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GRUNDLAGEN DER RÖNTGENDIAGNOSTIK


Schallwellen und elektromagnetische Wellen sind Basis der bildgebenden Diagnostik. Zu den elektromagnetischen Wellen gehören z.B. Röntgenstrahlen ebenso wie Gammastrahlen und sichtbares Licht.

Elektromagnetische Wellen unterscheiden sich durch ihre Wellenlängen und damit durch ihre Energie: kurzwellige Strahlen (hohe Frequenz) sind energiereich, langwellige Strahlen (niedrige Frequenz) sind energiearm. Während das sichtbare Licht Wellenlängen von 400-750 nm aufweist, sind Röntgenstrahlen und Gammastrahlen wesentlich kurzwelliger (10-14 bis 10-8 Meter) und damit energiereicher.

Abbildung: Spektrum elektromagnetischer Wellen

Röntgen- und Gammastrahlung wiederum unterscheiden sich in ihrer Entstehung: Röntgenstrahlung entsteht bei der Abbremsung schneller Elektronen durch Materie im Bereich der Atomhülle ("Bremsstrahlung"). Im Gegensatz dazu entsteht Gammastrahlung bei Kernumwandlungsprozessen im Rahmen eines radioaktiven Zerfalls.

Zur Röntgendiagnostik wird also hochenergetische Photonenstrahlung verwendet. Die üblicherweise angewandte Strahlung liegt in einem Bereich von etwa 25 bis 150 keV. Ultraharte Röntgenstrahlung (Wellenlängen von etwa 10-12) und Gammastrahlung werden in der Strahlentherapie eingesetzt.

Die wichtigsten Eigenschaften der Röntgenstrahlen sind (nach Laubenberger):

Schwächungseffekt

Röntgenstrahlen sind in der Lage, Materie zu durchdringen. Sie werden hierbei geschwächt. Die Schwächung der Röntgenstrahlen ist der wichtigste Faktor bei der Bilderzeugung.

Photographischer Effekt

Röntgenstrahlen können ebenso wie Licht photographische Filme schwärzen (durch diesen Effekt wurden sie entdeckt).

Lumineszenzeffekt

Röntgenstrahlen regen bestimmte Stoffe zur Lichtemission an ("Fluoreszenz"). Photographischer Effekt und Lumineszenzeffekt bewirken zusammen die Filmschwärzung.

Ionisationseffekt

Röntgenstrahlen sind in der Lage, Gase zu ionisieren. Dieser Effekt wird z.B. in der Dosismessung ausgenutzt.

Biologischer Effekt

Röntgenstrahlen können Veränderungen im lebenden Organismus verursachen. Dieser in der Diagnostik unerwünschte Effekt ist der Grund für die Notwendigkeit des Strahlenschutzes.

Entdeckt wurden die Röntgenstrahlen erstmals 1895 durch W.C.Röntgen. Erweitert wurde die radiologische Diagnostik durch den Ultraschall und die Magnetresonanztomographie (MRT), die beide jedoch nicht (!) auf der Anwendung von Röntgenstrahlen beruhen.

Die folgende Liste zeigt einige Meilensteine in der geschicht-lichen Entwicklung bildgebender Verfahren, die zur heutigen Vielfalt diagnostischer Möglichkeiten führten:

1895 Entdeckung der bis dahin unbekannten Strahlung durch W.C.Röntgen => "X-Strahlen" (Würzburg)
1913 Entwicklung der Hochvakuumröhre mit Glühkathode durch W.D.Coolidge
1930 Einführung der Drehanodenröhre durch A.Bouwers und Einführung der Tomographie durch A.Vallebona
1936 Einführung der Schirmbildmethode durch M.deAbreu
1952 Einführung der Bildverstärker-Technik
1974 Anwendung des Ultraschalls durch Kosoff
1957 Entwicklung der Computertomographie durch A.MacLeod/Cormack
1967 Einführung der Computertomographie durch Godfrey N. Hounsfield
1946 Entwicklung der Grundlagen zur Magnetresonanz Spektroskopie durch F. Bloch und E.M.Purcell
1974 Anwendung der MRT als bildgebendes Verfahren durch P.C.Lauterbur/Damadian


PHYSIKALISCHE UND TECHNISCHE GRUNDLAGEN

ERZEUGUNG VON RÖNTGENSTRAHLUNG

Der Aufbau der Röntgenröhre

Die Röntgenröhre ist eine Hochvakuumröhre (ca. 10-7 mm Hg) mit einer Glühkathode und einer Anode (meist aus einer Wolfram-Rhenium-Legierung).

Prinzip der Röntgenröhre (Aufbau)Röhre (Aufbau)

            1. Anode
            2. Molybdänwelle
            3. Rotor
            4. Kathode (Glühfaden)
            5. Glaskolben (Vakuum)

Prinzip der Röntgenröhre (Funktion)Röhre (Funktion)

            1. Kathode
            2. Glühfaden (Elektronenquelle)
            3. Brennfleck
            4. Wolframscheibe
            5. Vakuum
            6. Kolben
            7. Anode
            8. Primärstrahlenblende
            9. Nutzstrahlenkegel

Prinzip der Entstehung von Röntgenstrahlen

Röntgenstrahlen entstehen durch Abbremsung energiereicher Elektronen an einer Anode:

Zwischen Glühkathode und Anode wird eine Hochspannung von 30 bis 120 kV angelegt. Hierdurch lösen sich Elektronen aus der Kathode, werden beschleunigt und prallen auf die Anode auf. Die Elektronen reagieren mit dem Anodenmaterial. Hierbei wird die kinetische Energie zum allergrößten Teil (99% !) in Wärme umgewandelt (daher Wolframanoden, da Wolfram das Material mit dem höchsten Schmelzpunkt - 3350o C - ist, außerdem heute Drehanoden, um die entstehende Wärme zu verteilen). Die entstehende Wärme hat keinen Nutzen für die Diagnostik. Lediglich 1% der Energie der Elektronen wird in Röntgenstrahlung umgewandelt. Hierbei unterscheidet man zwei Formen der Wechselwirkung des Elektrons mit dem Anodenmaterial, wodurch zum einen die sog. "Bremsstrahlung", zum anderen die sog. "Charakteristische Eigenstrahlung" entsteht.

Energiebilanz:

1% Röntgenstrahlung - 99% Verlust durch Wärme

Bremsstrahlung

Ein Teil der aufprallenden Elektronen wird vom elektrischen Feld des Anodenatomkerns abgelenkt und abgebremst und kann hierbei seine kinetische Energie als Photon abstrahlen (=> hochenergetische elektromagnetische Röntgenstrahlung, "Bremsstrahlung").

Auf diese Weise entsteht ein kontinuierliches Spektrum der Bremsstrahlung mit einer durch die Röhrenspannung vorgegebenen kurzwelligen, energiereichen Grenze der Photonenstrahlung.

Charakteristische Eigenstrahlung

Beim Aufprall eines beschleunigten Elektrons kann dieses ein Elektron aus der K- oder L-Schale eines Wolframatoms herausschlagen (hierzu sind Energien in der Größenordnung von Kiloelektronenvolt notwendig, bei Wolfram 70 keV, bei Molybdän (s.u.) weniger). Dieses Elektron wird durch ein Elektron der L- oder weiter außen gelegenen Schale ersetzt. Bei diesem Prozeß wird jeweils die Differenzenergie zwischen der äußeren und der inneren Schale als ein Photon genau definierter Wellenlänge und Energie frei ("charakteristische Röntgenstrahlung"). Hierdurch entsteht ein für das Anodenmaterial "charakteristisches" Linienspektrum, das das kontinuierliche Spektrum der Bremsstrahlung überlagert. Zwischen 70-150 keV beträgt der Anteil der charakteristischen Eigenstrahlung 20-28% der Röntgendosis.Bremsspektrum

Kontinuierliches Bremsspektrum, überlagert von charakteristischer Eigenstrahlung

Normalerweise wird die Bremsstrahlung zur Bilderzeugung benutzt, lediglich bei der Mammographie ist die charakteristische Eigenstrahlung der entscheidende Faktor der Bildentstehung. Hierzu wird eine Anode aus Molybdän verwendet, die ihre charakteristische Eigenstrahlung im niederenergetischen Bereich hat (Durchführung der Mammographie mit Röhrenspannungen von 25-30 kV).

BILDERZEUGUNG

Die von der Anode ausgehende Röntgenstrahlung wird mit Hilfe von Blendensystemen auf ein Nutzstrahlbündel eingeblendet. Die Röntgenstrahlen werden von dem durchstrahlten Objekt geschwächt oder absorbiert. Der Anteil der Strahlung, der das Objekt durchdrungen hat, wird zur Bilderzeugung genutzt.

Merke:

Bilderzeugung beruht auf:

          1. Absorption
          2. Streuung

Hierbei sind die Absorptionsunterschiede zur Bilderzeugung erwünscht, da sie es ermöglichen, Gewebe voneinander zu differenzieren, während die Streuung unliebsam ist, da sie zur Bildverschlechterung führt.

Absorption

Die Absorption ist zur Dicke, zur Dichte und zur 3. Potenz der Ordnungszahl des durchstrahlten Gewebes direkt proportional, zur 3. Potenz der Strahlenenergie indirekt proportional.

Spannung

Einfluß der Spannung auf die Absorption [1]

Merke:

Die Absorption von Röntgenquanten ist von 4 Faktoren abhängig:

    1. der Dicke des durchstrahlten Stoffes
    2. der Dichte des durchstrahlten Stoffes (spez. Gewicht)
    3. der 3. Potenz der Ordnungszahl der Elemente des Gewebes
    4. der 3. Potenz der Energie der Röntgenstrahlen

Ordnungszahlen der wichtigsten im Körper vorkommenden Elemente:

Atom

Ordnungszahl

Wasserstoff (H)

1

Kohlenstoff (C)

6

Stickstoff (N)

7

Sauerstoff (O)

8

Calcium (Ca)

20

Daraus ergibt sich folgende Liste steigender Röntgendichte (d.h. abnehgmender Filmschwärzung) für die verschiedenen Gewebe:

Weichteilgewebe und parenchymatöse Organe unterscheiden sich in ihrer Absorption nur wenig. Um den Kontrast zu erhöhen, bedient man sich daher einiger Elemente mit hoher Ordnungszahl wie Jod und Barium (siehe Tabelle unten). Die Aufbereitung dieser Elemente in Verbindungen und Suspensionen, die dem Körper parenteral oder enteral zugeführt werden, bezeichnet man als "Kontrastmittel".

Desweiteren werden Elemente mit hoher Ordnungszahl (v.a. Blei) zur Abschirmung der Röntgenstrahlen verwendet (Tabelle unten). Dies gilt für die Einblendung der Strahlenbündel, die Abschirmung der Röntgenröhre wie auch den Personenschutz (Bleischürzen) und die Raumabschirmung (Bleiwände).

Atom

Ordnungszahl

Jod (J)

53

Barium (Ba)

56

Wolfram (W)

74

Blei (Pb)

82

Der Einfluß der Strahlenenergie auf die Absorption wurde oben beschrieben. Die Untersuchung der Absorption, die eine Strahlung beim Durchtritt durch Gewebe erfährt ("Massenabsorptionskoeffizient") zeigt, daß sich die bei niedrigen Spannungen bestehenden großen Absorptionsunterschiede zwischen Knochen und Weichteilen mit steigender Spannung verringern (Abbildung). Bei Aufnahmen, bei denen Gewebe mit hohen Absorptionsunterschieden gleichzeitig zur Bilderzeugung beitragen, wählt man daher hohe Spannungen zur Verminderung des Kontrastes (z.B. bei Thorax-Aufnahmen: 120 kV, sog. "Hartstrahltechnik").

Streuung

Die Compton-Streuung beruht auf der Ablenkung eines Photons aus dem Primärstrahlengang durch den Zusammenstoß mit einem Elektron. Hierbei wird ein Teil der Energie des Photons auf das Elektron übertragen. Das Photon setzt seinen Weg durch das durchstrahlte Objekt mit geänderter Richtung und verminderter Energie fort. (Unter "klassischer Streuung" versteht man die Ablenkung eines Photons ohne Energieverlust.) Das so aus dem Objekt austretende gestreute Photon schwärzt den Film an einer, nicht der primären Lokalisation entsprechenden Stelle und führt damit zu einer Bildverschlechterung.

Streuung

Prinzip von klassischer Streuung und Compton-Streuung [1]

Um den unerwünschten Einfluß der Streuung auf das Röntgenbild zu vermindern, bedient man sich eines sog. "Streustrahlenrasters", in dem Bleilamellen parallel zur Primärstrahlung angeordnet sind. Alle gestreuten, und daher mit anderem Winkel einfallenden Photonen werden vom Blei absorbiert und tragen so nicht mehr zur Filmschwärzung bei.

Streustrahlengitter

Prinzip des Streustrahlenrasters

Einfluß der Spannung

Ein wichtiger Aspekt der Bilderzeugung ergibt sich aus dem Einfluß der Spannung auf die Schwächung der Röntgenstrahlen:

Spannung - Schwächung

Einfluß der Spannung auf die Schwächung der Röntgenstrahlen

Ein Effekt der skizzierten Vorgänge ist die "Aufhärtung" der Strahlung durch die Absorption der niederenergetischen, "weichen" Anteile (d.h. die aus dem Körper austretende Strahlung ist der härtere, durchdringungsfähigere Anteil.

Filmschwärzung

Röntgenstrahlen sind für das menschliche Auge unsichtbar. Zur Sichtbarmachung dienen zwei bereits erwähnte Eigenschaften der Röntgenstrahlen: der photographische Effekt und der Lumineszenzeffekt, genauer: Fluoreszenzeffekt (s.u.).

Auf den Film trifft die Strahlung auf, die den Körper durchdrungen hat. Entsprechend der Schwächung der Röntgenstrahlen durch das durchstrahlte Objekt trifft viel oder wenig Strahlung auf den Film auf, so daß dieser entsprechend stark oder schwach geschwärzt wird:

So imponieren schließlich im Röntgenbild Luft schwarz, Fett und parenchymatöse Organe in entsprechenden Graustufen, Knochen sehr hell und Metall weiß.

Der photographische Effekt allein schwärzt den Film nur relativ gering. Der weitaus größte Teil der Filmschwärzung geht auf den Fluoreszenzeffekt zurück. Unter Fluoreszenz versteht man die Lichtemission durch einen Stoff beim Auftreffen von Röntgenstrahlen (Effekt nur während des Auftreffens der Strahlung, i.G. zur Phosphoreszenz, die auch nach Beendigung der Strahlung weiter besteht). Daher kommen zur Verbesserung der Lichtausbeute fluoreszierende Verstärkerfolien, z.B. aus Calciumwolframat oder "Seltene Erden", zum Einsatz. Diese emittieren beim Auftreffen von Röntgenstrahlen fluoreszierendes Licht und schwärzen so den Film entsprechend.

Die Schwärzung des Röntgenfilms geht insgesamt nur zu 5% auf die Röntgenstrahlen direkt zurück, 95% sind Anteil fluoreszierender Wirkung der Verstärkerfolien!

Der Aufbau einer Kassette ist in der unteren Abbildung wiedergegeben. Meistens liegen 2 Folien in einer Kassette vor (Ausnahme: Mammographie). Film und Folie bilden ein System, da ihre Spektralempfindlichkeiten aufeinander abgestimmt sein müssen. Man unterscheidet verschiedene Empfindlichkeitsklassen. Eine hohe Empfindlichkeit (hohe Lichtausbeute) wird jedoch durch die Zunahme der Foliendicke mit einer größeren Unschärfe erkauft (größerer Abstand führt zu Verzeichnung).

Kassette

Schematischer Aufbau einer Röntgenfilmkassette

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