Tupper
Sie kennen die Pest?? Tupper ist das moderne
Gegenstück dazu. Die Vermehrungsrate eines gesunden
Kaninchenpaares liegt bei 80.000.000 Nachkommen in 10
Jahren. Die von Tuppertanten ist mindestens ebenso hoch.
Der Rohölverbrauch eines gesamten Landes ist
mittlerweile für die Produktion von Plastikschüsseln
drauf gegangen. Sie wollen wissen wo das ganze Zeug
geblieben ist? Bei uns natürlich. Im Abstellraum findet
sich so ziemlich alles, was Tupper zu bieten hat.
Ich öffne irgendeine beliebige
Unterschranktür in unserer Küche: es kommt mir Tupper
entgegen. Denn ordentlich stapeln lassen sich die Dinger
ja nicht. Die eine Kollektion ist rund, die andere
eckig. Und natürlich kommen die Dinger immer in der
Reihenfolge aus der Spülmaschine, die es einem bestimmt
nicht erlaubt, sie richtig zu sortieren, geschweige denn
zu stapeln. Also habe ich für dieses Problem ein ganz
einfaches System entwickelt: ich öffne beim Unterschrank
die Tür ganz weit, stelle den Stapel aus runden und
eckigen Dosen und Schüsseln mit den dazugehörigen runden
und eckigen Deckeln davor. Dann nehme ich Anlauf und
trete alles in den Schrank. Bevor nun die ersten Teile
wieder herausfallen, knalle ich die Tür zu. Etwas später
dann der Schrei meiner Frau aus der Küche: "Aaaarrgh!!
Nicht schon wieder." Flötsäuselzwitschern aus dem
Wohnzimmer: "Was ist denn Schatzi??" Seufzen aus der
Küche: "Die ganzen Schüsseln sind wieder im Schrank
umgefallen." Lügen aus dem Wohnzimmer: "Das tut mir aber
leid..."
Ich öffne die Hängeschränke: Tupper
Trinkbecher für unser Kind. Tupper Trinkbecher für die
Freunde unseres Kindes. Natürlich haben wir auch Tupper
Trinkbecher für die Freunde der Freunde des Kindes. Man
kann ja nie wissen. Tupper Trinkbecher für uns - wenn
wir mal zum Picknick gehen sollten. Wir Picknicken aber
nicht. Und wenn, dann nehme ich Pappteller und
Pappbecher mit. Ich sehe gar nicht ein, das ganze
Geschirr mit zu schleppen, es dann wieder nach Hause zu
schleppen und dann auch noch groß abzuspülen. Und mit
Plastikgeschirr mache ich so was schon erst Recht nicht.
Also brauchen wir eigentlich kein Tupper. Trotzdem wird
bei uns fast alles in Tupperbehältern gelagert. Die
schönen Reiskartons aus dem Supermarkt - viereckig,
prima zu stapeln - wurden durch runde Tupperschüsseln
ersetzt: nie die richtige Größe, kleine Stellfläche,
nach oben ausladend und beschissen zu stapeln. Aber es
passt eben farblich so gut zusammen. Haben Sie schon mal
Puderzucker aus der praktischen "Süße Müllerin" -
Streumühle auf ihren Kuchen gestreut? Also ich nicht.
Wir haben dazu eine Blechdose mit Sieb obendrauf
(natürlich von IKEA - woher denn sonst) und brauchen
dieses Puderzuckerstreuding "Süße Müllerin" überhaupt
nicht. Wir haben es in blau und grün. Sicherheitshalber.
Wenn das Blaue gerade mal gespült wird und wir schnell
einen Kuchen für Freunde backen müssen, die uns besuchen
kommen.
Was ich besonders hasse ist die ewige
Sucherei nach dem passenden Deckel. Die Schüsseln
differieren im Durchmesser teilweise nur um ein paar
Millimeter. Ein Vorfall aus meiner Frühzeit im Umgang
mit Tupper macht mir heute noch zu schaffen: Nach zehn
Minuten vergeblichen Drückens war es mir immer noch
nicht gelungen den blöden Deckel auf die Schüssel mit
dem Sauerkraut zu pressen. Bei meiner Frau klappte so
was eigentlich immer reibungslos. Ich zog und zerrte und
schwitze und fluchte. Aber das Drecksding sprang immer
an der gegenüber liegenden Seite wieder auf. Mindestens
20 mal. Mann war ich sauer. Ich war ja felsenfest davon
überzeugt es liege nur an meiner Dummheit oder
Ungeschicklichkeit. Da es sich nur um höchstens zwei,
drei lausige Millimeter handelte, musste es doch zu
schaffen sein!!! Mein Gedanke war nun, das heiße
Sauerkraut hätte die Schüssel etwas gedehnt - Wärme
dehnt ja bekanntlich aus - und der kalte Deckel würde
deshalb nicht passen. Jedenfalls habe ich den Deckel
gekocht, in die Mikrowelle gesteckt und anschließend mit
Topflappen - er war wirklich heiß - solange gezogen bis
er passte. Anscheinend war der Dehneffekt mit der
Abkühlung dann auch wieder zu Ende. Jedenfalls kam meine
Frau just in dem Moment zu mir in Küche rein als die
Schrumpfung des Deckels das kritische Maß unterschritt
und dieser sich von der Schüssel verabschiedete. Es
machte laut "Plopp", der Deckel segelte hinter den
Hochschrank und ich trat die Schüssel Sauerkraut mit
Anlauf aus dem offenen Fenster.
Gut, ich hätte vielleicht nicht so laut
Scheiße brüllen sollen, aber was soll's. Wir haben
tolerante Nachbarn und der nächste Regen hat das Zeug
dann ja auch wieder aus dem Baum gespült. Danach hat
sich mein Verhältnis zu Tupper wieder etwas entspannt.
Na ja. Jedenfalls war es so, bis sich meine Frau zu
dieser Tupperparty überreden ließ. "Was?? NIE. NIEMALS.
Nicht hier."
Irgendwie habe ich mich dann im Datum geirrt
und zufällig für diesen Abend keinen Termin vereinbart.
Jedenfalls saß ich absolut ahnungslos und für sie
unpassend im Wohnzimmer. Die Nervosität meiner Frau
führte ich auf das prämenstruale Syndrom zurück.
Vielleicht war es auch das postmenstruale? Wer weiß
schon so genau warum sich Frauen komisch benehmen. Aber
in Wirklichkeit war es wegen mir. Weil ich ausgerechnet
heute Abend zu Hause war. Es klingelte und ich war vor
ihr am Hörer der Sprechanlage. "Ja guten Abend. Ich
komme von Tupper und heute..." "Wir kaufen nichts."
Klack. Damit war mein Vorrat an Freundlichkeit
erschöpft. "Lass die Frau doch rein. Heute ist doch mein
Tupperabend." "DEIN WAAAS?? " "Ich kauf ja auch nichts.
Ich bin ja nur die Gastgeberin. Nun sei doch still. Sie
hört dich sonst." Sie drückte auf den Öffner. Von
solchen Veranstaltungen hatte ich ja schon gehört; aber
dass meine Frau mir so was antun würde hätte ich nie
gedacht. Aber wir hatten wirklich schon alles von
Tupper. Also eigentlich kein Anlass zur Sorge, dass sie
noch mehr Blödsinn bestellen würde.
Die Tuppertante kam bereits etwas früher,
weil sie ja noch die ganzen Sachen die Treppe herauf
schleppen musste. Ob ich denn so freundlich sein könnte
mit anzufassen, weil der Karton doch wirklich schwer
wäre. "Nöö." Sie sehen ich blieb höflich. Zu zweit haben
sie dann die Kiste hochgewuchtet. Immer so drei Stufen,
dann wieder Pause. Nach fünf Minuten hatten sie es
geschafft. "Na also, geht doch!" munterte ich die beiden
dann an der letzten Stufe auf. Ich helfe doch gern.
Dann wurden die Plastikteile auf dem
Esszimmertisch und einem mitgebrachten Beistelltisch
aufgebahrt wie religiöse Kultgegenstände. Hinzu kamen
Getränke und was zu knabbern. Kurz darauf trafen dann
auch die "Gäste" ein: allesamt die Freundinnen meiner
Frau die ich am wenigsten ausstehen konnte.
Die Lautstärke im Esszimmer schwoll dermaßen
an, dass ich von den Nachrichten bei mir im Wohnzimmer
nicht mehr viel verstand. Plötzlich: Ruhe. Dann erhob
sich nur noch eine Stimme. Durch die geschlossene Tür
hindurch lauschte ich ein wenig. Interessant... ich
lauschte etwas länger. Hmm, sehr interessant. Was ist
bitte ein "Schlumpf" ?? Kleine blaue Männchen mit weißen
Mützchen?? Also schlich ich mich endlich in den dunklen
Flur, vom dem aus man - ohne selbst gesehen zu werden -
das Esszimmer überblicken konnte. Junge, Junge. Was es
nicht alles gab: 9 Weiber und meine Frau (ja, ich habe
es geändert, Schatzi) saßen wie die Kaninchen vor der
Schlange. Egal was für einen Stuss die Tuppertussi
redete: es war alles toll. "Und hier haben wir die
Eidgenossen: Gaaanz hervorragend geeignet für Gemüse und
zur Aufbewahrung von Linsen oder Bohnen oder..." -
Kunstpause- "...Reis. In einer wunderschönen weißen
Farbe mit blauen oder roten Deckeln." Zustimmendes
Gemurmel. Eidgenossen hielt ich bisher immer für die
Schweizer Ureinwohnerschaft. Tupper machte daraus eine
Plastikschüssel mit Schüttvorrichtung. "Und diese tollen
Trinkbecher lassen sich" -Kunstpause- "ineinander!
STAPELN. Ist dass nicht praktisch?" Zustimmendes
Gemurmel.
Was für ein Scheiß. Unsere Plastikbecher vom
ALDI ließen sich auch stapeln. Trotzdem machte sich
meine Frau Notizen. "Hier, meine Damen, haben wir ein
gaaaanz praktisches Salatsieb. Wir nannten es "SALADIN".
Witzig, nicht wahr? Passend dazu die Schüssel in
gleicher Farbe mit" -Kunstpause- "Deckel. Ist dass nicht
wunderbar. Und soooo praktisch. Und hier ist sogar ein
Feld eingearbeitet um einen Aufkleber zur Beschriftung
anzubringen." Zustimmendes Gemurmel mit einem kleinen
Seufzer des Entzückens von einer der Damen. Als ob WIR
keine Schüsseln mit Deckel hätten. Natürlich hatten wir
Schüsseln mit Deckeln. Wir brauchen keine Schüsseln mit
Deckeln. Zumindest nicht von Tupper. Meine Frau notierte
sich schon wieder was. "Und das muss ich Ihnen noch
zeigen: Wir haben es "die kleine Schweizerin" genannt:
Ein Tortenheber mit Schneidkante an der Seite. Damit
können Sie die Torte schneiden und heben. Erst
schneiden, dann heben und" -Kunstpause- "servieren."
Zustimmendes Gemurmel. Kleine Lautäußerungen des
Entzückens. Alle stießen mit Sekt an.
Gott. Die erklärt das ja als hätte sie lauter
Idioten vor sich, dachte ich mir noch. Jede Torte kann
man mit dem Tortenheber durchdrücken. So ein Blödsinn.
Meine Frau schrieb schon wieder was auf. Ich wurde
misstrauisch. Faszinierend waren die ganzen
Bezeichnungen für das Plastikzeugs ja schon. Ich fragte
mich wer sich den ganzen Tag lang die Namen ausdenkt.
Oder haben die eine eigene Abteilung mit lauter
Gestörten dafür? "Der "kleine Schlumpf" ist ja gaaanz
entzückend um dem Kind Getränke mit in den Kindergarten
geben zu können." Zustimmendes Gemurmel. Mehrere kleine
Lautäußerungen des Entzückens. Der kleine Schlumpf
bezeichnet einen 0,33 Ltr. Becher mit Drehverschluss.
Und der 0,5 Ltr. Becher heißt... na, kommen Sie drauf?
Richtig: "Der große Schlumpf". Eine schier unglaubliche
schöpferische Leistung.
Und bekommt derjenige, welcher den dümmsten
Namen gefunden hat dann Abends eine Tafel Schokolade zur
Belohnung? Meine philosophischen Überlegungen endeten
mit den kleinen spitzen Schreien der Entzückung die eine
der Damen ausstieß. Du liebe Zeit. Sie wird doch keinen
multiplen Orgasmus wegen der Gurkenaufbewahrungsdose
bekommen haben? Ein Albtraum: kleine feuchte Stellen auf
meinen sündhaft teuren Esszimmerstühlen. Und wieso
notierte sich meine Frau schon wieder was? Nach einer
Stunde hatten wir folgende Artikel durch:
- "Wiener Walzer": eine Tortenplatte. -
"Laibwächter": als Brotbox. - "Pfiffikus": als
Tortengitter. - "Rumpelstilzchen": zwei kleine Becher.
Faszinierend waren auch die durchdachten
Zwischenfragen der Damen (ja Schatzi - ich habe "blöde
Kühe" wieder gelöscht). "Kann man denn in der Dose auch
belegte Brote aufbewahren oder ist sie mehr nur so für
die Wurst gedacht?" Noch während ich nach dem tieferen
Sinn der Frage forschte - es kann doch nicht ernsthaft
eine erwachsene Frau eine andere fragen ob sie in einer
Plastikdose statt Wurst auch Brote oder Käse aufbewahren
kann, - kam auch schon die Antwort der Tuppertante :
"Sie könnten sogar" -Kunstpause- "belegte Brote darin
aufbewahren. Stellen sie sich nur mal vor, meine Damen:
MEIN Mann öffnet seinen Aktenkoffer und findet darin"
-Kunstpause- "diese formschöne und farblich passende,
graue Tupperdose "großer Buchhalter". Was denken sie was
ihm da durch den Kopf geht?" Fragende Gesichter.
Ich kann's dir sagen, dachte ich mir:
entweder ne 7,65 mm Pistolenkugel weil er es nicht mehr
aushalten kann mit dir, oder: "Wenn ich meine Frau,
nachdem ich sie mit dem bleigefüllten "Großen Schlumpf"
erschlagen habe, zerstückle, könnte ich den Kopf in die
Salatschüssel SALADIN packen und den Rest auf unsere ca.
283 verschiedenen Tupperschüsseln verteilen. Und dann
staple ich alles ordentlich beschriftet im
Müllcontainer."
Die Tuppertante erklärte es - völlig
abweichend von der Realität - so: "Hai. Meine Frau hat
an mich gedacht. Die Gute."
Zustimmendes Gemurmel. Leises, befriedigtes
Stöhnen einer Dame. So ging es noch eine Stunde weiter.
Faszinierend. Am Schluss gab es so eine Art
Gruppenhöhepunkt: die Bestellungen wurden abgegeben. Den
hochroten Gesichtern nach hatten die Damen sich hier so
richtig ausgetobt. Sie hatten sogar die unverkäuflichen
Musterstücke unter sich aufgeteilt. Wenn die Tuppertante
bereit war sogar diese zu verkaufen, musste die
Bestellung exorbitant ausgefallen sein: im Klartext:
einige Männer würden schwer Überstunden schieben müssen
(ich auch) um das Loch in der Kasse wieder aufzufüllen.
Vor meinem geistigen Auge tauchte mein Jahresurlaub in
Form von Tupperschüsseln auf. Die Tuppertante packte
ihre restlichen Sachen zusammen in den großen Karton und
begann sich zu verabschieden. Taktischer Fehler: sie
würde den Karton vor sich am Bauch hertragen müssen und
hatte dadurch ein eingeschränktes Blickfeld.
Jetzt wurde es Zeit für die Rache des kleinen
Mannes: Ich schlich in den Hausgang und fand was ich
suchte: das Skateboard unseres Sohnes! Es lag schon
gefährlich nahe an der Treppe herum (im Geiste sah ich
noch mal den Kontoauszug auf dem die private
Haftpflichtversicherung abgebucht war). Ups, jetzt ist
doch die Katze dagegen gestoßen und hat die Position
etwas verändert. Den polternden Geräuschen in unserem
Hausgang nach zu urteilen hat die Tuppertante es dann
auch bemerkt.