Erkenntnis durch Meditation
Im Shaolin-Tempel in Berlin lässt sich der Buddhismus kennenlernen
Reporter Gregor Steinbrenner hat sich in Berlin von Shi Yong Chuan, dem Abt des Shaolin-Tempels, in Qigong unterrichten lassen, den chinesischen Bewegungs- und Meditationsübungen
Der Shaolin-Tempel Deutschland wurde 2001 in Berlin begründet. Er ist der einzige Ableger des chinesischen Shaolin-Klosters in Europa, wie die Berliner Organisatoren mitteilen. Spiritueller Leiter ist Abt Shi Yong Chuan, der dort die Weisheiten des Buddha lehrt und im Meditieren unterweist. Außer ihm erteilen drei weitere Mönche aus China Unterricht in Tai-Chi, Qigong und Kung-Fu. Der Tempel steht nicht nur Buddhisten offen, sondern ist als Unterrichtszentrum frei zugänglich. Man kann dort sowohl Kurse belegen als auch an buddhistischen Zeremonien teilnehmen.
Rund 450 Millionen Menschen bekennen sich weltweit zum Buddhismus. Auch in Deutschland wächst die Zahl seiner Anhänger. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der buddhistischen Gruppen und Gemeinschaften in Deutschland von 15 auf mehr als 600 angewachsen. Schätzungen zufolge leben rund 250.000 Buddhisten hierzulande. Die genaue Zahl ist schwer zu benennen, da der Buddhismus keine "Kirche" im herkömmlichen Sinn ist und Anhänger des Buddhismus nirgendwo amtlich registriert sind.
"Buddha" ist der Zustand der Erleuchtung
Der 1969 geborene Großmeister Shi Yong Chuan stammt aus dem Shaolin-Kloster und ist Präsident der Shaolin-Tempel Deutschland e.V.
Anders als das Christentum ist der Buddhismus keine Offenbarungs-, sondern eine Erfahrungsreligion. Der Begriff "Buddha" bezeichnet nicht einen Gott, sondern den Zustand der Erleuchtung. "Buddha", das heißt, erleuchtet ist, wer seinem Menschsein vollständig auf den Grund gegangen ist, so wie der Begründer des Buddhismus, Gautama Siddharta. Der Spross einer indischen Adelsfamilie begab sich vor etwa 2500 Jahren als hausloser Wanderer auf die Suche nach der "Wahrheit".
Buddhistische Mönche meditieren jeden Tag. Ziel: den Geist loszulassen und in andere Bewusstseinsebenen zu dringen
Der Legende nach erprobte er einige Erlösungslehren und kam am Ende zu der Erkenntnis, dass weder das weltliche Wohlleben noch die leidvolle Askese der richtige Weg seien. Er erprobte den "Mittleren Weg", die aufmerksame und gleichmütige Betrachtung des eigenen Selbst. Gedanken und Gefühle werden dabei nicht abgelehnt und verneint, sondern als vergängliche Phänomene betrachtet. Am Ende steht die Erkenntnis, dass das Leben zwar leidvoll ist, dass dieses Leid aber nicht real ist, sondern von den Menschen nur als solches wahrgenommen wird und deshalb überwunden werden kann. Die Erkenntnis der Vergänglichkeit allen Seins ist der Inhalt des Erwachens und dadurch der Weg zur Aufhebung des Leidens.
"Vier edle Wahrheiten"
Der Kern des Buddhismus ist die Lehre von den "Vier edlen Wahrheiten":
Alles Leben ist leidvoll.
Die Ursachen des Leidens sind Ichsucht und Lebensgier.
Das Leiden kann überwunden werden.
Der Weg dahin ist der "Edle Achtfache Pfad": rechte Anschauung, Gesinnung, Reden, Handeln, Leben, Streben, Denken, Sichversenken.
Zur Erkenntnis gelangt man nach Meinung aller buddhistischen Schulen in erster Linie durch Meditation.
Der Shaolin-Tempel in China gilt als Wiege des Kung-Fu. Die Mönche in Berlin bieten daher auch Kampfkunst-Kurse an
Im Zen-Buddhismus, der in Europa vor allem mit japanischen Traditionen in Verbindung gebracht wird, spielt außerdem Kung-Fu eine wichtige Rolle. Der Zen-Buddhismus entstand ursprünglich in China. Dort trägt er den Namen Chan-Buddhismus. Er wurde vor gut 1500 Jahren im Shaolin-Tempel in der chinesischen Provinz Henan begründet. Der indische Abt Boddhidarma hat dort auch die chinesische Kampfkunst des Chan-Gongfu (Kung-Fu) entwickelt. Kung-Fu wird im Chan-Buddhismus als Mittel zur weiteren Kultivierung, zur Disziplinierung von Geist und Körper angesehen. Eine ähnliche Rolle spielen im Zen-Buddhismus Tai-Chi (Schattenboxen) und Qigong.


Die Filmreportage als Video (4:40 Min.)

Shaolin-Tempel in Berlin

05.04.2007 / mu
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