplante Aufteilung der Arbeiten am "Feldgeschütz C/96 System Ehrhardt". Einer geschlossenen Front von Kleinaktionären gelang es, diese Fusion zu verhindern. Außerdem warf diese Oppositionsgruppe Firmendirektor Gustav Ehrhardt "Wurstelei" vor, die dazu geführt habe, durch stets notwendige Konstruktionsverbesserungen an den Wartburg-Wagen eine rentable Massenproduktion zu verhindern. Resultat der "Revolte" der Kleinaktionäre war, dass Gustav Ehrhardt am 1. Oktober 1903 seinen Direktionsposten verlassen und Heinrich Ehrhardt den Vorsitz im Aufsichtsrat abgeben mussten.




 

Heinrich Ehrhardt selbst verbreitete in seiner Biographie "Hammerschläge" allerdings eine andere Version über sein und Gustavs Ausscheiden. In der Blütezeit des aufstrebenden Unternehmens seien er und die Geldgeber wegen einer satten Dividende von 14 Prozent in den ersten Jahren sowie einer rasanten Kurssteigerung sehr gelobt und bewundert, Gustav zudem als tüchtiger Ingenieur und Kaufmann bezeichnet worden. Aber als der Fahrradbau, eines der Standbeine des Unternehmens, um die Jahrhundertwende in eine ernste Krise geriet und wichtige Aufträge wegbrachen, "zeigte es sich, daß es, wie ich es gleich gewollt hatte, richtiger gewesen wäre, in den ersten Jahren eine geringere Dividende, etwa 6–7 Prozent zu verteilen und für genügende Rückstellungen für ungünstigere Jahre zu sorgen. Die Sucht der mitbeteiligten Banken und Bankiers, die Aktien möglichst bald in die Höhe zu treiben, hatte diese vernünftige Finanzpolitik verhindert. Als aber die mageren Jahre kamen, machte man meinem Sohn und mir die Vorwürfe, (...) daß die Krisis durch unsere Schuld über das Werk gekommen sei."

Beide verließen 1904 Eisenach und widmeten sich unter Mitnahme der Decauville-Lizenzen fortan in Heinrich Ehrhardts Heimatstadt Zella St. Blasii erneut dem Fahrzeugbau. Dort gliederte Heinrich Ehrhardt seinen bereits seit 1878 bestehenden Maschinenfabriken eine Automobilabteilung an und fusionierte dieses neue Unternehmen "Heinrich Ehrhardt" mit einer seit 1873 in seinem Besitz befindlichen kleinen Firma an der Reichsstraße in Düsseldorf. Dies führte dazu, dass gleichzeitig in Eisenach, Düsseldorf und Zella ein ganz neuer Fahrzeugtyp entstand. Sowohl der erste, 1904 gebaute Ehrhardt-Wagen als auch der im gleichen Jahr erstmals produzierte – und noch von Heinrich Ehrhardt geplante – "Dix"" aus Eisenach nahmen Abschied von der herkömmlichen Kutschenkonstruktion. "Dixi S 6" und "Ehrhardt" besaßen – wie der zwei Jahre zuvor erschienene erste Mercedes Simplex – eine eigenständige Chassisgrundlage und einen vorne eingebauten Motor. Neue Bauteile der Kraftübertragung, verbesserte Fahrwerke und leistungsstärkere Motoren ermöglichten deutlich höhere Fahrgeschwindigkeiten.

Schon der erste in Zella St. Blasii gebaute Ehrhardt-Decauville erhielt in der angesehenen Berliner Zeitschrift "Automobilist" gute Kritik – und jede Menge Vorschusslorbeeren. "Der erste Eindruck ist der beste, wir können hier nur von einer allerersten Arbeit sprechen, einesteils bürgt uns das System, andernteils die Firma Ehrhardt selbst, welche im Kanonenbau einen bedeutenden Ruf hat, für die Zuverlässigkeit der Maschine. Und was die Karosserie betrifft, so haben wir uns diese genau angesehen und können nur das beste Zeugnis ausstellen. (...) Als Reise-Wagen dürfte derselbe allen Ansprüchen der modernen Welt genügen."

Die Leistungssteigerung bei den Motoren rührte im Falle des "Ehrhardt"-Wagens daher, dass Heinrich Ehrhardt außer beim "Fidelio" keine Zweizylindermotoren der Marke Decauville mehr verwendete, sondern seine Wagen mit paarweise zusammengegossenen Vier- und Sechszylindermotoren mit Hubräumen von 1.570 ccm bis 11.940 ccm ausstattete. Außer einer Akkumulatorenzündung besaßen die Wagen mit vier und sechs Zylindern Magnetzündungen, und auch die Vergaser entstammten der eigenen Fertigung.

Spätere Weiterentwicklungen der französischen Automobilfirma Decauville fanden auch in Ehrhardt-Wagen Verwendung, bis Decauville von 1906 an seine Produktion zurückfuhr und 1909 ganz einstellte. Seit 1906 wurden Ehrhardt-Automobile also nach neuen und eigenen Konstruktionen gefertigt, die allerdings das vergleichsweise hohe Decauville-Niveau nicht erreichen konnten, so dass schließlich die Ehrhardt-Modelle auf deutschen Straßen bald keine große Rolle mehr spielten.

Wieviele Ehrhardt-Automobile überhaupt gefertigt wurden, ist nicht überliefert. Fest steht allerdings, dass nur eine begrenzte Käuferschicht für diese Fahrzeuge in Frage kam, denn sie gehörten eindeutig in die oberste Preisgruppe der damaligen Automobilproduktion: Für einen schweren "Ehrhardt" (dessen Hinterachse interessanterweise noch einen Ketten- statt Kardanwellenantrieb aufwies) musste bis zu 26.000 Mark bezahlt werden.

Das "Flagschiff" der Pkw-Fertigung – und einer der teuersten deutschen Repräsentationswagen – wurde der Vierzylinder- Achtliter/50 PS-Typ "Kaiserpreis" von 1907. Daneben bot Ehrhardt bis 1914 vor allem einen 4-Zylinder- "Sportphaeton" an, und als Referenzkunden für den "Landaulet" konnte er immerhin Seine Königliche Hoheit Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg- Gotha anführen.

Einen kommerziellen Erfolg konnte Ehrhardt vermutlich nicht erzielen. Diese Erfahrung machte aber nicht nur er allein. Auch die Brüder Fritz und Wilhelm Opel, die seit 1899 in der Rüsselsheimer Nähmaschinen- und Fahrräderfabrik ihres Vaters Adam auch Automobile bauten, mussten schließlich feststellen, das große Autos nur etwas für Reiche waren. Der Normalbürger konnte sich weder einen Opel noch einen Ehrhardt oder einen Maybach leisten. Denn ein Arbeiter bei Krupp verdiente im Jahre 1906 eines Tageslohn von 5,35 Mark, und der Rheinmetall-Arbeiter bekam sogar nur 4,66 Mark pro Schicht bezahlt.

Wie parallel in Eisenach, produzierte auch Heinrich Ehrhardt Lastkraftwagen, die – wie auch die Eisenacher "Dixi" – von der kaiserlichen Heeresverwaltung als "kriegstauglich" eingestuft wurden. Das Reich subventionierte diese Lkw, indem jedem Käufer ein Zuschuss von bis zu 25 Prozent gewährt wurde – unter der Auflage, dass der betreffende Laster dem Heer im Kriegsfalle zur Verfügung gestellt werden musste. Bisweilen forderte die Heeresverwaltung diese Fahrzeuge sogar für Manöver.




 

Die Produktion von Zivilfahrzeugen fand mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Eisennach wie in Zella und Düsseldorf ein jähes Ende. Heinrich Ehrhardt belieferte nun ausschließlich das kaiserliche Heer. Die Zeitschrift des Verbandes deutscher Ingenieure stellte bereits in ihrer Februar-Nummer des Jahres 1914 einen in Düsseldorf produzierten Ehrhardt-Wagen vor, der mit einer Ballon-Kanone ausgestattet "wiederholt an die Heeresverwaltung geliefert" worden war.

Dieser Wagen war, wie aus der technischen Beschreibung des VDI zu entnehmen ist, bestimmt nicht mehr für zivile Zwecke gedacht. Besonders herausgehoben wurde neben der Motorleistung und dem neuartigen Ausgleichgetriebe auch die Geländegängigkeit des Vehikels: "Die Hinterräder, die aus Blechscheiben zusammengebaut und mit doppelten Gummireifen bezogen sind, tragen beiderseits breite Ringe, die das zu tiefe Einsinken im Fahrzeuges in weichen Ackerboden verhindern."

Neben den bewaffneten Heeresfahrzeugen und Militärlastwagen kamen während des Ersten Weltkriegs auch herkömmliche Pkw-Limousinen zum Einsatz, beispielsweise bei der Feldpost. Besonders in den ersten Wochen des schnellen Vorrückens der deutschen Armeen nach Westen gelang es mit Hilfe dieser Wagen, den Verkehr zwischen der Heimat und den Feldtruppen zu gewährleisten. Bis 1916 waren 800 dieser Fahrzeuge aller deutschen Automobilfirmen im Einsatz; die Heinrich Ehrhardt AG machte da keine Ausnahme. Nach Kriegsende – Waffenstillstand, Revolution, Besetzung und Inflation hatten Deutschland in ein Chaos gestürzt – fand das Unternehmen nicht mehr den Weg zurück in den zivilen Kraftfahrzeugmarkt. Die Vorkriegsmodelle waren in ihrer Produktion zu teuer, und auch ein noch 1921 neu entwickelter Pkw fand kaum Käufer. Außerdem drängten neue Hersteller in den Markt: Die Waffenfabrik Mauser in Oberndorf hatte aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages ihre Kriegswaffenproduktion aufgeben müssen und stellte seit 1921 ebenfalls Fahrzeuge her. Von der Klasse her konnte der Mauser-Einspurwagen, eher ein mit einer Karosserie ummanteltes Motorrad als ein Automobil, mit seinem 6-PS-Motor dem Ehrhardt-Wagen kaum Paroli bieten, aber er war auch für den „kleinen Mann" erschwinglich.

So entschloss sich Heinrich Ehrhardt, seine Fabrikation aufzugeben. Bereits im Juli des Jahres 1919 schrieb er an seine Mitarbeiter: "Alles umsonst! (...) Im November vorigen Jahres setzte die Revolution ein, die nun dem Werke den Todesstoß zu geben scheint, weil an ein regelrechtes Arbeiten nicht mehr zu denken ist, und binnen kurzem die Betriebsmittel der Aktiengesellschaft aufgezehrt sein werden." Im November 1919 stellte er den Antrag auf Liquidation; das Düsseldorfer Werk wurde 1921 geschlossen, die Aktienmehrheit der Gesellschaft ging 1922 auf dem Weg der Börsenspekulation in den Besitz des schwedischen Süßwarenkonzerns Kanold über. Nach einem weiteren Besitzerwechsel wurde bis Ende der zwanziger Jahre in den früheren Ehrhardt- Werken der "Pluto" gebaut, der aber auch keine Zukunft hatte. Der Fahrzeugbau in Zella-Mehlis fand mit dem "Pluto" sein Ende.

In Eisenach aber blieb die automobile Tradition bestehen, nachdem der Münchner Motorradbauer BMW – begeistert von der Qualität des "Dixi" – die Fahrzeugfabrik 1929 übernommen hatte. Und der Markenname "Wartburg" wurde nach der Verstaatlichung des BMW-Werkes nach 1945 wieder aus der Versenkung geholt. Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1956 stellte man eine 45 PS starke Dreizylinder-Limousine mit der Modellbezeichnung 311 vor, die in Eisenach produziert wurde – im VEB IFA-Automobilfabrik EMW Eisenach. Noch heute rattert der Wartburg-Zweitakter über Deutschlands Straßen, die Produktion aber wurde 1991 mit dem Modell 353 endgültig eingestellt.

Durch Ehrhardts langjähriges Engagement im Automobilbau, das nicht nur in seinen Werken in Eisenach, Zella und Düsseldorf Früchte brachte, sondern sich über die engen Verbindungen, die zeitweise zwischen den Gesellschaften herrschten, auch auf Rheinmetall auswirkte, war eine automobile Tradition geschaffen worden, die sich im Rheinmetall-Konzern – wenn auch mit zum Teil längerer Unterbrechung – bis heute gehalten hat und in der Kolbenschmidt-Pierburg-Gruppe deutlich sichtbaren Ausdruck findet.

 


* Die hier gezeigten 13 Modelle stammen aus dem Buch "Meilensteine aus Eisenach. Ein Jahrhundert Automobilgeschichte" von Werner Reiche und Michael Stück, erschienen im Schrader-Verlag, Stuttgart, 2003.

 

 

Harry am Steuer: Erst elf Jahre alt


Am 16. Mai 1900 berichtete die "Allgemeine Automobil-Zeitung" über eine Gebirgs-Fernfahrt, an der am Sonntagmorgen des 6. Mai 1900 "fünf Rennwagen und fünf Tourenwagen verschiedener Systeme" teilnahmen, um die 140,6 Kilometer lange Rundstrecke von Eisenach über Waltershausen, Oberhof, Zella und Meiningen zurück nach Eisenach in kürzester Zeit zu bewältigen. Unter den Fahren befanden sich auch Direktor Gustav Ehrhardt sowie dessen Sohn Harry – dieser jüngste Fahrer im Felde war gerade elf Jahre alt.

"Es sind nicht alle Fahrer zum Ziel gelangt", berichtete der "Redacteur", "so erlitt der Procurist Reuter bei der Schweizerhütte Pneumaticdefect, Herrn Kirchheim, der zuletzt abgefahren war und bei Georgenthal schon alle Fahrer überholt hatte, brach bei Georgenthal ein Rad, während Herr Held bei Schwarzwald Pneumaticdefect hatte. Diese Drei mußten deshalb das Weiterfahren aufgeben. Herr Director Ehrhardt hatte circa 2 1/2 Kilometer vor dem Ziel Maschinendefect und mußte dort noch aufgeben."

Nach knapp viereinhalbstündiger Fahrt traf der erste Wagen am Endpunkt, dem Eisenacher Vereinshaus "Phantasie" ein. "Um 2 Uhr 8 Minuten traf Harry Ehrhardt ein, der ganz besonders ob seiner braven und tüchtigen Leistung, wofür ihm der zweite Preis zutheil wird, begrüßt und beglückwünscht wurde. Er hatte die ganze Strecke den Wagen selbst gesteuert und gefahren, so dass der ihn begleitende Monteur nicht in Function zu treten brauchte. (...) Die Hitze, mehr aber der gewaltige Staub auf allen Straßen hatten die Fahrer überaus belästigt. (...) Die auswärtigen Fahrer statteten dem Mitteldeutschen Automobil-Club ihren Dank ab (...) und versicherten wiederholt, dass sie eine derart schwierige Strecke (...) noch niemals gefahren seien. Da sich dabei nun abermals gezeigt hat, dass das Automobil auch in gebirgigem Terrain zu verwenden ist, so wird voraussichtlich auch die Automobil-Industrie aus der Fernfahrt des Mitteldeutschen Automobil- Club entsprechenden Nutzen ziehen."

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cL historia
Dr. Christian Leitzbach
Gerhart-Hauptmann-Str. 46
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