MADRID, 25.05.06 (rsn) -
Die jüngste Dopingaffäre in
Spanien droht Ausmaße anzunehmen wie
die Mutter aller Skandale,
die Festina-Affäre von 1998.
Die Namen von 200 spanischen
und ausländischen Rennfahrern
tauchen in den Unterlagen
auf, die die spanische Polizei fand bei
ihrer großen Aktion gegen ein
Dopingnetzwerk um den Mediziner
Fuentes. Viele
der Profis wurden sogar von
der Guardia Civil gefilmt,
wie die Tageszeitung El Pais
berichtet. Die Versicherungsgruppe
Liberty Seguros kündigte am Donnerstag ihren
Vertrag mit dem gleichnamigen ProTour-Rennstall.
Die Guardia Civil baute bei
ihren Ermittlungen eine Videokamera
auf vor einem Appartment in Madrid,
das viele Rennfahrer aufsuchten,
um sich Blut abnehmen
zu lassen, berichtet
die angesehene
Madrider Tageszeitung
unter Berufung auf
Ermittlungsbeamte.
Das System des Dopingrings
funktionierte so,
dass Athleten Blut
abgenommen wurde,
dieses im Labor manipuliert
wurde, damit es
mehr Sauerstoff transportieren kann,
also den Fahrer leistungsfähiger
macht. Das Blut wurde dann bei
Bedarf wieder injiziert.
Die Polizei fand
bei ihrer Aktion hunderte
von Blutkonserven.
Die nicht eingefrorenen Blutplasmakonserven
hatten eine Haltbarkeitszeit
von rund einer Woche.
Man geht daher davon
aus, dass sie für Rennfahrer
gedacht waren, die
bei einem laufenden Rennen
(Giro, Belgien- und Bayern-Rundfahrt)
zum Einsatz kommen sollten.
Der internationale Radsportverband
UCI teilte
am Donnerstag mit,
die Ermittlungen seien
für den Verband "keine Überraschung".
Man habe in den letzten Monaten
mit den spanischen Behörden
zusammengearbeitet.
Offenbar hatte auch die UCI Hinweise auf
Blutdoping.
Die Blutkonserven sollen laut El Pais
inzwischen Rennfahrern zugeordnet
worden sein. Namen
nennt das Blatt nicht,
aber: "Es sind Fahrer der wichtigsten spanischen Eliteteams
betroffen (...) Man kann
sagen, dass alle bekannten spanischen Fahrer
auftauchen außer Alejandro Valverde",
zitiert El Pais
einen Ermittler.
Der Generaldirektor
der Guardia Civil,
Joan Mesquida, bestätigte
das am Donnerstag indirekt.
In der Affäre tauchten "viele Namen von bekannten"
Fahrern auf,
sagte er der Nachrichtenagentur EFE.
Bei mehreren Hausdurchsuchungen
fand die spanische Polizei
große Mengen des Dopinghormons EPO
und Wachstumshormone aus chinesischer Produktion.
Desweiteren fand man Anabolika
und Medikamente, die
aus einem deutschen Krankenhaus
stammen.
Die Ermittlungen
unter dem Codenamen "Operación Puerto"
begannen bereits im Februar,
nachdem die Polizei
Hinweise auf ein großes Dopingnetzwerk
bekam. Die Polizisten fanden
in Mülleimern von Hotels,
wo Mitglieder
dieses großen Rings übernachteten,
leere Blutbeutel und Spritzen.
Radiosender: "Auch Ullrich bei Fuentes"
Der Madrider Radiosender Cadena Ser
meldete am Donnerstag, auch
Jan Ullrich gehöre zu den "Patienten"
von Dr. Eufemiano Fuentes.
Der frühere ONCE- und Kelme-Teamarzt steht
der im Mittelpunkt
der Affäre.
Der T-Mobile-Star,
so Cadena Ser,
habe monatelang
mit Fuentes zusammengearbeitet.
Der Sender hatte
gleich nach Bekanntwerden
der Affäre gemeldet,
auch Ivan Basso sei
in die Sache verstrickt.
Der Italiener und
sein CSC-Teamchef Bjarne Riis
dementierten das energisch.
Fuentes ist ein "Freund" (Fuentes)
des Italieners Luigi Checchini
ist, der große
Radstars betreut.
Auch Riis und Ullrich gehörten zu Checchinis
Kunden.
T-Mobile dementierte umgehend,
dass Jan Ullrich etwas mit Fuentes zu tun
hatte. "Da ist nichts wahres dran",
sagte Teamarzt Lothar Heinrich.
T-Mobile-PR-Mann Christian Frommert erklärte:
"Man will da die großen Namen in
diese Affäre hineinziehen,
aber Jan hat nichts
zu tun mit (Fuentes)."
Man habe "bei allen Verantwortlichen
im Team recherchiert", so Frommert, "und alle haben bestätigt, dass es absolut keine
Verbindung zwischen dem Liberty-Arzt und Jan Ullrich gibt".
Auch Ullrich selbst betonte:
"Ich habe nie mit Fuentes zusammen
gearbeitet."
Am Mittwochnachmittag war
der am Vortag im Rahmen der Affäre verhaftete
Teamchef des Liberty-Teams, Manolo Saiz,
aus dem Polizeigewahrsam
entlassen worden. Der 46-jährige Saiz, der
seit vielen Jahren im Profiradport
arbeitet und zu den einflussreichsten
Männern in der ProTour zählte,
wird nicht
als Hauptbeschuldigter angesehen.
Er wurde unter Auflagen
auf freien Fuß gesetzt,
weil man die Fluchtgefahr als gering
erachtete.
Die anderen vier Verhafteten
sitzen noch in Untersuchungshaft.
Dabei handelt es
sich um den in der Szene berüchtigten Mediziner Eufemiano Fuentes,
um den zweiten Sportdirektor
des Valenciana-Teams Ignacio Labarta,
um den Mountainbike-Rennfahrer
Alberto Leon und
um José Luis Merino Batres,
einen Angestellten eines Madrider medizinischen
Labors.
Saiz, der
um 15:45 Uhr am Mittwoch
durch den Hinterausgang
das Polizeigebäude verließ,
um die Heerschar der Reporter zu vermeiden,
sehen die Behörden nicht
als Teil des Dopingnetzwerks an, sondern
als dessen "Kunden".
Der Liberty-Teamchef
war gerade dabei, einen
Deal mit Fuentes
abzuschließen,
als die Guardia Civil zugriff.
Die Sportzeitung
AS berichtet,
dass Saiz 60.000 Euro
dabei hatte und Fuentes
einen Kühlbehälter.
Das Treffen,
bei dem der verhaftete
Laborchef José Luis Merino Batres dabei war,
fand in einem Cafe statt unweit
eben jenes Labors, in
dem die Polizei die zahlreichen Blutkonserven
konfiszierte.
Sponsor Liberty steigt aus
Der amerikanische Versicherungskonzern
Liberty zog am Donnerstag
von der Zentrale in Boston aus
die Notbremse.
Man kündige den Vertrag mit
dem Saiz-Rennstall
wegen des drohenden Imageschadens,
teilte das Unternehmen mit.
Man sei "sehr alarmiert"
gewesen nach der Verhaftung
des Rennstall-Teamschefs.
Liberty hatte sich das Radsport-Engagement
rund 8 Millionen Euro im Jahr kosten lassen.
Der Kasache Alexandre Vinokourov,
der zu den Favoriten der Tour de France zählt,
war zu Saisonbeginn zu Liberty gewechselt.
Teammanager Pablo Antón
zeigte sich "überrascht"
von der schnellen Reaktion
seines Sponsors.
"Wir kämpfen um die Mannschaft",
sagte er.
Die UCI bewertete
den Rückzug des ProTour-Sponsors Liberty
als "Verlust für
den ganzen Radsport".
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