Roman Polanski

 

Biographisches

Roman Polanski wurde am 18. August 1933 in Paris als Kind polnisch-jüdischer Eltern geboren. Aufgrund des Antisemitismus in Frankreich kehrte die Familie 1937 nach Polen zurück. Seine Mutter starb im KZ, dem Polanski durch Flucht aus dem Krakauer Ghetto entgehen konnte. In der Folgezeit mußte er sich allein durchschlagen und sich auf dem Land vor den Nazis verstecken. Als Jugendlicher entwickelte er eine Leidenschaft für das Kino und die Schauspielerei. Unmittelbar nach Kriegsende kam er zum Rundfunk und wirkte bei Hörspielen für Kinder mit; kurz danach spielte er schon beim Theater. 1954-59 besuchte er die Staatliche Filmhochschule in Lodz, die er als ausgebildeter Regisseur verließ. Mit seinen Kurzfilmen und seinem ersten großen Erfolg Das Messer im Wasser (1962) machte er in der europäischen Filmwelt auf sich aufmerksam. 1963 verließ er Polen. Mit Ekel (1965) gelang ihm der nächste Coup, auf den mit Tanz der Vampire von 1967 (seinem wohl populärsten Film) und Rosemaries Baby (1968) zwei weitere folgen sollten.

Das Jahr 1969 bedeutete eine Zäsur in seinem Leben: Seine im achten Monat schwangere Frau Sharon Tate (die in Tanz der Vampire spielte) sowie ihre vier Gäste wurden in Los Angeles von Anhängern einer Sekte um Charles Manson ermordet. Dieser sah sich als verkannter Künstler und vermutete in Polanskis Wohnung einen gewissen Terry Melcher, den er für sein Scheitern verantwortlich machte. Polanskis bis dahin optimistische, erfolgsorientierte Lebenseinstellung wandelte sich von nun an in Pessimismus. Der Tod seiner Frau hinterließ in ihm zeit seines Lebens Schuldkomplexe. Polanski nahm seine Arbeit jedoch bald wieder auf. Mit Macbeth (1971) wagte er sich an einen schwierigen Stoff, den er auf gleichsam beeindruckende wie blutrünstige Weise adaptierte.

1978 sah sich Polanski gezwungen, die Vereinigten Staaten zu verlassen, da er in Verdacht stand, ein dreizehnjähriges Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben. Nach dem Mißerfolg von Tess (1979) folgte eine filmische Schaffenspause von mehreren Jahren, die er u.a. mit dem Abfassen einer Autobiographie (Roman, 1984) füllte.

Das Œuvre

Ekel, Rosemary’s Baby, Der Mieter stehen in thematischer Nähe. Gerade die letzten beiden behandeln die scheinbare oder tatsächliche Verschwörung einer Gruppe gegen ein Individuum. Bei diesen Filmen wird die Spannung und Verdichtung durch die Isolation und das Ausgeliefertsein der Protagonisten verschärft. Sie können nicht fliehen bzw. können nicht aus ihrem Dilemma heraus. Nicht nur in diesem Punkt findet sich eine Parallele zum Absurden Theater, mit dem Polanski sich auch in seinen Kurzfilmen beschäftigte. Absurd wird die Welt dann, wenn wir sie mit unseren Erklärungsmustern nicht mehr einordnen können. Genau dieses Widersinnige versucht Polanski, besonders in Ekel, zu zeigen. Was bedeuten z. B. die seltsam gebückten und vorwärts marschierenden Straßenmusikanten? Was will uns der abgeschlagene Kaninchenkopf in Carols Handtasche sagen? Gut, letzteres gehört wohl zum Krankheitsbild Carols; doch die Bilder, die uns Polanski präsentiert, frappieren. Insofern ist die gezeigte Absurdität bei ihm nicht langweilig und leer, sondern unheimlich und schockierend. Nicht von ungefähr werden diese Streifen von der Filmindustrie mit dem ausgelutschten Begriff "Psychothriller" bezeichnet.

Franco Soldo



Bitter Moon
(Lunes de fiel)

Mittwoch, 22. April 1998, 19.30  Uhr

R: Roman Polanski B: Roman Polanski, Gérard Brach, John Brownjohn K: Tonino Delli Colli M: Vangelis D: Emmanuelle Seigner, Peter Coyote, Hugh Grant, Kristin Scott Thomas P: F/GB 1991 V: 35 mm L: 139 min.

Während einer Schiffsreise nach Indien erzählt der an den Rollstuhl gefesselte amerikanische Schriftsteller Oscar (PC) dem jungen Nigel (HG), in dessen Ehe mit Fiona (KST) es kriselt, von seiner einst leidenschaftlichen Beziehung mit Mimi (ES), die auch an Bord ist. Nigel ist gebannt von dieser Geschichte, die ihn oft peinlich berührt, wenn von den sexuellen Exzessen des Paares die Rede ist. Es offenbart sich ihm das genaue Gegenteil seines flauen Ehe- und Sexuallebens.

Er begegnet Mimi und fühlt sich sogleich von ihr angezogen, wodurch er zu einem bereitwilligen, aber auch angewiderten Zuhörer wird. Denn diese geschilderte Liebesbeziehung entwickelt sich bei abwechselnder Rollenverteilung zu einem Herr-und-Diener-Verhältnis der üblen Sorte.



Rosemaries Baby
(Rosemary’s Baby)

Dienstag, 12. Mai 1998, 19.30 Uhr

R+B: Roman Polanski K: William Fraker M: Krzysztof Komeda D: Mia Farrow, John Cassavetes, Ruth Gordon, Sidney Blackmer, Maurice Evans P: USA/1968 V: 16 mm L: 136 min.

Rosemary (MF) und Guy Woodhouse (JC) beziehen eine Wohnung in New York. Sie machen die Bekanntschaft mit ihren Nachbarn Roman (SB) und Minnie Castevet (RG), einem älteren Ehepaar, das sich für die beiden ausgesprochen interessiert. Guy erwidert dieses Interesse und hält sich sehr oft bei den Nachbarn auf. Eines Abends, als Rosemary und ihr Mann zur Feier des Tages (denn sie haben beschlossen, ein Baby zu zeugen) zu Hause fein speisen, bringt die schrullige Minnie ihnen ein Dessert vorbei. Dieses übelschmeckende Etwas läßt Rosemary in Ohnmacht fallen. In ihrem traumartigen, unheimlichen Zustand fällt ein Monster über sie her. Am nächsten Morgen offenbart ihr Guy, daß er trotz ihres Knockouts mit ihr geschlafen habe (da haben wir’s wohl...). Die bisher alles erduldende und nun schwangere Rosemary fängt an, all die Vorkommnisse um sie herum seltsam und beängstigend zu finden. Sie erfährt über ihren später unter mysteriösen Umständen umkommenden Freund Hutch (ME), daß sie es bei den Castevets mit einer okkulten Sippe zu tun hat. Sie fängt an zu glauben, man wolle ihr Baby opfern. Wird man ihr bei ihrer Suche nach Hilfe und Schutz glauben? Es hört sich doch alles sehr phantastisch an...



Der Mieter
(Le locataire)

Mittwoch, 20. Mai 1998, 19.45 Uhr

R: Roman Polanski B: Gérard Brach, Roman Polanski K: Sven Nykvist M: Philippe Sarde D: Roman Polanski, Isabelle Adjani, Shelley Winters, Melvyn Douglas P: F/1975 V: 16mm L: 125 min.

Der schüchterne und zurückhaltende Trelkovsky (RP) bezieht in Paris eine Wohnung. Er erfährt, daß sich seine Vormieterin Simone Choule aus ungeklärten Gründen aus dem Fenster gestürzt hat. Sein Vermieter und die Nachbarn sind ihm gegenüber unfreundlich und mißtrauisch. Er besucht Simone (die wenige Tage darauf stirbt) im Krankenhaus. Dort begegnet er ihrer Freundin Stella (IA), die von nun an eine Bezugsperson für ihn wird. Trelkovsky fühlt sich bedroht und eingeengt von der Welt des Mietshauses, in der keinerlei Lärm geduldet wird und aus der es kein Entrinnen zu geben scheint. Er verfällt allmählich Wahnvorstellungen, weil er glaubt, seine Nachbarn hätten sich gegen ihn verschworen und wollen ihn in den Tod treiben.

Polanski versteht es auf meisterliche Weise, den Prozeß der Isolation und des psychischen Verfalls des Protagonisten aus dessen Perspektive zu zeigen. Das graue und düstere Paris, die Menschen sowie die gesichtslose Wohnung vermitteln eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Fremdheit, die sich auf den Zuschauer überträgt.



Ekel
(Repulsion)

Dienstag, 23. Juni 1998, 20 Uhr

R: Roman Polanski B: Roman Polanski, Gérard Brach K: Gilbert Taylor M: Chico Hamilton D: Cathérine Deneuve, Ian Hendry, Yvonne Furnaux, J. Fraser P: GB/1965 V: 35 mm L: 105 min.

Die Maniküre Carol (CD) lebt mit ihrer Schwester Helen (YF) in einer Londoner Wohnung. An ihrem Arbeitsplatz versinkt sie in apathische Zustände. Auf die Frage, was ihr fehlt, kann oder will sie nicht antworten. Colin (JF), der sich für sie interessiert, muß feststellen, daß er ihr gleichgültig ist. Genau genommen kann sie Männer und alles, was mit ihnen zu tun hat, nicht ausstehen. Die Zahnbürste und das Rasiermesser des Freundes ihrer Schwester ekeln sie regelrecht an.

Als sie dann für mehrere Tage allein in der Wohnung ist, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Sie bildet sich ein, wie nachts jemand in ihre Wohnung eindringt und sie vergewaltigt. Sie meint ferner zu sehen, wie sich an der Wand Risse bilden. Als Colin sie einmal besucht, erschlägt sie ihn und legt ihn in die mit Wasser gefüllte Badewanne. Dem Vermieter, der seine Monatsmiete haben will, ergeht es nicht besser: ...

Polanski: "Repulsion war eine Fallstudie der Desintegration eines seelisch kranken Mädchens. Ich war daran interessiert, ihre Krankheit zu zeigen und eine Stimmung zu erzeugen [...]. Das Ende, die Nahaufnahme des Familienfotos (in dem Carol ihren Vater eindringlich und doch distanziert anzusehen scheint), sollte zeigen, daß das Mädchen von Anfang an so war."

Erstaunlich an diesem Film ist, wie die Realität mit ihren Merkmalen und Konventionen einer dinglichen, sprachlosen, wenn auch nicht ganz toten Welt (Verwesung des zubereiteten Kaninchens, die beiden Leichen als Wohngesellen Carols) Platz macht. Man betritt wahrhaftig die Landschaft von Carols Seele, wie sich Polanski ausdrückt.



The Death and the Maiden
(Der Tod und das Mädchen)

Mittwoch, 1. Juli 1998, 20 Uhr

R: Roman Polanski B: Rafael Yglesias, Ariel Dorfman K: Tonino Delli Colli M: Wojciech Kilar D: Sigourney Weaver, Ben Kingsley, Stuart Wilson, Krystia Mova P: GB/F 1994 V: 35 mm, OF L: 103 min.

Eine ehemalige Widerstandskämpferin (SW), die unter einer Militärdiktatur inhaftiert war und gefoltert wurde, glaubt in einem Arzt (BK) jenen Peiniger wiederzuerkennen, der sie zu Schuberts "Der Tod und das Mädchen" mehrmals vergewaltigte. Sie überwältigt ihn und veranstaltet ein Privattribunal gegen ihren mutmaßlichen Peiniger, was auf den Widerstand ihres Mannes stößt, der als Anwalt Ambitionen auf den Posten des Justizministers hat.

Wir haben es hier mit einem spannend inszenierten Psychothriller mit großartiger Besetzung und glänzenden Dialogen zu tun. Der Film vermittelt ein konkretes, eindringliches Bild von den unendlichen Qualen der mißhandelten (weiblichen) Opfer sowie der unauffälligen Beschaffenheit des Tätertyps und verdichtet sich zudem zur Auseinandersetzung mit Rache und (möglicher) Vergebung.



Das Messer im Wasser
(Noz W Wodzie)

Donnerstag, 9. Juli 1998, 19.45 Uhr

Und als Vorfilme: Zwei Männer und ein Schrank und Säugetiere

R: Roman Polanski B: Roman Polanski, Jakub Goldberg, Jerzy Skolimovski K: Jerzy Lipman M: Krzysztof Trzcinski-Komeda D: Leon Niemczyk, Jolanta Umecka, Zygmunt Malanowicz P: Polen/1962 V: 35 mm, sw L: 93 min.

Das Ehepaar Andrzej (LN) und Krystyna (JU) fährt zum Segeln an die Masurischen Seen. Unterwegs nehmen sie einen Studenten (ZM) mit, was Andrzej zunächst eher widerwillig tut. Schließlich lädt er ihn ein mitzusegeln, denn er sieht in dem jungen Mann sowohl eine Herausforderung als auch die Möglichkeit, Macht auszuspielen.

Die beiden Hauptdarsteller repräsentieren den Gegensatz zwischen zwei verschiedenen Generationen: der eine, der etablierte, versucht das zu bewahren, was er hat (letztlich auch die Frau); der andere versucht sich gegenüber der Unterdrückung und Bevormundung der "Erfahreneren" zu behaupten.