STRASSBURG, 02.07.06 (dpa) -
Jan Ullrich steht am Pranger, seine Fans
schwanken zwischen Katerstimmung und Trotzreaktion. Zum Auftakt-
Wochenende der 93. Tour de France strömten am Wochenende trotz des
Dopingskandals und Ullrichs Suspendierung etliche Schlachtenbummler
in T-Mobile-Trikots an die Strecke im Elsass. Das Lager der deutschen
Radsportfans scheint gespalten. «Andreas, mach du es», riefen trotzig
einige T-Mobile-Anhänger Andreas Klöden beim Warm fahren vor dem
Prolog zu.
Bei T-Mobile war man indes bemüht, sich um die geschundenen
Fanseelen zu kümmern. Am Mannschaftsbus tröstete Kommunikationsleiter
Christian Frommert eine Frau, die Tränen in den Augen hatte, und
diskutierte lange mit den angereisten Fans. Eine andere Frau rief
wutentbrannt: «Ihr habt Jans Karriere zerstört.» Von dem sonst
üblichen Popstar-Trubel um Jan Ullrich war verständlicherweise nichts
zu spüren. «Die Stimmung unter den Fans war eine Mischung aus Wut,
Verärgerung und Unverständnis», sagte Frommert. In der Nacht zum
Sonntag beantwortete er 72 E-Mails mit zum Teil stark beleidigendem
Inhalt. «Ihr habt mir den Sommer versaut» war noch eine harmlose
Beschwerde an die Adresse der Bonner, deren Unternehmenssprecher
Philipp Schindera erklärte: «Ein Ausstieg aus dem Sponsoring kommt
nicht in Frage, schon, um uns nicht dem Verdacht auszusetzten, vor
der Doping-Mafia einzuknicken».
Eine Nacht später waren die Fans schon wieder halbwegs versöhnt.
«Es ist natürlich traurig, weil wir uns auf das Duell Ullrich gegen
Basso gefreut hatten. Ansonsten ist die Stimmung aber ungebrochen
gut», sagte ein deutscher T-Mobile-Fan. Auch bei den Anhängern vom
Team Gerolsteiner scheint die Vorfreude auf eine «saubere» Tour de
France zu überwiegen. Beim Prolog, dessen Strecke trotz der
Dopingerschütterung von 100 000 Menschen gesäumt wurde, machte der
Fanclub von Tour-Debütant Markus Fothen lautstark auf sich
aufmerksam. Keine Spur von Tour-Depression. Ein Transparent am Start
der 1. Etappe dokumentierte die derzeitige Gemütslage der deutschen
Fans. In großen Lettern prangte die Aufschrift «No Doping» und einige
Spitznamen der deutschen Tourstarter darauf. Der Name Jan Ullrich
fehlte allerdings.
"ich persönlich werde alle t-mobile handy-
verträge kündigen,weil man jan vorverurteilt hat ohne genaues zu
wissen"
Aus einer von vielen E-Mails von Ullrich-Fans an Radsport-News.com
Beim 20km langen Abstecher der Tour in Deutschland
war natürlich Ullrich
das große Thema unter den Zuschauern.
Zwei Männer in Radsporttrikots
stehen in Offenburg mit Akkordeon und Gitarre am Straßenrand und singen: «Jan
Ullrich ist unser Champ, das weiß jeder, der uns kennt.» Doping-
Skandal hin oder her, die Gruppe um sie herum stimmt mit ein.
Nur noch wenige Minuten, dann wird der
Tour-Tross in der Ortenau erwartet. Die Fans haben es sich auf
Bierbänken bequem gemacht, das Bier strömt aus dem Zapfhahn, schwarz-
rot-goldene Fahnen wehen im Wind.
«Wir zeigen damit unsere Solidarität mit Jan», sagt Fanclub-
Mitglied Josef Kimmig. Noch sei ja nichts endgültig entschieden.
«Aber wenn es so sein sollte, dann werde ich Jan nicht verdammen»,
versichert der Mann im roten Trikot und zeigt stolz seine Mütze mit
dem Ullrich-Autogramm.
Mittlerweile rollen die ersten Fahrzeuge der Werbekarawane über
die Kinzigbrücke. Bunt gekleidete Werbeträger winken und werfen
Gummibärchen, Mützen und andere Geschenke in die Menge. Vor allem die
Kinder sammeln sie ein. Zwei junge Männer sitzen oben ohne auf zwei
Campingstühlen. Sie sind eigens fast hundert Kilometer angereist, um
bei der Tour hautnah dabei zu sein: «Es ist schon komisch, dass der
Doping-Skandal erst kurz vor der Tour rauskommt», sagen sie.
«Wahrscheinlich sind die alle nicht ganz astrein.»