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Die B-Waffen Problematik

Bedrohungslage vor dem Hintergrund der Terroranschläge in den USA

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  1. B-Waffen sind seit langem aktuell
  2. Der Tabubruch
  3. Billige und einfache B-Waffeneinsätze?
  4. Die Proliferation
  5. Risikopotential Gentechnologie
  6. B-Schutzmassnahmen

1. B-Waffen sind seit langem aktuell

Nach den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA stellte sich einmal mehr die Frage, was geschehen würde, kämen inskünftig auch B-Kampfstoffe grossflächig zum Einsatz. Dass die Auswirkungen ein noch viel katastrophaleres Ausmass annehmen könnten, als das, was wir in den USA erlebt haben, ist zumindest theoretisch denKBar. Eine Studie der CDC Atlanta hat ergeben, dass bei einem grossflächigen Einsatz von Anthrax über einer Stadt der Grösse Washingtons allein ein volkswirtschaftlicher Schaden von über 26 Milliarden US-Dollar entstünde - ganz abgesehen von der menschlichen Tragödie, welche dadurch verursacht würde. Allerdings geht die B-Bedrohung, die übrigens nicht etwa ein neues Phänomen ist, bei weitem nicht nur vom terroristischen Einsatz von B-Kampfstoffen aus. Insbesondere der Fall Irak hat deutlich gemacht, dass B-Waffen als militärische Einsatzmittel seit langem in die strategischen und vielleicht sogar taktischen Überlegungen einiger Despoten auf dieser Welt einbezogen werden. Die Anfänge des irakischen Programms zur Herstellung von B-Waffen gehen in die frühen achtziger Jahre zurück. Der Aufbau des eigentlichen B-Waffenarsenals erfolgte Ende des ersten Golfkrieges. Ein Einsatz von B-Waffen war während des zweiten Golfkrieges unter anderem als Vergeltungsschlag vorgesehen für den Fall eines Angriffes der Koalitionskräfte auf Bagdad. Obwohl Bagdad nicht von Bodentruppen angegriffen wurde, hat möglicherweise auch die indirekte Drohung der USA mit nuklearen Waffen die irakische Seite in dieser Hinsicht zu Besonnenheit veranlasst. Nach der Befreiung von Kuwait wurde der Irak aufgrund einer UN-Resolution verpflichtet, das gesamte B-Waffenarsenal, sowie alle Komponenten der Forschung, Entwicklung und Produktion zu deklarieren und deren Zerstörung unter internationaler Aufsicht zu akzeptieren.

Irakischer Helikopter mit Sprühvorrichtung
Irakischer Helikopter mit Sprühvorrichtung
für das Ausbringen von B-Kampfstoffen.

Trotz der damaligen Geschlossenheit der Staatengemeinschaft und der Möglichkeit, notfalls unter Gewaltanwendung sämtliche irakische Institutionen und Produktionsstätten im Land zu inspizieren, ist es den Irakern gelungen, grosse Teile des B-Waffenprogrammes lange Zeit zu verbergen. Noch heute fehlt die völlige Klarheit darüber, ob die Aktivitäten in diesem Bereich tatsächlich eingestellt wurden. Es gibt sogar gute Gründe zur Annahme, dass der Irak nach wie vor über bedeutende B-Waffenkapazitäten verfügt. Auch die ehemalige Sowjetunion hat ein umfangreiches B-Waffenprogramm unterhalten, welches spätestens nach den Erklärungen von Boris Jelzin 1992 offenkundig wurde. Allerdings gab es bereits früher starke Indizien, die eindeutig auf offensive B-Waffenaktivitäten der Sowjets hindeuteten. Vor allem der Ausbruch von Anthrax in Sverdlovsk von 1979, bei dem über 60 Einwohner infiziert und an den Folgen der Milzbranderkrankung gestorben sind, hat deutlich gemacht, dass das russische Interesse an B-Waffen damals sehr gross war. Dies war zu jenem Zeitpunkt umso beängstigender, als die UdSSR sieben Jahre zuvor notabene, als Depositarstaat der B-Waffenkonvention die völkerrechtlich vereinbarte Ächtung der B-Waffen unterzeichnet hat. Ein weiteres B-Waffenprogramm wurde von Südafrika während der Apartheid unterhalten. Die Wahrheitskommission hat aufgedeckt, dass bis in die 1990er Jahre hinein B-Waffen entwickelt und produziert wurden. Seit der politischen Wende geht von Südafrika deswegen zwar keine B-Bedrohung mehr aus, es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass entsprechendes Know-how und allenfalls sogar waffenfähiges Material in falsche Hände geraten sind. Eine völlig andere Art der B-Bedrohung steht im Zusammenhang mit verschiedenen Anschuldigungen der Kubaner an die Adresse der USA. Von 1962 bis 1996 sollen gemäss kubanischen Angaben die Amerikaner 24 Einsätze mit unterschiedlichen Krankheitserregern auf Kulturpflanzen und Nutztierbestände durchgeführt haben. Allerdings hat Kuba nur in einem Fall eine formelle Anklage erhoben und zwar im Frühling 1997, nachdem ein halbes Jahr zuvor ein bis anhin nicht bekannter Pflanzenschädling (Trips palmi) verschiedene Kulturpflanzen befallen hat. Brisant an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, dass ein offizielles Kleinflugzeug des US State Department im Herbst 1996 kurze Zeit vor der Tripsausbreitung mit unüblichen Flugbewegungen und der Erzeugung von weissen Rauchwolken über Kuba geflogen ist. Kuba brachte dieses Ereignis sofort in Verbindung mit dem Schädlingsbefall der Getreidefelder und prangerte die USA umgehend an, mit dem Kleinflugzeug B-Waffen eingesetzt zu haben. Waren die früheren Anschuldigungen seitens der Kubaner doch eher abstrus, so bekundeten die Amerikaner in diesem Fall Mühe, die vorgelegten Indizien zu entkräften. Der Einsatz von B-Waffen gegen kubanische Kulturpflanzen wurde zwar in aller Form dementiert. Die Begründung, das Kleinflugzeug sei von Florida aus in Richtung Cayman Island über Kuba mit technischen Problemen (Rauchentwicklung aufgrund eines Motorschadens) konfrontiert gewesen, konnte indes nie definitiv überprüft und erhärtet werden. Einige Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Amerikaner blieben unter anderem auch deshalb bestehen, weil sie zusammen mit den Briten und ehemaligen B-Waffenspezialisten aus Usbekistan an einem recht zwiespältigen Projekt zur Ausrottung von Mohnpflanzen (Opiumproduktion) mit gentechnisch modifizierten Pilzen arbeiten und somit an Einsätzen von Pflanzenschädlingen durchaus interessiert sind. Obwohl dieses Mycoherbizid-Projekt an sich im Zeichen der Drogenbekämpfung steht, setzen sich speziell die Amerikaner damit der nicht ganz unberechtigten Kritik aus, die Grenze zu illegalen B-Waffenaktivitäten überschritten zu haben.

2. Der Tabubruch

Zum breiten Spektrum der B-Bedrohung gehören nebst den terroristischen und militärischen Einsatzmöglichkeiten auch "natürliche" Ereignisse wie beispielsweise der Ausbruch von Infektionskrankheiten (Epidemien, Pandemien), die Verbreitung antibiotikaresistenter Mikroorganismen, die unbeabsichtigte Verbreitung von Resistenzgenen bei der Freisetzung von gentechnisch modifizierten Organismen oder Unfälle beim Transport von pathogenen Keimen. Diese Bedrohungsformen scheint man aber zumindest in der westlichen Welt recht gut im Griff zu haben. Problematisch könnte allenfalls eine Grippe-Pandemie werden oder die Invasion von multiresistenten Bakterien in Spitälern, wobei hier die Entwicklung von besseren antibakteriellen Substanzen und neuen Impfstoffen Abhilfe verspricht. Ganz anders sieht es bei den "unnatürlichen" Bedrohungsformen aus. Speziell schwierig ist vor allem die Bekämpfung des B-Terrors, weil kaum voraussehbar ist, welche Krankheitserreger allenfalls eingesetzt würden. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass zu terroristischen Zwecken sowohl Salmonellen, welche gemeinhin nicht als B-Kampfstoffe bezeichnet werden, als auch Anthrax (Bacillus anthracis), der Klassiker unter den bekannten B-Kampfstoffen, verwendet werden.

"Eight-Ball"
"Eight-Ball":Grösste je gebaute Aerosoltestkammer, die
bis 1969 im Rahmen des US BW-Programmes in Betrieb war.

Glücklicherweise ist es bis jetzt nie zu einem grossflächigen Terroreinsatz von B-Waffen mit entsprechender Wirkung gekommen. Der B-Terrorismus beschränkte sich auf Attentate und Sabotageaktionen mit höchstens lokalen Auswirkungen. Bis Mitte der 1990er Jahre beurteilte man denn auch die Bedrohung durch den terroristischen Einsatz von Krankheitserregern als eher gering. Dies änderte sich dann aber schlagartig nach dem Giftgasangriff der Aum Shinrikyo Sekte von 1995 in Tokio. Es handelte sich dabei um einen eigentlichen Tabubruch in der Terrorszene. Dass Massenvernichtungsmittel (in diesem Fall der C-Kampfstoff Sarin, ein Nervengift) mit der verwerflichen Absicht eingesetzt werden, möglichst grosse Opferzahlen unter einer ahnungslosen Bevölkerung zu erzeugen, hatte man nicht für möglich gehalten. Die Diskussion über den Terrorismus mit unkonventionellen Mitteln bekam nach diesem Ereignis einen völlig neuen Stellenwert. Vorab musste die B-Bedrohung grundsätzlich neu beurteilt werden. Es hat sich im Fall Tokio nämlich deutlich gezeigt, dass Terroristen bezüglich einsetzbaren Mitteln offensichtlich vor nichts mehr zurückschrecken. So gesehen hat der aktuelle Terroranschlag in den USA die Bedrohungslage bezüglich B-Waffen nicht verändert.

3. Billige und einfache B-Waffeneinsätze?

B-Waffen seien die Atombomben der armen Staaten, ist eine oft zitierte Aussage. Damit wird impliziert, dass B-Waffen bezüglich Entwicklung und Herstellung generell einfach handhabbar und billig sind, und gerade aus diesem Grund auch für Terroristen ein attraktives Einsatzmittel darstellen. Vergleicht man biologische und atomare Waffentechnologien miteinander, dann ist zwar offenkundig, dass eine Atombombe teurer zu stehen kommt, als zum Beispiel ein Kilogramm eines potentiellen B-Kampfstoffes. Ein reiner Kostenvergleich ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht sehr aussagekräftig, weil damit die effektiven Schwierigkeiten für die Bereitstellung von einsatztauglichen B-Waffen nicht richtig in Betracht gezogen werden. Momentan hört man vor allem von offiziellen Stellen Amerikas immer wieder, dass B-Waffen die grösste Bedrohung seien, weil man davon ausgehen müsse, dass sie quasi jedermann zuhause in der Küche herstellen und dann auf einfachste Art wirkungsvoll zum Einsatz bringen könne. Tatsache ist jedoch zum einen, dass es keineswegs so einfach ist, hochansteckende Krankheitserreger, die auch wirklich zu einer Epidemie führen, zu erwerben und sie dann auch noch in grosser Anzahl und Konzentration zu züchten. Noch viel schwieriger als der Erwerb und die Aufzucht potentieller B-Kampfstoffe ist deren Verpackung in eine waffenfähige Form, die dann auch tatsächlich einen grossen Schaden anrichten kann. Zum anderen dürfte es bedeutend schwieriger und zweifellos aufwendiger sein, B-Waffen einzusetzen, als Flugzeuge zu entführen. Unter Fachexperten ist man sich darüber einig, dass ein erfolgreicher, grossflächiger B-Waffeneinsatz mit einem hohen Wirkungsgrad nur mit einer immensen staatlichen Unterstützung hinsichtlich Know-how, Technologie, finanziellen Mitteln und verfügbaren Fachleuten zu bewerkstelligen wäre. B-Waffen sind also kaum das einfachste und billigste Einsatzmittel für Terroristen, zumindest dann nicht, wenn sie als unabhängige Organisationen keinen direkten Zugang zu staatlichen Institutionen mit grossen Fachkapazitäten im B-Bereich haben.

4. Die Proliferation

Ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Verfügbarkeit staatlicher Unterstützung bei allfälligen B-Waffeneinsätzen ist die zunehmende Verbreitung der Biotechnologie. Diese gilt nach wie vor als Schlüsseltechnologie mit entsprechend grossen Zuwachsraten. Allein in Europa ist im letzten Jahr der Branchenumsatz um 37 % auf 8.7 Milliarden Euro gestiegen. In der Schweiz deckt die Biotechnologie einen tendenziell steigenden Markt von 2.5 Milliarden Franken ab. Deshalb sind Investitionen im Bereich der Biotechnologie vorab aus wirtschaftlicher Sicht höchst interessant. Mit der Globalisierung der Wirtschaft hat sich in diesem Bereich aber auch zwangsläufig das Problem verschärft, dass zweifelhafte Staaten relativ einfach in den Besitz der für ein B-Waffenprogramm unabdingbaren Fermenter- und Downstream- Processing- Technologie gelangen können. In den meisten Fällen geschieht dies wohl sogar mit der legitimen Absicht, nationale Kapazitäten im Gesundheitswesen oder im Agrarsektor aufzubauen. Gerade die oftmals im Verdacht der B-Waffenproduktion stehenden Drittwelt- oder Schwellenländer leiden zuweilen übermässig stark an Infektionskrankheiten und Nahrungsmittelknappheit, die sie auch trotz internationaler Unterstützung kaum nachhaltig überwinden können.

Moderne Kleinfermenter-Anlage
Moderne Kleinfermenter-Anlage

Da ist es verständlich, dass alle Anstrengungen unternommen werden, die segensversprechende Biotechnologie im eigenen Land zu etablieren, ganz abgesehen davon, dass man sich damit auch gleichzeitig einen wirtschaftlichen Aufschwung erhofft. Nun kann man aber eine Fermentationsanlage, die ursprünglich für die Produktion von Impfstoffen oder Futtermittelproteinen vorgesehen war, auch ohne weiteres für die Herstellung von B-Kampfstoffen verwenden. Genau bei diesem so genannten dual-use Charakter biotechnologischer Anlagen liegt die grosse Problematik. Einerseits will und kann man keinem Staat verbieten, die Errungenschaften der modernen Biotechnologie zu legalen und völlig legitimen Zwecken selber zu erwerben und einzusetzen, andererseits muss man damit rechnen, durch den Export der Biotechnologie in Verdachtsländer allfällige B-Waffenprogramme noch zusätzlich zu forcieren. In diesem Spannungsfeld befinden sich die heutigen Instrumente der Proliferationskontrolle, wobei diese aus verständlichen Gründen nicht immer adäquat und effizient funktionieren können. Eines dieser Instrumente ist die Australiengruppe, ein Zusammenschluss führender Industrienationen zur restriktiven Exportkontrolle von Anlagen, Geräten und Agenzien, die in direkter Verbindung mit der Produktion von Massenvernichtungswaffen stehen. Die Mitgliedstaaten dieser Australiengruppe, zu denen auch die Schweiz gehört, verpflichten sich, ihre nationalen Gesetzgebungen im Bereich Exportkontrolle zu harmonisieren und eine gegenüber Drittstaaten koordinierte Ausfuhrpolitik zu betreiben. Ein anderes Instrument ist die B-Waffenkonvention (BWC), der mittlerweile 143 Staaten angehören. Ein ganz zentrales Element dieser Konvention ist die Regelung von Wissens- und Technologietransfer. So ist beispielsweise unter Artikel III festgehalten, dass kein Staat Ausrüstungsgüter weitergeben darf, welche für die Produktion und den Einsatz von B-Waffen relevant sind. Artikel X hält dagegen fest, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, Ausrüstungsgüter sowie wissenschaftliche und technologische Informationen zur Verhütung von Infektionskrankheiten oder zu anderen friedlichen Zwecken unter einander auszutauschen. Während die Bestimmungen von Artikel III durchaus in Einklang mit einer restriktiven Exportkontrollpolitik stehen, lässt die Verpflichtung zum Know-how- und Technologietransfer unter Artikel X sehr viel Interpretationsspielraum für eine freizügige Ausfuhrpraxis von dual-use Gütern zu. Artikel X der BWC wird denn auch immer wieder von zweifelhaften Vertragsstaaten angestrengt, um ihre biotechnologischen Kapazitäten mit der Unterstützung der hochentwickelten Industrienationen erhöhen zu können. Im Einzelfall können die Transferbestimmungen der BWC den Bestimmungen restriktiver Exportkontrollen durchaus zuwider laufen. Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit betreffen insbesondere Importbedürfnisse von Mitgliedstaaten der BWC, die nicht in der Australiengruppe sind und zudem unter gewissem Verdacht stehen, ein verdecktes B-Waffenprogramm zu unterhalten. In solchen Fällen ist es für ein Exportland natürlich äusserst heikel, zugunsten der Bedürfnisträger zu entscheiden. Allerdings hat die Erfahrung auch gezeigt, dass der wissenschaftliche und technologische Standard in den meisten Problemstaaten längstens ausreichend ist, um selber B-Waffen herzustellen. Restriktive Exportkontrollen führen tendenziell sogar dazu, dass ein verdächtiges Land seine eigenen Ressourcen unter einer embargoähnlichen Situation viel effizienter zu mobilisieren im Stande ist. Dual-use Anlagen wie Fermenter und spezielle Bioreaktoren werden statt importiert mit einem vielleicht etwas tieferen Qualitätsstandard selber hergestellt. Dadurch verliert man aber ein ganz wesentliches Element der Kontrolle. Ein Land, das in der Lage ist, völlig autonom ein allfälliges B-Waffenprogramm auf die Beine zu stellen, kann grundsätzlich nicht mehr kontrolliert werden. Dies ist mitunter ein Grund, wieso immer häufiger eine enge Kooperation mit zweifelhaften Vertragsstaaten im Sinne des Artikels X der BWC angestrebt wird. Nicht nur im Bereich des reinen Technologietransfers, sondern vielmehr auch beim Austausch von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Forschung und Entwicklung verspricht die Zusammenarbeit mehr Kontrollmöglichkeit und dadurch letztlich auch mehr Sicherheit gegen Missbrauch.

5. Risikopotential Gentechnologie

Internationale Forschungskooperationen und Zusammenarbeitsbestrebungen sind vor allem dort ausserordentlich wichtig, wo molekularbiologische Aspekte von pathogenen Mikroorganismen mit Hilfe gentechnologischer Instrumentarien untersucht werden. Um in diesem Bereich auch nur einigermassen den Überblick über die unzähligen Projekte mit den jeweiligen Absichten und Hintergründen zu erhalten, ist in erster Linie grösstmögliche Transparenz erforderlich. Dazu braucht es aber einen regen wissenschaftlichen Informationsaustausch gerade mit Forschungsinstitutionen aus Ländern, die bezüglich ihrer Haltung gegenüber B-Waffen nicht immer über alle Zweifel erhaben sind. Fehlende Unterstützung und Zusammenarbeit könnten in solchen Fällen verheerend sein, denn das erforderliche Fachwissen zum Missbrauch der Gentechnologie ist häufig vorhanden. Nach wie vor gibt es eine Menge arbeitsloser Rüstungswissenschaftler aus der Zeit des Kalten Krieges, die gegen Bezahlung wohl bereit und vor allem auch in der Lage wären, ihr Wissen über B-Waffen zu kriegerischen oder terroristischen Zwecken einzusetzen. In diesem Kontext haben insbesondere die Angaben der beiden prominenten russischen Überläufer Wladimir Pasetschnik und Kanatjan Alibekov, alias Ken Alibek, für Aufsehen gesorgt, welche einen grossen Teil der B-Waffenaktivitäten in der Sowjetunion offenlegten. Viele Forschungsprojekte befassten sich mit der gentechnischen Modifikation von Krankheitserregern. Grosses Interesse galt dabei den Veränderungen der Resistenzeigenschaften von Anthrax. Das Bakterium ist natürlicherweise empfindlich auf Antibiotika, deshalb kann man es damit auch relativ gut bekämpfen. In den russischen Forschungslabors wurden nun aber Anthrax-Stämme gezüchtet, die multiresistente Eigenschaften besassen und somit nicht mehr antibiotikasensitiv waren. Der erste Schritt hin zur Entwicklung neuer, mit Hilfe der Gentechnologie noch gefährlicheren B-Kampfstoffen war damit natürlich getan. Was bereits in den Anfängen dieses Wissenschaftszweiges heftig debattiert wurde, und unter anderem seinen Niederschlag in der Asilomarkonferenz von 1975 fand, wo festgehalten wurde, dass die grösste Gefahr der Gentechnologie im möglichen Missbrauch zu militärischen Zwecken liege, wurde nun zur Realität. Nach heutigem Kenntnisstand sind solche Gentech-Projekte allerdings noch nicht über die Forschungs- und Entwicklungsphase hinausgekommen. Es wird auch immer wieder mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass diese Projekte rein defensiver Natur seien, also ausschliesslich dem Zweck des B-Schutzes und der B-Abwehr, beispielsweise im Rahmen der Impfstoffentwicklung, dienen würden. Dass diese Beteuerungen das Risikopotential der Gentechnologie keineswegs zu reduzieren vermögen, versteht sich von selbst. Zuviele entsprechende Forschungsaktivitäten bewegen sich im Grenzbereich zwischen erlaubten defensiven B-Schutzmassnahmen und unerlaubten offensiven B-Waffenprogrammen. Dies betrifft nicht nur die nach wie vor auf Hochtouren laufende russische Grundlagenforschung an speziellen Krankheitserregern, sondern ebenso sehr jene der Amerikaner oder Chinesen. Dazu kommt, dass die Methodik der Gentechnologie stets verfeinert wird und dadurch immer mehr Möglichkeiten für gezielte Eingriffe ins Erbgut von Mikroorganismen offen stehen. Zuweilen werden die Forscher sogar überrascht von der Effizienz ihrer Experimente, die unverhofft zu höchst brisanten Erkenntnissen bezüglich potentiellen B-Kampfstoffen führen. So geschehen in Australien, wo sich gentechnisch modifizierte Mauspocken-Viren auch mit dem Impfstoff nicht mehr kontrollieren liessen.

Bacillus anthracis
Bacillus anthracis: Toxinproduzierende
Zelle des Anthraxbakteriums
Im übrigen nimmt auch die Zahl der im Bereich der Gentechnologie arbeitenden Forschergruppen stetig zu. In der Schweiz gibt es zur Zeit etwa 1000 Forschergruppen respektive registrierte Forschungsprojekte, die eine gentechnische Ausrichtung haben. Vor rund 15 Jahren lag diese Zahl noch bei 50.Das bedeutet aber auch, dass immer mehr Wissen zur Verfügung steht, das potentiell missbraucht werden könnte. In diesem Sinn hat auch das Human Genom Project vielerorts eher zu Bedenken als zu Euphorie Anlass gegeben.

Mit Blick auf den B-Terrorismus muss allerdings an dieser Stelle auch klar festgehalten werden, dass der finanzielle und technologische Aufwand für die Herstellung von Gentech-Waffen enorm hoch wären. Man kann davon ausgehen, dass sich die Kosten für ein solches Projekt zwischen 50 und 100 Millionen Dollar bewegen dürften. Da ist es mit Sicherheit billiger und wesentlich einfacher, sich eines natürlich vorkommenden Krankheitserregers zu bedienen.

6. B-Schutzmassnahmen

Obwohl also Produktion und vor allem Einsatz von B-Waffen nicht so einfach und billig sind, wie verschiedentlich dargelegt wird, kann ein Grossereignis mit B-Kampfstoffen nicht ausgeschlossen werden. Eine staatlich unterstützte Terrorgruppe hätte sehr wohl die Möglichkeit, einen Einsatz mit geeigneten Krankheitserregern durchzuführen. Zudem gibt es mit der Proliferation der Biotechnologie und dem zunehmenden Know-how im Bereich der Gentechnologie ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential. Die Folgen eines erfolgreichen B-Waffenangriffes in der Bevölkerung wären verheerend, weil diese grundsätzlich gegenüber B-Waffen äusserst verletzlich ist. Niemand kann prophylaktisch gegen sämtliche in Frage kommenden B-Kampfstoffe geimpft werden. Diese Ausgangslage rechtfertigt zweifellos einen angemessenen B-Schutz. Dieser muss zu aller erst auf einer verifizierbaren B-Waffenkonvention basieren. Nach dem einstweiligen Scheitern der Verhandlungen zur Stärkung der BWC mit einem Verifikationsregime müssen nun die Anstrengungen der Vertragsstaaten, allen vorab der USA, nochmals intensiviert werden, um doch noch innerhalb einer vernünftigen Frist zu einem für alle Parteien akzeptablen Kontrollinstrument zu kommen. Nach den Vorkommnissen des 11. Septembers dürften insbesondere auch den für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlichen Amerikanern klar sein, dass eine verbesserte Sicherheit vor Terroranschlägen, egal mit welchen Einsatzmitteln, nur über die internationale Kooperation und die Teilnahme an multilateralen Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen zu haben ist. Nebst diesem sicherheitspolitischen Instrument des B-Schutzes und den in diesem Zusammenhang ebenfalls unabdingbaren nachrichtendienstlichen Informationen, gibt es relativ wenig Möglichkeiten, im Bereich der Prävention Vorkehrungen gegen einen allfälligen B-Waffeneinsatz zu treffen. Eine Durchimpfung der Bevölkerung gegen sämtliche in Frage kommenden B-Kampfstoffe ist weder möglich noch sinnvoll. Andere medizinische B-Schutzmassnahmen sind erst nach einem erfolgten B-Waffeneinsatz wirksam. Dies gilt auch für die meisten übrigen Schutzmassnahmen im B-Bereich. Deshalb konzentriert sich der medizinisch-technische B-Schutz auch in erster Linie auf die Ereignisbewältigung. Nach einem Angriff mit B-Kampfstoffen geht es um eine möglichst rasche Erkennung des eingesetzten Krankheitserregers. Abgesehen von der Notwendigkeit, dass Ärzteschaft und medizinisches Personal für die Symptome von B-Waffenerkrankungen sensibilisiert werden müssen, braucht es ein effizientes und sicheres Früherkennungs- und Schnellnachweissystem. Erst wenn der Erreger identifiziert und charakterisiert worden ist, kann eine wirkungsvolle medizinische Behandlung erfolgen. Im weiteren sollten zumindest für ganz bestimmte Krankheitserreger Impfstoffe und Antibiotika bereit gestellt werden. Selbstverständlich braucht es auch ein funktionierendes Alarm- und Einsatzdispositiv und eine Logistik, welche unter anderem eine rasche Verfügbarkeit von Isolations- und Quarantänestationen, sowie von Spitalbetten und Behandlungsmitteln garantieren kann. Auch in der Schweiz ist man seit einiger Zeit daran, aufgrund dieser Überlegungen ein neues B-Schutzkonzept umzusetzten. Grundsätzlich wird dabei auf den bereits bestehenden zivilen und militärischen Institutionen und der existierenden Fachkompetenz im B-Bereich aufgebaut. Als zentrales Element soll ein B-Kompetenznetzwerk aufgebaut werden, das mit einer Pikettorganisation im Ereignisfall die nötigen Fachspezialisten sofort mobilisieren kann. Zudem müssen die Laborkapazitäten für den Nachweis von potentiellen B-Kampfstoffen erweitert werden. In der Schweiz gibt es beispielsweise kein Labor, dass den Sicherheitsanforderungen für die Bearbeitung von Ebola-, Marburg- oder Lassaviren genügen würde. Diese Krankheitserreger stehen aber auf den einschlägigen B-Waffen-Listen zuoberst und müssen daher auch diagnostisch gehandhabt werden können. Mit den Anstrengungen, welche die Schweiz für eine gestärkte B-Waffenkonvention unternimmt, und der sukzessiven Umsetzung des nationalen B-Schutzkonzeptes, dürften wir jedoch auf dem richtigen Weg sein, inskünftig einem B-Waffenangriff angemessen vorbereitet entgegentreten zu können.

Die B-Waffenkonvention (BWC)

Am 10. April 1972 wurde die Biologiewaffenkonvention unterzeichnet und trat mit der Ratifizierung durch die drei Depositarstaaten USA, UdSSR und Grossbritannien am 26. März 1975 in Kraft. Die Schweiz hat die Konvention 1976 ratifiziert. Mittlerweile umfasst die BWC 143 Staaten. Zu den prominenten Nichtvertragsstaaten gehören unter anderem Algerien, Israel und Sudan. Ägypten, Marokko und Syrien haben die BWC zwar unterzeichnet, nicht aber ratifiziert. Die zentrale Bestimmung des Übereinkommens ist unter Artikel I zusammengefasst:

"Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich,

niemals und unter keinen Umständen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern oder in anderer Weise zu erwerben oder zu behalten."

Es geht also um das Verbot der Entwicklung und Herstellung von B-Kampfstoffen respektive B-Waffen. In Kombination mit dem Genfer Protokoll von 1925, das zudem explizit den Einsatz von B-Waffen verbietet, war die BWC das erste völkerrechtliche Vertragswerk, das eine ganze Waffenkategorie vollumfänglich ächtete. Allerdings fehlten die Verifikationsinstrumente zur Überprüfung der Vertragsbestimmungen. Erst ab 1991 setzte eine ernsthafte Debatte über diese Schwachstelle ein. Auf der Basis eines Expertenberichtes von 1993 verhandelten die Mitgliedstaaten ab 1995 bis Mitte dieses Jahres über ein rechtlich bindendes Kontrollregime, das von der 5. Überprüfungskonferenz der BWC Ende 2001 als Zusatzprotokoll zur Konvention hätte verabschiedet werden sollen. Leider sind die Verhandlungen in der Schlussphase an der unnachgiebigen Haltung der USA gescheitert. Ob und in welcher Form die Verhandlungen weiter gehen, ist im Moment noch unklar. Tatsache ist, dass die Verifikation der BWC-Bestimmungen gerade auch vor dem Hintergrund der Terrorattacken in den USA hoch aktuell geblieben sind.

Der Autor:

Dr. Martin Schütz Dr. Martin Schütz
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