Suche im Angebot von BR-ONLINE.DE E-mail an  BR-ONLINE.DE Zum BR-ONLINE.DE Newscenter Homepage des Bayerischen Rundfunks
Kalenderblatt-StartseiteKalenderblatt-Startseite
BR-ONLINE.DE
Kalenderblatt 18.04.2007
18.04.1943: zurück weiter
Albert Hofmann entdeckt das LSD
Autor: Herbert Becker
   Druckversion
Anfang 2006 feierte Albert Hofmann seinen einhundertsten Geburtstag. Auf einem Foto, das um diese Zeit aufgenommen wurde, schaut er frisch und gut gelaunt aus. Ein anderes Bild – es stammt aus dem Jahr 1993 – zeigt ihn zusammen mit Timothy Leary, dem amerikanischen Psychologie-Professor, der in der Hippie-Zeit bewusstseinserweiternde Drogen propagierte, das LSD vor allem. Leary trägt auf dem Foto eine freakige orientalische Jacke und sieht so aus, wie man sich einen in die Jahre gekommenen Anhänger der Flower-Power-Bewegung vorstellt. Gegen ihn macht Albert Hofmann – ein soignierter Herr mit Anzug und Krawatte, dem man trotz der Stirnglatze sein Alter nicht ansieht – einen sehr bürgerlichen Eindruck. Was die beiden miteinander zu tun haben? Nun: Leary mag ja das LSD propagiert haben – aber Hofmann hat es erfunden! Beziehungsweise entdeckt. Das hat den Schweizer zu einer zentralen Figur der Drogen-Kultur der späten 60er Jahre gemacht – eine Rolle, die ihm weiß Gott nicht in die Wiege gelegt war.

Sein Vater arbeitete als Werkzeugmacher in einer Fabrik. Als er schwer krank wurde, musste Albert, das älteste von vier Kindern, die Familie ernähren. Noch während seiner kaufmännischen Lehre bereitete er sich auf das Abitur vor, später studierte er Chemie. Dem Pharma-Konzern, der ihn nach seiner Promotion anstellte, blieb er über vierzig Jahre lang treu.

1943 war er dort mit der Entwicklung eines Kreislaufmittels beschäftigt. Schon fünf Jahre zuvor hatte er zusammen mit Kollegen ein blutstillendes Präparat hergestellt, das unter anderem den Wirkstoff eines Pilzes, die so genannte Lysergsäure enthielt. Nun, am 18. April 1943, erzeugte er zum zweiten Mal eine Verbindung dieser Säure mit Diäthylamid – als etwas Unerwartetes geschah: Nicht lange nach seiner Frühstückspause – Albert Hofmann hatte ein Honigbrot gegessen – wurde ihm seltsam zumute. Er unterbrach seine Arbeit, ging nach Hause und legte sich hin. Er notierte, dass er "in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand" versank, in dem er "phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel" sah.

Hofmann ging sämtliche Arbeitsschritte, die er an diesem Tag im Labor gemacht hatte, noch einmal durch. Der Gedanke, dass die Lsyergsäure-Diäthylamid-Verbindung die Halluzinationen hervorgerufen haben könnte, kam ihm nicht sofort, schließlich hatte er nichts davon eingenommen. Aber vielleicht waren Spuren davon an seinen Fingern gewesen. "Wenn es das gewesen sein sollte", stellte er fest, "müsste es ja geradezu saumäßig wirksam sein." Es war saumäßig wirksam.

"Als ich am Montag wieder im Labor war", heißt es in einem Bericht, "nahm ich ... die kleinste Menge davon ein, die man sich überhaupt denken kann – und das war, wie sich später herausstellte, noch fünfmal zu viel ..."Er protokollierte: "16. 20 Uhr: Einnahme der Substanz. 17.00 Uhr: Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz. Mit Velo nach Hause. ... Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. ... Die vertrauten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, ... Die Nachbarsfrau ... war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze..." Ein Horrortrip. Erst als der Rausch ausklang, begann Hofmann das Spiel der Farben und Formen und das optische Empfinden akustischer Wahrnehmungen zu genießen.

In den folgenden Jahren wurde Lsyergsäure-Diäthylamid, also LSD, allen möglichen Tests unterzogen. Es sollte bei der Therapie psychisch Kranker helfen und Sterbende ins nächste Leben geleiten. In Fachkreisen galt es bald als Wunderdroge und für die Hippies war es der kürzeste Weg zur spirituellen Erfahrung. Doch Mitte der 60er Jahre wurden Herstellung, Besitz und Gebrauch von LSD verboten. Die Gefahren, die sein Konsum barg, waren nicht zu übersehen. Vor allem die Gefahr, dass Menschen mit entsprechender Veranlagung durch die Droge in eine Psychose geraten konnten, manche blieben sogar für immer im Wahn gefangen. Albert Hofmann, der immer vor der unsachgemäßen Einnahme der Droge gewarnt hat, sah in ihrem Gebrauch stets eine Art sakraler Handlung, die sorgfältige Vorbereitung erforderte. Von seinen eigenen Erfahrungen mit LSD sagte er:
"Sie gaben mir ... die Sicherheit, dass eine wunderbare, ungeheuer tiefe Wirklichkeit hinter dem Alltagserleben existiert. Es ist ein Einssein, ein kosmisches Gefühl. Das hat mein Leben geprägt."

nach oben Kalenderblatt, Montag mit Freitag, 9.50 Uhr und 0.05 Uhr, Bayern 2 Bayern 2- radioWissen zurückweiter
Kalenderblatt vom
April 2007


Das Kalenderblatt
als Podcast

Draufklicken und
Anhören!
Kalenderblatt
Kalenderblatt-Archiv