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15. Oktober 2007
 

heute-Nachrichten

 
Ratko Mladic . Quelle: ap
Ratko Mladic

"Schlächter des Balkan"
seit Jahren auf der Flucht

Ratko Mladic wird als
Kriegsverbrecher gesucht

Zehn Jahre ist es her, dass General Ratko Mladic wegen der Massaker von Srebrenica vom UNO-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde. Vor Gericht verantworten musste sich der untergetauchte "Schlächter des Balkan" wegen der tausenden ermordeten Zivilisten bis heute nicht.

 
 
 

Der heute 62-Jährige wird nicht nur als mutmaßlicher Chefplaner des Srebrenica-Massakers gesucht, bei dem im Juli 1995 mehr als 8000 moslemische Jungen und Männer ermordet wurden; die Tat war das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mladic ist auch verantwortlich für die dreieinhalb Jahre andauernde Belagerung von Sarajevo mit weiteren 10.000 Toten.

 

Hass gegen Moslems

Der bosnische Serbengeneral handelte dabei stets im Namen eines "Groß-Serbien" - beim früheren jugoslawischen Präsident Slobodan Milosevic war er überaus beliebt. Obwohl Mladic seit 1996 mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, gelang es ihm bis heute, dem Schicksal seines Mentors Milosevic zu entgehen, der in Den Haag auf der Anklagebank sitzt.

 

Geboren wurde Mladic am 12. März 1943 im ostbosnischen Bozinovici. Er war zwei Jahre alt, als sein Vater von den faschistischen kroatischen Ustascha-Milizen getötet wurde. Doch sein Hass richtete sich später vor allem gegen die Moslems. Sie "spießen Serben auf, verbrennen sie bei lebendigem Leibe, kreuzigen sie und stechen ihnen die Augen aus", wurde er einmal zitiert.

 

Tausende ermordet

Zu Beginn des Kroatien-Krieges im Juni 1991 wurde Mladic als Oberst der jugoslawischen Armee damit beauftragt, serbische Milizen im kroatischen Knin zu organisieren. Im Mai des Folgejahres wurde der inzwischen zum General aufgestiegene Mladic Kommandeur der bosnisch-serbischen Truppen und kämpfte dafür, eine Verbindung zwischen den von Serben gehaltenen Gebieten im Osten und Westen Bosniens zu schaffen. Am 11. Juli 1995 stürmten seine Truppen das von der UNO zur Schutzzone für Moslems erklärte Srebrenica in Ostbosnien. Mehr als 8000 Moslems wurden ermordet.

 

Für viele internationale Beobachter wurde der untersetzte, bullige Mladic zum Inbegriff der Missachtung des Westens durch die Serben. Als beispielhaft für sein Wesen wird der Ausspruch zitiert: "Grenzen werden immer mit Blut gezogen und Staaten mit Gräbern gezeichnet." Innerhalb der Führung der bosnischen Serben hatte Mladic beträchtlichen Einfluss, er war nie nur einfacher Soldat. So soll er etwa das bosnisch-serbische Parlament dazu gebracht haben, 1993 den Friedensplan der internationalen Vermittler David Owen und Cyrus Vance abzulehnen.

 

Verhandlungen mit EU schwierig

Im Nachkriegs-Bosnien verschanzte sich Mladic in seinem Bunker-Hauptquartier in Han Pijesak und drohte der NATO, jeden Festnahmeversuch in ein Blutbad zu verwandeln. Schließlich tauchte der international gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher vollends unter. Er soll sich irgendwo in Serbien versteckt halten. Immer wieder gibt es auch Gerüchte, er sei am helllichten Tag in Cafés oder Restaurants in der Belgrader Innenstadt gesichtet worden.

Ratko Mladic. Quelle: ap
ap
Aufnahme aus dem Jahr 1995

Weil Mladic und sein Mitangeklagter, der ehemalige bosnische Serbenführer Karadzic, bis heute nicht gefasst sind, steht Serbien und Montenegro unter erheblichem internationalen Druck. Denn von einer Festnahme Mladics und Karadzics hängen die von der EU angekündigten Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien-Montenegro ab, das dem Land langfristig den Weg zur EU-Mitgliedschaft eröffnen könnte.

EU unterbricht Gespräche

Nach der Festnahme des wegen Kriegsverbrechens angeklagten kroatischen Generals Ante Gotovina ist dieser Druck noch einmal gestiegen, auch die Schlinge um Karadzic dürfte sich jetzt noch enger ziehen. Dass die EU es ernst meint, hat sie bewiesen: Weil Mladic noch immer nicht verhaftet ist, hat sie Gespräche mit Serbien zunächst ausgesetzt.

 

Vor dem Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen in Den Haag ist Mladic wegen Völkermord, schwerwiegender Verstöße gegen die Genfer Konvention von 1949, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Am 25. Juli 1995 wurde Mladic gemeinsam mit dem Präsidenten der bosnischen Serben im Bosnienkrieg, Radovan Karadzic, in Den Haag in Abwesenheit für Verbrechen in Bosnien-Herzegowina unter Anklage gestellt.

 

Bosnien-Herzegowina

Ihm wird vorgeworfen, zwischen April 1992 und Juli 1995 mit seiner Armee der bosnischen Serben (VRS) Städte und Dörfer in Bosnien-Herzegowina angegriffen, geplündert und zerstört zu haben.

 

Außerdem sollen bosnisch-muslimische und bosnisch-kroatische Zivilisten verschleppt und in Internierungslagern in Omarska, Keraterm, Trnopolje, Luka, Manjaca, Susica und Foca unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten worden sein. Die Gefangenen sollen gefoltert und vergewaltigt worden sein.

 


Ferner soll die Armee der bosnischen Serben zwischen Juli 1992 und Juli 1995 unrechtmäßig Einrichtungen ohne militärische Bedeutung bombardiert haben; zwischen Mai 1992 und Mai 1995 sollen Heckenschützen der Armee Zivilisten in der Region um Sarajevo verwundet und getötet haben. Außerdem wird Mladic zur Last gelegt, seine Armee habe von Mai 1992 bis Juni 1995 284 Soldaten der UNO-Friedenstruppen unter anderem in Pale und Sarajevo gefangen genommen und zum Schutz vor Luftangriffen der Nato festgehalten.

 

Srebrenica

Am 16. November 1995 wurde Mladic zudem wegen Vergehen in der Sicherheitszone von Srebrenica unter Anklage gestellt. Seine Armee soll die Sicherheitszone im Juli 1995 bombardiert, die niederländischen UNO-Beobachter angegriffen und Srebrenica eingenommen haben.

 

Bosnische Muslime, die versucht hatten, durch den Wald nach Tuzla zu fliehen, sollen von Soldaten der Armee der bosnischen Serben gefangen genommen und der VRS ausgeliefert oder an Ort und Stelle hingerichtet worden sein. Dasselbe Schicksal sollen diejenigen erlitten haben, die versucht hatten, im Lager der UNO in Potocari Schutz zu finden.

 

Verantwortung für Taten Untergebener

General Mladic war der Anklage zufolge vom 14. Mai 1992 an Kommandeur der Armee der bosnischen Serben VRS. Die Verantwortlichkeit von Befehlshabern für die Taten ihrer Untergebenen stellte das UNO-Tribunal in Den Haag erstmals im Oktober 2001 mit dem Abschluss des so genannten Celebici-Prozesses fest.

 

Damals bestätigte der Gerichtshof langjährige Haftstrafen gegen den ehemaligen stellvertretenden Kommandeur des zentralbosnischen Gefangenenlagers, Hazim Delic, den Aufseher Esad Landzo und den Lagerkommandeur Zdravko Mucic wegen Mordes, Folter und Vergewaltigung. Der Celebici-Prozess war damit Grundlage nicht nur für das Verfahren gegen den inzwischen gestorbenen Ex-Präsident Slobodan Milosevic, sondern ist es auch für Verfahren gegen Radovan Karadzic und Ratko Mladic.