VINOKOUROV (kl.Foto); SEVILLA, ULLRICH, KLÖDEN AM ABEND IN STRASSBURG
Fotos: Roth
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STRASSBURG, 29.06.06 (rsn) -
Die 189 Teilnehmer der 93.Tour de France
wurden am Donnerstagabend
zwei Tage vor dem Startschuss zum Prolog bei der
Teampräsentation in Straßburg feierlich vorgestellt.
Die originelle Zeremonie,
bei der die Radstars auf Booten
auf den Flüsschen durch die Innenstadt
der elsässischen Hauptstadt schipperten,
hätte sehr stimmungsvoll
sein können, wenn nicht das Klima
bei der diesjährigen "Großen Schleife"
durch inzwischen kaum noch
übersehbare Dopingvorwürfe und -gerüchte
völlig vergiftet wäre. Die Atmosphäre vor der Tour 2006
erinnert zunehmend an die dunkelsten Tage
der Festinaaffäre 1998.
Vor dem Europäischen Parlament
gingen die Rennfahrer
an Bord von vier
Touristenschiffen,
auf denen sie dann
auf dem Flüsschen Ill
durch Straßburg schipperten
bis zum Chateau
de Rohan unweit
der Kathedrale und
der Innenstadt.
Dort stiegen sie
aus und wurden
auf einer großen Bühne
von Daniel Mangeas,
Frankreichs populären "Stimme
der Tour",
einer nach dem anderen vorgestellt.
Danach ging es wieder
per Schiff weiter
durch die Innenstadt.
Tausende von Schaulustigen
winkten den Radstars vom Ufer zu.
Doch trotz des freundlichen Empfangs
machten die Fahrer
ein langes Gesicht.
Die Stimmung unter den Profis
schien fast wie
auf einer Beerdigung.
Pünktlich zum Start
hat die spanische Dopingaffäre
nun auch die Tourstars erreicht.
Ein paar Stunden zuvor
hatte ein spanischer Radiosender
die Namen
der verdächtigen Rennfahrer aus
dem Ermittlungsbericht
der spanischen Polizei zitiert.
Auf der Liste
stehen mit Francisco
Mancebo (Ag2r), Ivan Basso (CSC)
und Jan Ullrich (T-Mobile)
gleich drei
Tourfavoriten.
Den drei,
die bei der Vorstellung viel, viel
Applaus erhielten,
könnte sogar der Tourausschluss drohen.
Zur Dopingaffäre
wollte sich am Rande der Zeremonie keiner von ihnen
äußern.
"Im Moment weiß doch keiner,
was nun wirklich ist. Man muss
warten bis zu einer
offiziellen Bestätigung.
Aber das ganze ist schon
eine sehr ernste und
schwierige Situation für
den ganzen Radsport",
meinte der Franzose Christophe Moreau (AG2R),
der mit Mancebo zusammen
bei der Tour ein starkes Duo
bilden wollte.
"Mal sehen, ob
die genannten Fahrer
am Samstag am Start sind.
Ich weiß nicht,
ob es da Beweise gibt.
Aber falls wirklich alle diese
Fahrer nicht starten dürften,
wäre das eine schwere Krise
für den Radsport",
meinte ein anderer Franzose, David Moncoutié (Cofidis).
Dabei müssten die Franzosen
doch fast schon ein bisschen
schadenfroh sein,
denn der cyclisme
hat nach 1998 aufgeräumt,
was man von anderen
Ländern offensichtlich nicht sagen
kann.
Der Kasache Alexandre Vinokourov,
der nicht persönlich, aber
dessen Astana-Mannschaft am meisten in
die ganze Affäre verwickelt ist,
hatte ironischerweise
Grund zur Freude am Donnerstag.
Sein Team bekam Grünes
Licht vom internationalen
Sportgericht und
darf entgegen den Wünschen
der Tourorganisatoren bei der
"Großen Schleife" starten.
"Die Entscheidung des
TAS ist eine gute Nachricht
für uns. Auch
wenn es schwer war,
sich unter diesen Bedingungen vorzubereiten,
bin ich nun glücklich,
starten zu können.
Ich bin jetzt doppelt motiviert",
sagte Vinokourov.
Die Tour de France
beginnt am
Samstag mit einem
7,1km langen Prologzeitfahren
im Parlamentsviertel von Straßburg.
Doch das ist zur Stunde
das einzige,
was man mit Sicherheit sagen kann.
Zu allem anderen heißt es:
Abwarten. Die Tourorganisatoren
warten auf offizielle Informationen
durch die spanischen Behörden,
die Teams genauso.
Basso, Ullrich, Menchov, Mancebo -
werden sie dabei sein?
48 Stunden vor dem Prolog
ist das nicht sicher.
Der Rennstallverband AIGCP
machte ebenso wie
die UCI klar,
dass bei Vorliegen von
stichhaltigen, offiziellen
Informationen über
eine Dopingverwicklung
ein Fahrer wie im Ethik-Kodex
der Teams vorgesehen
sofort suspendiert werden muss.
Wer hätte vor ein paar Monaten gedacht,
dass am Ende Lance Armstrong,
der in der dritten Woche
zur Tour kommen will,
vielleicht der am wenigsten umstrittene Radstar sein könnte...