BEZIERS, 15.07.06 (rsn) -
Im Kampf gegen Doping im Radsport erhöht Sponsor
T-Mobile den Druck. Bereits eine Woche nach Ende der Tour de France
seien erste Gespräche mit dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in
Hamburg geplant, wie T-Mobile-Teamsprecher Christian Frommert am
Rande der Frankreich-Rundfahrt in Beziers ankündigte. «Wir stellen
alles auf den Prüfstand», sagte Frommert am Freitagabend. Bei dem
Treffen mit BDR-Präsident Rudolf Scharping beim Hamburger Pro-Tour
Rennen HEW-Cyclassics am 30. Juli solle ein «Runder Tisch» zum Kampf
gegen Doping vorbereitet werden. Es gebe bereits Signale vom
nationalen Konkurrenten Gerolsteiner für gemeinsame Anstrengungen
gegen die Manipulationen im Radsport.
«Alle verkrusteten Strukturen müssen aufgebrochen werden. Durch
den Radsport muss mit einem Stahlbesen gekehrt werden», benutzte Kai
Rapp, der Chef der um den Fortbestand bangenden Deutschland-Tour,
deutliche Worte. Eine Woche nach Ende der Tour de France sind erste
Gespräche mit dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in Hamburg unter
Leitung des Verbands-Präsidenten Rudolf Scharping zum Thema
«Erneuerung» geplant. Das kündigte Frommert an. Bei dem Treffen am
30. Juli beim ProTour-Rennen HEW-Cyclassics solle ein «Runder Tisch»
vorbereitet werden.
Dem von T-Mobile wegen Doping-
Verdachts suspendierten Jan Ullrich droht die Kündigung, weil der 32-
Jährige eine 14-Tage-Frist für die Vorlage eines Unschuld-Beweises
verstreichen ließ. «Seit Freitag prüfen unsere Anwälte, wie wir jetzt
weiter vorzugehen haben. In zehn bis 14 Tagen könnte die
Angelegenheit geklärt sein», sagte Christian Frommert, der für das
Team zuständige Kommunikationsleiter des Bonner Unternehmens. Ullrich
drohen ähnliche Konsequenzen wie dem bereits gekündigten Teamleiter
Rudy Pevenage.
Spätestens Anfang kommender Woche wird nach über zweiwöchigem
Abtauchen eine Erklärung Ullrichs erwartet. «Er muss versuchen,
wenigstens Reste seiner Reputation zu retten», sagte der T-Mobile
Kommunikations-Chef Philipp Schindera, der dem Team in Beziers einen
Besuch abstattete. Die ins Gerede gekommene Radsport-Abteilung, die
durch den Doping-Schock um Ullrich erschüttert wurde, soll auf den
Prüfstand gestellt werden.
«Alles darf gedacht werden», sagte Frommert, der sich auch nach
den jüngsten Veröffentlichungen über den angeblich umfassenden
Drogenkonsum Ullrichs seit mindestens zwei Jahren vor das eigene
Ärzte-Team von der Uniklinik Freiburg stellte. Es gebe bereits
Signale vom nationalen Konkurrenten Gerolsteiner für gemeinsame
Anstrengungen gegen die Manipulationen im Radsport. «Entscheidend ist
allerdings, dass wir eine internationale Basis schaffen. Ich hoffe,
dass der neue Gemeinschaftssinn, der bei der Suspendierung der
belasteten Fahrer bei allen Sportlichen Leitern vor der Tour
herrschte, anhält und wir noch während der Tour einen Richtung
weisenden Beschluss fassen», erklärte Hans-Michael Holczer, der
Manager des Gerolsteiner Teams.
Die Suspendierung von neun Profi-Fahrern, darunter der Tour-
Favoriten Ullrich und Ivan Basso, sei ein Alarmzeichen gewesen, sagte
Frommert. Die Sponsoren müssten sich dringend für eine Reform des
Radsports einsetzen und sie auch umsetzen, «Alibi-Veranstaltungen
sind nicht gefragt», meinte Frommert, der so etwas wie einen
«Klinsmann-Effekt» erhofft.
Auch die Aktiven und die sportliche Teamleitung müssten sich an
einem grundlegenden Neuanfang beteiligen. Nur ein «sauberer Radsport»
könne für die Sponsoren attraktiv bleiben. Ex-Profi Olaf Ludwig, seit
Saisonbeginn neuer Manager des Teams, will sich einem Systemwechsel
nicht entgegenstellen, gab aber zu bedenken: «Ich wehre mich dagegen,
dass jetzt alles in Frage gestellt werden soll. Man kann nicht bei
null beginnen. Ein gewisses Vertrauen zu den Fahrern muss bestehen
bleiben, man kann nicht alles kontrollieren wollen.»
Ob das Unternehmen nach Ablauf des Vertrags Sponsor des von Ludwig
geleiteten Teams bleibt, hängt von den Erfolgen im Kampf gegen Doping
ab. «Wir bleiben auf jeden Fall bis 2008 dabei, das heißt aber nicht:
danach ist Schluss», betonte Frommert. Die Bonner, seit 15 Jahren im
Profi-Radsport, investieren pro Saison bisher geschätzte 11 bis 12
Millionen Euro ins Team, das demnächst - ohne Ullrich - aber
erheblich preiswerter arbeiten kann. Der gestürzte Star kassierte
allein jährlich 2,5 Millionen Euro.
Die Enthüllungen über das Doping-Netzwerk der spanischen Mediziner
Fuentes und Bartres hätten gezeigt, dass die zurzeit praktizierten
Dopingkontrollen des Weltverbandes UCI und der Veranstalter «die
größte Schwachstelle» im Anti-Doping-Kampf sind. Weder der geständige
David Millar (Schottland) noch Ullrich oder in der Vergangenheit
Richard Virenque (Frankreich) waren je in einer Wettkampfkontrolle
aufgefallen.
Der Chef der Weltantidopingagentur, Richard Pound, kritisierte in
einem Interview mit der «Welt am Sonntag», dass «die Radsportler fast
keine Kontrollen außerhalb des Wettkampfs» durchführen. «Ich sehe
keinen ernsthaften Fortschritt in der Bemühungen der UCI, der
Dopingplage, die zweifelsohne existiert, Herr zu werden», sagte der
Kanadier.
T-Mobile will die Zusammenarbeit mit der Nationalen Anti-Doping
Agentur (NADA) in jedem Fall verstärken. An dem «Runden Tisch»
sollten auch bekannte Kritiker der bisher gängigen Radsportpraxis wie
der Molekularbiologe Werner Franke und der österreichische Sport- und
Ernährungswissenschaftler Kurt Moosburger beteiligt werden, meinte
Frommert.
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