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Kulturmagazine im Ersten kulturreport 09.10.2005 | 23:15
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Aufstieg und Fall der Neckermanns
Buchautor Thomas Veszelits untersucht die Familiengeschichte

Neckermann Katalog
 

"Neckermann macht's möglich: Dieser Slogan steht symbolisch für den wachsenden Wohlstand in den frühen Jahren der Bundesrepublik. Firmengründer Josef Neckermann war jahrzehntelang der deutsche Versandhauskönig. Wie kein zweiter verkörperte er die Segnungen des Konsumzeitalters. Nebenbei war er auch noch mehrfacher Olympia-Medaillengewinner. In den 70er Jahren folgte der Absturz: Die Firma wurde vom Karstadt-Konzern geschluckt. Der Journalist Thomas Veszelits hat jetzt eine Biografie über Neckermann geschrieben. Neckermanns Geschichte ist die vom stürmischen Aufstieg und tiefem Fall einer Unternehmerfamilie - ein Buch über ein spektakuläres Leben in Licht und Schatten.

Josef Neckermann kam 1912 als Sohn eines Würzburger Kohlenhändlers zur Welt. Die Eltern waren wohlhabend. Er lies sich früh sein Erbe ausbezahlen. Für einen Spottpreis kaufte Neckermann 1936 im Rahmen der so genannten Arisierung zwei Kaufhäuser und legte damit den Grundstein seines Erfolges. Mit 26 Jahren übernahm er schon das drittgrößte Versandhaus des Landes.

Für Neckermann war eine Sache sehr bezeichnend, und zwar: Erfolg aus Leidenschaft. Und die Leute, die er um sich hatte, waren immer Leute, die auf der Siegerseite standen. Und da war er sehr flexibel.” (Thomas Veszelits/ Biograph)

 

Autor Thomas Veszelits
 

Detailliert schildert Veszelits Biografie Neckermanns Verstrickung in das Naziregime. Während des Zweiten Weltkrieges gründete Neckermann zusammen mit Hertie-Chef Georg Karg die "Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung GmbH". Unter ihrem Alleingeschäftsführer Neckermann führte die in staatlichem Auftrag arbeitende Privatfirma in den folgenden Jahren zahlreiche Kriegs-Sonderprogramme durch. Für die gleiche Zeit avancierte Neckermann zum stellvertretenden "Reichsbeauftragten für Kleidung". Die Amerikaner attestieren ihm später “skrupellose Zielstrebigkeit”.

Da wurde nicht drüber gesprochen in unserer Familie. Ab und zu hat mal meine Mutter was erzählt. Nach dem Krieg eben: Gefängnis und schwierige Zeit. Aber so ganz genau wusste ich das nicht. Das wurde eigentlich bei uns verdrängt.” (Marlene Neckermann/ Nichte)

1950 erschien der erste Versandkatalog von Neckermann. Sein Erfolgsrezept: der Preis. Ständig erweiterte er sein Warenangebot. Nach zwei Jahren zählte das Frankfurter Versandhaus zu den zehn größten Unternehmen dieser Art in Deutschland. 1953 wurden Rundfunkgeräte zu sensationellen Preisen in das Programm aufgenommen. Von Handwerk und Einzelhandel boykottiert, war Neckermann allerdings gezwungen, einen eigenen Kundendienst und Vertrieb in ganz Deutschland aufzubauen. Ab 1954 lieferte er auch Kühlschränke, die sich ebenfalls als Preisbrecher erwiesen, später Fernseher, ab 1955 Waschmaschinen und ab 1956 Mopeds. Seine Popularität verdankt Neckermann nicht zuletzt dem 1961 kreierten Werbeslogan "Neckermann macht's möglich", der zu einem geflügelten Wort und zur Umschreibung des Wirtschaftswunders wurde. Neckermann wurde bewundert und gefürchtet – doch er genoss den Kampf gegen die Konkurrenz:

 

Marlene Neckermann
 

Er hat schon damals gesagt: ich möchte der Größte sein. Ich möchte die ganze Nation einkleiden. Ich möchte ganz Europa einkleiden. Und für ihn - er war in gewissem Sinne so eine Art japanischer Samurai - für ihn war Wettbewerb Krieg. Und er wollte auch diesen Krieg gewinnen.” (Thomas Veszelits/ Biograph)

Die zweite Leidenschaft des Josef Neckermann sind die Pferde. Sein Traum ist einmal bei einer Olympiade dabei zu sein. Im Alter von 48 Jahren gelingt ihm nicht nur die Teilnahme, er holt auch eine Medaille. Mit eiserner Disziplin bringt er es auf insgesamt vier erfolgreiche Olympiastarts.

Er hat viel von sich selbst gefordert. Und von den Menschen in seiner Umgebung. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn man Schwäche gezeigt hat.“ (Marlene Neckermann/ Nichte)

Mitte der 70er Jahre macht Josef Neckermann einen Umsatz von mehr als drei Milliarden Mark. Doch das Unternehmen schreibt rote Zahlen. Die gnadenlose Preispolitik wird nun zum Verhängnis. Neckermann verliert einen Großteil seines Vermögens. Doch der alte Kämpfer gibt nicht auf. Er wechselt das Büro und stürzt sich in seine Arbeit als Chef der deutschen Sporthilfe. Unter seiner Leitung erbrachte die Sporthilfe erstaunliche Leistungen zur Förderung des deutschen Spitzensports.

Thomas Veszelits gut recherchierte Biografie erzählt die Geschichte eines Mannes, der beispielhaft für die Unternehmer der Nachkriegsgeneration steht: energisch, visionär, am Ende überfordert. Und dem man bei allen Widersprüchen eines nicht absprechen kann: Größe.

   

 

   

Buchtipp:

Thomas Veszelits
Die Neckermanns
Campus Verlag 2005.
ISBN: 3593374064
EUR 24,90