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IHK-ENGAGEMENT ALS FAMILIENTRADITION:
Tradition verpflichtet
Bedeutende Unternehmer vom Niederrhein sind eng mit der Geschichte
der IHK verbunden. Bei den von Beckeraths in Krefeld, den Werhahns
und den Thywissens in Neuss hat das Engagement für die Selbstverwaltung
der Wirtschaft sogar Familientradition. Wie vor 150 oder 100 Jahren
sind heute noch Nachfahren einstiger Präsidenten in der IHK Mittlerer
Niederrhein aktiv.
Einer der herausragenden politischen Repräsentanten des Niederrheins
war Hermann von Beckerath (1801-1870), dessen Nachfahre Aurel
von Beckerath heute Mitglied der Vollversammlung ist und damit
ganz bewusst eine Familientradition fortsetzt: "Sowohl früher
als auch heute spielt die IHK für Unternehmen am Niederrhein eine
wichtige Rolle. Um ihre Ziele zu unterstützen und den Standort
zu festigen, bot sich in alter Familientradition an, sich in der
IHK zu engagieren." Auch von Beckeraths Vater Rudolf war über
viele Jahre Mitglied der Vollversammlung und "hat sich ebenfalls
in diesem Sinne eingebracht."
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Hermann von Beckerath, bedeutender
Politiker und zweimaliger IHK-Präsident in Krefeld im 19.
Jahrhundert, ist der Vorfahre von Aurel von Beckerath, der
sich heute in der IHK-Vollversammlung engagiert.
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Garnagentur mit Tradition
Seit nun 23 Jahren gehört Aurel von Beckerath der Vollversammlung
an, weil auch Erfahrungen von Handelsmaklern und -vertretern in
die Beratungen dieses "Parlaments der Kaufleute" eingebracht werden
sollten. Denn "in Zeiten weltweiter Vernetzung von Unternehmen
und der Eröffnung globaler Märkte ist es für die einzelnen Regionen
wichtig, lokale Unternehmen zu stützen und zu festigen. Deshalb
müssen die schon existierenden Verbindungen hiesiger Unternehmen
gefördert und gepflegt werden."
Von Beckerath (60) führt heute das Unternehmen seines Großvaters,
die 1908 gegründete Garnagentur Raimund von Beckerath. Nach Lehr-
und Wanderjahren in verschiedenen Textilunternehmen brachte er
eine Fülle von kaufmännischem und technischem Know-how mit, als
er 1967 das Unternehmen übernahm, das unter seiner Leitung eine
neue Blüte erfuhr. Auf einem inzwischen sehr viel schwieriger
gewordenen Markt vertritt die Firma in- und ausländische Spinnereien,
handelt daneben aber auch noch selbstständig mit Garnen.
Hohe politische Ämter
Aurel von Beckeraths Urahn Hermann von Beckerath war zweimal Kammerpräsident
in Krefeld, von 1846 bis 1849 und von 1862 bis 1863. Der Bankier
gehörte zunächst dem Rheinischen Provinziallandtag an, als dessen
Mitglied er auch in den Vereinigten Landtag 1847 nach Berlin berufen
wurde. Kurz vor der Märzrevolution 1848 war er einer derjenigen,
die den preußischen König zu mehr Reformen drängen wollten. Er
wurde in die Deutsche Nationalversammlung gewählt und war neun
Monate "Reichsminister der Finanzen" in der provisorischen Reichsregierung.
Am 28. März 1849 wählte die Frankfurter Nationalversammlung
den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Deutschen Kaiser
- von Beckerath wurde auserkoren, diesem die Krone anzutragen.
Aber auch er konnte den König nicht überzeugen, aus der Hand eines
demokratisch gewählten Parlaments die Herrscherwürde zu empfangen.
Nach der gescheiterten Revolution war von Beckerath Mitglied des
Erfurter Unionsparlamentes (1850) und des Preußischen Abgeordnetenhauses
(1849-1852, 1859). 1862 wurde er Präsident des Deutschen Handelstages
(heute Deutscher Industrie- und Handelskammertag).
Vorbild bis heute
Immer wieder wird Aurel von Beckerath von Geschichtskundigen auf
das Wirken seines berühmten Vorfahren angesprochen, schließlich
beeinflusste jeder Abgeordneten der damaligen deutschen Nationalversammlung
die geschichtliche Entwicklung des deutschen Parlaments. Als wohl
wichtigste Tat seines Vorfahren wertet Aurel von Beckerath, "dass
er dem preußischen Statt die Pflicht nachwies, allen Bürgern,
auch den Juden, die ständischen Rechte zu verleihen, Wahlrecht
und Wählbarkeit, gleichgültig welchen Religionsgemeinschaften
sie angehörten. Er war von hervorragender Liberalität geprägt."
Dies wurde auch entsprechend gewürdigt: Das Krefelder jüdische
Konsistorium ehrte Hermann von Beckerath 1847 mit einer aufwändig
gestalteten Dankadresse als entschiedenen Fürsprecher für die
Gleichberechtigung der Juden und "Kämpfer für Wahrheit".
Als Ältester der Krefelder Mennonitengemeinde setzt Aurel von
Beckerath auch die gesellschaftliche und religiöse Tradition seiner
Familie fort. Aus der Lektüre vieler Schriften weiß er, dass Hermann
von Beckerath "als große Persönlichkeit, Fürsprecher der Juden,
Unternehmer, Politiker und IHK-Präsident geschildert wird. Er
habe bei seinen Entscheidungen versucht, stets seinem Gewissen
zu folgen, und gab sogar das Ministeramt wieder ab, weil er Entscheidungen
nicht mittragen konnte, die seinem Gewissen widersprachen. Und
so zieht Aurel von Beckerath das Resumee: "Dem eigenen Gewissen
folgen, Einspruch erheben, Schwierigkeiten in Kauf nehmen zum
Wohle des menschlichen Zusammenlebens: Als ein Mensch, der daran
gearbeitet hat, ist Hermann von Beckerath Vorbild - auch für mich."
Thywissen gründete mit
Zweimal taucht der Name Thywissen in der Präsidentenliste der
Handelskammer Neuss auf - sozusagen am Anfang und am Ende. Ohne
Heinrich Thywissen jun. gäbe es wahrscheinlich keine eigenständige
IHK in Neuss - oder es hätte sie vielleicht erst sehr viel später
gegeben. Jedenfalls waren die Bemühungen der Neusser Unternehmer,
eine eigene Handelskammer zu gründen, in den 1840er-Jahren nicht
erfolgreich. Erst 1861 klappte es. Heinrich Thywissen jun. war
der eigentliche Initiator in der Neusser Kaufmannschaft - und
folglich auch der erste Präsident, der er bis 1865 blieb. Aus
seiner Feder stammte die erste Satzung. Thywissen, Jahrgang 1826,
gehörte zu jenem jungen, hoch gebildeten Bürgertum, das sich nicht
mehr nur für die eigene Zunft und Stadt, sondern für das Gemeinwohl
und Vaterland betätigte. In Neusser Wirtschaftsfragen nahm er
die Zügel in die Hand und avancierte zum Wortführer. Handelskammer-Präsident
war er noch einmal von 1878 bis 1881.
Die Thywissens waren aus Aachen zugewandert; 1839 machte sich
Caspar Thywisssen mit einer Ölmühle, die aus einer Wollspinnerei
entstanden war, selbstständig und legte damit den Grundstein für
das heute noch im Neusser Hafen agierende Unternehmen. Heinrich
Thywissen jun. übernahm die Geschicke des väterlichen Familienunternehmens,
engagierte sich in weiteren Branchen und wirkte im kommunalen
und öffentlich-wirtschaftlichen Bereich mit. Cornelius Thywissen,
Enkel des Caspar Thywissen, der von 1923 bis 1929 Präsident der
Neusser IHK war, engagierte sich auch politisch: er wirkte fast
ein Vierteljahrhundert auch als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung.
Darüber hinaus stand er dem Neusser Bürger-Schützen-Verein und
der Neusser Bürgergesellschaft vor. Man nannte ihn einen "Volksmann
im besten Sinne des Wortes", als er Ende 1931 starb. In seiner
Person vereinigten sich "hohes Ansehen und Volkstümlichkeit",
schrieb der Oberbürgermeister in einem Nachruf.
Hermann Wilhelm, Thywissen, wie sein Großvater Wilhelm Ehrenbürger
der Stadt Neuss, leitete die Geschicke des erweiterten Familienunternehmens
nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Oberbürgermeister von Neuss, Präsident
des Neusser Bürgerschützenvereins, Präsident der Bürgergesellschaft,
Mitglied der IHK-Vollversammlung und mit vielen anderen Ehrenämtern
setzte er das bürgerschaftliche Engagement seiner Vorfahren fort.
Sein Sohn Wilhelm Ferdinand Thywissen ist seit Mitte der 1980er-Jahre
verantwortlich im Unternehmen tätig und seit 1989 Mitglied der
IHK-Vollversammlung. Als Gründungsmitglied und Vorstand der Wirtschaftsjunioren
zeigte er früh seine Verbundenheit zur IHK. Als Vorsitzender des
Verbandes Deutsche Ölmühlen wie auch als Vorsitzender der Gemeinschaft
der Neusser Wirtschaft engagiert er sich über den Bereich der
Wirtschaft hinaus: "Wir müssen der Gesellschaft und damit auch
den Politikern wieder begreiflich machen, dass Wirtschaft neben
der Familie der wichtigste Aktionsraum eines jeden Bürgers ist
und nicht etwas Abstraktes, das man in der Tageszeitung überblättern
kann. In diesem Verständnis, dass nicht Märkte, sondern Menschen
auf Märkten handeln, sieht er sich in der Kontinuität seines Familienunternehmens.
Dem Gemeinwohl verpflichtet
Als Wilhelm Werhahn, Jahrgang 1939, im Januar 2002 sein Amt als
Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein antrat, setzte er eine
Familientradition im besten Sinne fort: Schon sein Urgroßvater
Peter und dessen Sohn Wilhelm, also sein Großvater, waren Präsidenten
der Handelskammer bzw. der IHK Neuss. "Als Unternehmer fühle ich
mich verpflichtet, mich für wohlbegründete Interessen der Wirtschaft
einzusetzen. Mir hat die Gesellschaft viel gegeben. Also gebe
ich jetzt einiges davon zurück und habe deshalb das Amt des IHK-Präsidenten
gerne angenommen", bringt Wilhelm Werhahn sein Ja zur Präsidentschaft
bei der IHK auf den Punkt.
Werhahn stammt aus einer der großen Unternehmerfamilien in Neuss,
die das Wirtschaftsleben der Stadt seit über 150 Jahren geprägt
haben. 1841 begann die Familie mit einem Holzhandelsgeschäft und
baute durch Diversifikation, Innovation und Weitsicht einen weltweit
agierenden Konzern mit den Geschäftsbereichen Baustoffe, Industrie,
Finanzdienstleistungen und weitere Beteiligungen auf, der noch
heute als Familienunternehmen von Neuss aus seine Geschäfte bündelt.
Jahrzehntelang gehörten auch Unternehmen der Kohlewirtschaft und
der Lebensmittelbranche dazu. Engagement in kulturellen, politischen,
sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen und Vereinigungen
gehört von jeher zum Wirkungskreis der Familie. So war Peter Werhahn,
Sohn des Gründervaters, von 1906 bis 1919 Präsident und danach
Ehrenpräsident der IHK Neuss. Sein Sohn Wilhelm bekleidete diese
Ämter bei der IHK von 1945 bis 1962 als Präsident und ab 1962
als Ehrenpräsident.
International orientiert
An seine Vorfahren hat der heutige IHK-Präsident Wilhelm Werhahn
gute Erinnerungen: "Ich weiß, dass mein Großvater Wilhelm - noch
bevor das ‚Dritte Reich' endgültig unterging - gemeinsam mit den
Besatzern daranging, die Neusser IHK wieder aufzubauen." Darüber
hinaus habe sich der Großvater bei der Elektrifizierung der Eisenbahn
engagiert. Schmunzeln muss Werhahn, wenn er an seinen Urgroßvater
Peter denkt, von dem überliefert ist, dass er eine Dauerkarte
bei der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft besaß. Denn er habe
schon zu seiner Zeit sehr international gedacht und agiert und
Geschäfte nicht nur in Frankreich, sondern auch auf dem Balkan
und der Ukraine abgewickelt. "Internationale Geschäfte - das hieß
damals nicht acht Stunden Airbus und dann ab ins Hotel. Das war
Donau-Dampfschifffahrt, Pferdefuhrwerke und Nachtexpress - also
richtige Knochenarbeit."
Ausbildung liegt am Herzen
Dem heutigen IHK-Präsidenten Wilhelm Werhahn liegen zwei Dinge
besonders am Herzen. Zum einen will er die Qualitäten des Standorts
Niederrhein absichern und schrittweise verbessern: "Hierzu werden
wir unser IHK-Jubiläum gemeinsam mit Städten und Kreisen nutzen,
um eine neue Standortinitiative auf breiter Basis zu starten."
Zum anderen will Werhahn verhindern, das die unselige Ausbildungsplatzabgabe
am Niederrhein greift. So ist er "sehr froh, dass wir es 2003
geschafft haben, die Zahl der Ausbildungsplätze um zwei Prozent
gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen."
Das IHK-Engagement für mehr Ausbildung wird nicht nur forciert
durch die Aktion "Klinkenputzen" und Werbung für Verbundausbildung
("Staregio"), sondern auch flankiert durch die Initiative "Bosse
in Schulen" oder die Junior Management School in Knechtsteden,
durch die Wirtschaft in Schulen transportiert werde. Schließlich,
freut sich Werhahn, "konnten wir die Internationale Schule am
Rhein in Neuss etablieren". Denn davon ist Werhahn überzeugt:
"Für den Standort Deutschland sind Wissen und Ausbildung von entscheidender
Bedeutung."
zuletzt bearbeitet 1.06.2004 / Jennifer Beenen
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