27.06.2006

Das Kalenderblatt in Bayern2Radio

Siebenschläfer (27.06.2006)

Autorin: Susanne Tölke
Redaktion: Petra Herrmann

„Ist der Siebenschläfer nass / regnet´s ohne Unterlass.“ – so heißt es im Hundertjährigen Kalender. Mit anderen Worten: Der 27. Juni prägt auch die kommenden Wochen. „Das Wetter am Siebenschläfertag / sieben Wochen bleiben mag.“ Auch so eine Bauernregel aus dem Hundertjährigen Kalender. Schon allein der Name flößt einem Ehrfurcht ein. Was hundert Jahre gültig ist, das muss doch gut sein, oder?

Auf diese Ehrfurcht baut auch der moderne Hundertjährige Kalender, den man in jeder Buchhandlung kaufen kann. „Altes naturphilosophisches Wissen, angewandt auf unsere modernen Gegebenheiten“, heißt es da im Vorwort. Genau genommen ist es das Wissen des Mauritius Knauer, seines Zeichens Abt des Klosters Langheim bei Bamberg, der im Jahr 1614 geboren wurde und ein leidenschaftlicher Naturforscher war. Zu Knauers Zeiten machte man die sieben Planeten für das Wetter verantwortlich, das waren damals neben Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn auch die Sonne und der Mond, die man ebenfalls zu den Planeten zählte. Uranus, Neptun und Pluto wurden erst später entdeckt. Mauritius Knauer beobachtete nicht nur das Wetter, sondern auch andere Himmelserscheinungen wie Sternschnuppen, Kometen und Mondfinsternisse und notierte alles auf. Er ging davon aus, dass sich das Wetter im Sieben-Jahres-Zyklus wiederholt, und gab deshalb nach sieben Jahren Beobachtung ganz zuversichtlich seinen Kalender heraus, war allerdings so bescheiden, im Vorwort darauf hinzuweisen, dass seine Vorhersagen nur für das Land Franken Gültigkeit hätten.

Einige Jahre nach Knauers Tod entdeckte der Arzt Christoph Hellwig aus Tennstedt in Thüringen das Bestsellerpotential, das in einem solchen Kalender steckt. Er erfand das Wort vom Hundertjährigen Kalender und gab im Jahr 1700 Knauers Buch neu heraus – unter seinem eigenen Namen. Im Vorwort erwähnt er zwar, dass er auf das alte Manuskript eines verstorbenen Abtes zurückgreife, den Namen Knauer aber verschweigt er. Dafür wird sein Titel umso ausschweifender: „Hundertjähriger Kalender, welcher von 1700 bis 1800 gestellt ist, und erkläret, wie ein jeder Hausvater sein Hauswesen mit Nutzen einrichten und von Frucht und Unfruchtbarkeit jeden Tag und jeden Monat nach jedes Planeten Würdigung partizipieren kann“. Der Hellwigsche Hundertjährige Kalender verkaufte sich sehr gut, das lag zum Teil daran, dass Hellwig alle lateinischen Ausdrücke des Abtes ins Deutsche übersetzt und den Hinweis, dass der Kalender nur für Franken gelte, gestrichen hatte.

Die Wissenschaftler kritisierten den Hundertjährigen Kalender von Anfang an, aber der Beliebtheit beim Publikum tat das keinen Abbruch. Im Lauf der Jahre gesellten sich noch Kapitel über die Traumdeutung, über Ross- und Vieh-Arzneien und etliche Bauernregeln dazu. Auch zum heutigen Siebenschläfertag gibt es Weisheiten im Hundertjährigen Kalender.

Was er allerdings nicht verrät, ist der Ursprung des Namens „Siebenschläfer“. Er hat nichts mit dem gleichnamigen Tier zu tun, sondern mit den sieben frommen Jünglingen, die sich während der Christenverfolgung durch Kaiser Decius im Jahre 251 in eine Höhle flüchteten. Dort schliefen sie, bis sie am 27. Juni 446 wieder aufwachten. Sie hießen Constantinus, Dionysius, Johannes, Malchus, Martinianus, Maximinianus und Serapion. Alle sieben können übrigens als Patrone gegen Schlaflosigkeit angerufen werden – es müssen ja nicht gleich 195 Jahre sein.

© Bayerischer Rundfunk 2006