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Meister des Marienlebens
Bildnis eines Gelehrten

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Meister des Marienlebens

(tätig in Köln um 1460 bis 1490)

Bildnis eines Gelehrten

Werkstatt

Köln

Sachbegriff

Einzeltafel

Entstehungszeitraum/Datierung

um 1480

Bezeichnung/Signatur

unbezeichnet

Technik/Material

Mischtechnik auf Eichenholz

Maße

30 x 22,5 cm (allseitig beschnitten)

Inventar-Nummer

139

Provenienz

Vermutlich alter Sammlungsbesitz der Markgrafen von Baden-Durlach; erstmals sicher nachzuweisen im handschriftlichen Inventar der Galerie von 1823, Nr. 139.

Kurztext

Dieses kleine Täfelchen ist eine echte Rarität: Zum einen, weil es im gesamten deutschsprachigen Raum das früheste autonome Bildnis vor einem Landschaftsausblick darstellt und damit „zu den eindringlichsten Bildnisschöpfungen der deutschen Spätgotik“ gehört (Ernst Buchner). Zum anderen, weil neben diesem nur noch ein einziges Portrait dieses Malers, das Bildnis eines Baumeisters (heute in München), erhalten geblieben ist.
Nach einem ebenfalls in München (und London) befindlichen Bilderzyklus über das Leben der Gottesmutter erhielt dieser Maler den Notnamen Meister des Marienlebens.
Das kleine, allseitig beschnittene Täfelchen zeigt das Brustbild eines Mannes in mittleren Jahren - ursprünglich in einer Nische sitzend - vor hügeliger Landschaft. Der Blick des Dargestellten wirkt eher kühl, ja vornehm distanziert. Das Repräsentative der Amtswürde dominiert sehr deutlich gegenüber dem Menschlich-Individuellen.
Mit der rechten Hand hält der Mann ein rot gebundenes Buch vor sich. Sein Zeigefinger steckt zwischen den Seiten und vermerkt eben jene Stelle, an der er unmittelbar zuvor gelesen hat. Da es sich in dieser Haltung kaum um eine Bibel handeln kann (auch fehlt der Gebetsgestus), geht man davon aus, dass der Dargestellte ein Gelehrter gewesen ist, der dies in seinem Portrait mit dem Attribut eines Buches zum Ausdruck gebracht zu haben wünschte.
Von seiner tiefdunkelroten Haube fällt über der rechten Schulter eine Sendelbinde herab, die – als Turban um den Kopf gewunden werden konnte oder aber – wie hier - über die Brust zur linken Schulter bis zum Rücken geführt wurde. Dies entsprach der burgundischen Mode des 15. Jahrhunderts. Sein Obergewand ist eine pelzverbrämte – wie die Haube - tiefdunkelrote Schaube (Mantel). Der Kragen des Untergewandes leuchtet zinnoberrot und korrespondiert farblich sehr fein mit dem Einband des Buches. Über der in hellem kühlen Blaugrünton gestimmten Landschaft aus hügeligen, Baum bestandenen Formationen und felsigem Gebirge breitet sich ein klarer Himmel aus mit zart und luftig angedeuteten Wolkenbildungen.
Für die Kölner Malerei der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist der Meister des Marienlebens von großer Bedeutung. Er war ein durch die niederländische Kunst des 15. Jahrhunderts deutlich beeinflusster Maler, weshalb man den „Karlsruher Gelehrten“ lange Zeit für niederländischen Ursprungs hielt und u. a. mit Hans Memling in Verbindung brachte. Das wird umso deutlicher, wenn man versucht, das Karlsruher Bildnis auf seine ursprünglichen Maße zu erweitern (vgl. den Rekonstruktionsvorschlag in Abb. 2). Unter den zahlreichen Bildnissen Memlings finden sich tatsächlich gleich mehrere mit landschaftlichem Hintergrund. Als eines der frühesten dieser Art, die auf den Kölner Meister gewirkt haben könnten, gilt dasjenige eines Mannes mit roter Kappe im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt, das sehr wahrscheinlich noch in den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts entstand. Wie bei diesem liegen die Hände auf einer imaginären Brüstung, die mit dem heute verlorenen Rahmen zusammenfiel - ein überaus wirkungsvoller illusionistischer Trick, bei der die Bildebene mit derjenigen des Betrachters verschwimmt.