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Späte Reue vom Papst – die Geschichte der Inquisition
Hintergrund
Mythos und Moloch „Inquisition“ – Der Vatikan öffnet sein Archiv Die Ausgrenzung Andersdenkender im Christentum
Die neue Epoche der Kirchenmacht unter Innozenz III. Die Inquisition und ihre brutale Methoden
Höhepunkt und Ende einer finsteren Epoche in Europa
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Mythos und Moloch „Inquisition“ – Der Vatikan öffnet sein Archiv

Wer das Stichwort „Inquisition“ hört, denkt an Daumenschrauben und Streckbänke, finstere Verließe und Psychopathen im Mönchshabit, die wehrlose Opfer zum Scheiterhaufen führen. Der schlechte Ruf kommt nicht von ungefähr. In der langen Geschichte der Inquisition gab es Massenhinrichtungen, Folterkammern und besessene Fanatiker, die in ganz Zentral- und Südeuropa ein Klima der Angst und des Entsetzens verbreiteten.
Aber seit der Öffnung der Archive des Vatikans im Jahre 1998 hat die Forschung die Möglichkeit, den Mythos und Moloch „Inquisition“ differenzierter zu betrachten. Diese Institution, die im 13. Jahrhundert etabliert wurde und ungefähr bis zum Jahr 1800 dauerte, machte Wandlungen durch und weist regionale Besonderheiten auf. Ihre Durchschlagskraft war abhängig vom Verhältnis zwischen weltlichen Gewalten, den Ortsbischöfen und der jeweiligen Bevölkerung, das von Gebiet zu Gebiet sehr unterschiedlich ausfallen konnte.

 
Die Ausgrenzung Andersdenkender im Christentum

Seit seinen Anfängen erhob das Christentum als monotheistische Offenbarungsreligion einen Anspruch auf Wahrheit und verteidigte ihn gegen Andersdenkende. Im Neuen Testament schreibt Paulus an Titus: „Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und noch einmal ermahnt ist, und wisse, dass ein solcher ganz verkehrt ist und sündigt und sich selbst damit das Urteil spricht“ (Tit.3, 10 f.). Von Tötung und Folter ist nicht die Rede. Obwohl die Herausbildung des christlichen Dogmas in den ersten Jahrhunderten des Christentums, das 389 durch Kaiser Theodosius I. zur Staatsreligion erhoben wurde, von heftigen Auseinandersetzungen begleitet war, begnügte man sich im Allgemeinen damit, Querdenker auszuschließen, sozial zu isolieren, gelegentlich auch in Klosterhaft zu nehmen.
Aber im 12. Jahrhundert, als die Macht und der Reichtum der Kirche weithin sichtbar waren, entstanden Gegenbewegungen wie die der Katharer und Waldenser, die Armut und Besitzlosigkeit predigten und lebten, auf alle Schichten der Bevölkerung eine große Faszination ausübten und die Amtskirche in ernsthafte Bedrängnis brachten. Exkommunikation - der Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft - half hier nichts, denn die Ketzer (das Wort stammt von „Katharer“, griech. „katharoi“, rein) wollten sich ja gar nicht zugehörig fühlen, im Gegenteil. Somit mussten gegen sie härtere Mittel gefunden werden.

 
Die neue Epoche der Kirchenmacht unter Innozenz III.

1199 verfügte der „Juristenpapst“ Innozenz III. strikte Güterkonfiskation für Ketzer, ihre Unterstützer und Verteidiger. 1215 schloss das Vierte Laterankonzil Ketzer von der Beerdigung in geweihter Erde aus und ordnete ihre Übergabe ans weltliche Gericht an. Kaiser Friedrich II. legte im Gesetz gegen die Ketzer in der Lombardei im Jahr 1224 als Bestrafung die Todesstrafe fest, und zwar ausdrücklich den Feuertod. Kirchliche und weltliche Macht spielten sich in der Eskalation der Ketzerverfolgung gegenseitig die Bälle zu, auch die christliche Theologie wurde immer militanter. Thomas von Aquin, der 1274 starb, forderte die Exkommunikation und die Hinrichtung von Irrlehrern. Der päpstliche Legat und der König von Frankreich führten gemeinsam einen Kreuzzug gegen die Katharer in Südfrankreich. 1252 nahm Papst Innozenz IV. mit seiner berüchtigten Bulle, dem Erlass namens „Ad extirpanda“, die Folter ins kirchliche Ketzerverfahren auf. „Der Stadtherr oder städtische Amtsträger soll alle Häretiker, derer er habhaft werden konnte, zwingen, ihre Irrtümer ausdrücklich zu gestehen und andere anzuklagen; jedoch ohne ihnen bleibende körperliche Schäden zuzufügen oder sie in Todesgefahr zu bringen.“

 
Die Inquisition und ihre brutale Methoden

Die Brutalität bei der Anwendung harter „Verhörmethoden“ ließ sich nicht eindämmen. Aber die Macht der Inquisitoren schöpfte sich nicht nur aus der Unbarmherzigkeit ihres Vorgehens, sondern vor allem aus ihrem Eifer, Informationen flächendeckend zu archivieren, niederzuschreiben und riesige Datensammlungen anzulegen, mithilfe derer man die ketzerische Spreu vom rechtgläubigen Weizen trennen konnte. Es ging um die Dokumentation der Denk- und Lebensweisen breiter Schichten der Bevölkerung und um ihre Disziplinierung und Beherrschung – weit mehr als um die Suche nach Wahrheit. Dass man mit Folter fast jeden Menschen dazu bringen konnte, fast alles zu gestehen, wussten auch die Inquisitoren.
Das Inquisitionsverfahren zeugt von einer gänzlich anderen Rechtsauffassung als das früher übliche Akkusationsverfahren. Letzteres wird durch einen Kläger initiiert („Wo kein Kläger, da kein Richter“). Das Inquisitionsverfahren hingegen gab dem Richter die Vollmacht, auf bloße Verdachtsmomente hin selbst tätig zu werden. Die Inquisitoren pflegten mit großem Gefolge in die zu untersuchenden Gebiete einzuziehen. Zunächst wurde die Bevölkerung mittels Initialpredigt auf das Kommende eingestimmt. Während einer Frist von einigen Wochen hatte jeder die Möglichkeit, sich selbst anzuzeigen, Bußfertigkeit zu bekunden und dadurch mit milderen Strafen davonzukommen: immer vorausgesetzt, man kam auch seiner Pflicht zur Anzeige weiterer Verdächtiger nach. Das öffnete der Denunziation Tür und Tor. Wer sich eines missliebigen Zeitgenossen entledigen wollte, hatte nun die Gelegenheit. Viele Menschen zeigten sich selbst an, um der Denunziation durch Feinde und Konkurrenten zu entkommen. In den Verhören arbeiteten die Inquisitoren mit Fangfragen und Unterstellungen, bekundeten aber gleichzeitig bei jeder Gelegenheit ihr Interesse am Seelenheil des Betroffenen. Im Falle, dass das nicht überzeugte, half man mit Kerkerhaft und Folter nach. Oberstes, unverzichtbares Ziel des Verfahrens war das Geständnis. Viel hing von der Persönlichkeit des Richters und seiner Rechtsauffassung ab. Die Bandbreite der von Inquisitoren angewandten Strafen reichte von der Stigmatisierung durch Kleidervorschriften über Bußwallfahrten und Prügelstrafen bis hin zur Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen. Folter und Feuertod wurden aber längst nicht so häufig verhängt wie allgemein angenommen.

 
Höhepunkt und Ende einer finsteren Epoche in Europa

Jeanne d’Arc beispielsweise hätte 1431 dem Feuertod entkommen können, wenn sie ihr Geständnis nicht widerrufen hätte. Auch der Naturwissenschaftler Galileo Galilei, Gefangener der römischen Inquisition, wurde 1633 „nur“ zu lebenslanger Haft verurteilt, die dann in Hausarrest umgewandelt wurde.
Überhaupt war die römische Inquisition, die 1542 von Papst Paul III. ins Leben gerufen wurde, wesentlich milder gestimmt als die spanische Inquisition, die 1478 errichtet wurde und der spanischen Krone unterstand. Die Verfolgung der Juden und Muslime, die seit Jahrhunderten im Land lebten, erreichte einen grausamen Höhepunkt. Allein in Toledo wurden im 15. Jahrhundert 900 getaufte Juden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Die spanische Inquisition wurde im Jahr 1834 abgeschafft, die römische besteht noch heute, unter dem geändertem Namen „Kongregation für die Glaubenslehre“. Joseph Kardinal Ratzinger war ihr Präfekt, bevor er als Papst Benedikt XVI. auf den Heiligen Stuhl berufen wurde. Die Institution ist umstritten. Von den einen als notwendiges Instrument für die Wahrung der Integrität der katholischen Glaubensdoktrin und der Moral gepriesen, wird sie von anderen wegen ihres Vorgehens gegen kritische Theologen scharf kritisiert.